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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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einhunderteinunddreißig
     Jahren steht unser Haus nun in Paris. So lange schon wachen wir, die              
    DOMINI canes, über die Herde des HERRN.
     Doch dankt man es uns? Nein, das Volk meidet die Dominikaner, ja die Leute
     spucken uns hinterher, wenn sie glauben, dass wir es nicht sehen. Doch die
     Franziskaner, die sie wegen ihrer Kordel, die sie um die Kutten gewunden
     haben, ›Cordeliers‹ nennen, die lieben sie und pilgern zu
     deren Kloster am Tor Saint-Germain wie zu einem Reliquienschrein. Und das,
     obwohl doch manche von ihnen schlimmere Ketzer sind als die Katharer und
     Fraticellen und Pastorellen und all die anderen zusammen.«
    »Der HERR will uns prüfen,
     doch am Ende werden wir siegen«, sagte ich, da mir nichts Besseres
     einfiel.
    Meister Philippe lächelte
     dünn, beruhigte sich jedoch langsam wieder. »Dafür lass
     uns beten, mein junger Bruder. Lass uns beten dafür, dass wir uns
     nicht mit Sünde beflecken, obwohl wir uns doch mit Sündern
     einlassen müssen — ja, obwohl wir ihrer Hilfe bedürfen.
     Denn wen haben wir, um den schändlichen Mord an unserem Mitbruder
     nicht ungesühnt zu lassen? Zwei Sergeanten, die kaum besser sind als
     Straßenschläger, die man zufällig in das Wams der Douzaine
     gesteckt hat. Eine Schönfrau, die einmal in einem tiefen Kreis der Hölle
     brennen wird. Und den Bader Nicolas Garmel, der in seinem Haus ›Wappen
     der Lilie‹ nicht nur aromatische Kräuter zu heißem
     Wasser in die Zuber gibt, sondern der den Männern auch Mädchen
     wie Jacquette zuführt, wenn sie ihn dafür bezahlen. Es würde
     mich nicht wundern, wenn er das Täubchen sogar kennt und sich bloß
     nichts anmerken ließ. Er kann sich geschickt verstellen, das hat er
     mir schon einmal gezeigt. Doch nicht geschickt genug für einen
     Inquisitor.«
    »Kein Sünder wird
     mich vom Pfad des Glaubens abbringen«, antwortete ich. Doch noch während
     ich dies sprach, formte sich in meinem Geist das Bildnis von Jacquette und
     ich spürte, wie die Röte mein Gesicht erhitzte. Obwohl es
     bereits dunkel war, schlug ich die Kapuze wieder hoch, um mich in ihrem
     Schatten zu verbergen. Meister Philippe schien nichts bemerkt zu haben und
     schritt schweigend weiter aus. Hinter uns marschierten zwei Sergeanten der
     Nachtwache auf und spannten eine eiserne Kette quer über die Rue
     Saint-Jacques.
    »Paris wird für
     die Nacht gesperrt. Wir müssen uns eilen«, murmelte Meister
     Philippe.
    *
    So gelangten wir denn zu später
     Stunde zurück ins Kloster, wo uns der Portarius eilends zur Kirche
     geleitete. Die Brüder hatten sich dort schon längst versammelt,
     doch hatten sie die Kapuzen hochgeschlagen, sodass ich nur dunkle Schatten
     sah, wo Gesichter hätten sein müssen.
    Es erklang bereits der
     Lobgesang und mir wurde das Herz weit. Die Stimmen der Mönche klangen
     zum Gewölbe SEINES Hauses und füllten es mit Freude und Demut
     und Zuversicht. Auf dem Altar brannten sieben große, weiße
     Kerzen. Für jede einzelne von ihnen hätte ein Bauer wohl eine
     Woche schuften müssen, denn sie waren dick und lang wie der
     Oberschenkel eines Mannes und das helle Wachs und der Docht waren von
     solcher Qualität, dass die Flamme rot und gelb züngelte, doch
     kein Ruß die nach Weihrauch duftende Luft beschmutzte.
    Der Lobgesang und das warme
     Licht, das vom Altar her die Kirche durchflutete und selbst alte Steine
     milde glänzen ließ, machten mir mein Herz leicht. Für den
     Moment vergaß ich gar den Toten vor Notre-Dame und stimmte in den
     Hymnus ein. Danach las ein junger Bruder einen Vers aus dem Matthäus-Evangelium.
     Schließlich erhob sich der Prior und sprach das Bittgebet. »PATER noster«, murmelten alle Brüder, dann
     ließen wir uns den Segen von Bruder Carbonnet geben. Schweigend
     verließen die Mönche die Kirche.
    Ich schloss mich ihnen an,
     ein Schatten unter vielen. Stumm gingen wir, die Hände gefaltet und
     unter unseren Kutten verborgen, in Zweierreihen den Kreuzgang entlang.
     Neben mir schritt Meister Philippe, den Kopf gesenkt und offenbar tief in
     Gedanken versunken oder vielleicht auch in ein Gebet. Zwei Ölleuchten
     erhellten das Gewölbe des Kreuzganges. Obwohl wir leise schritten,
     hallten die Ledersandalen auf dem glatten Steinboden, und es klang, als
     bewege sich ein tausendfüßiges Tier langsam durch das Kloster.
    So gelangten wir ins
     Refektorium. Der Speisesaal war weiß gekalkt und wurde von einigen
     Fackeln

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