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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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erhellt. Ein großer Tisch aus polierten Eichenbalken nahm
     fast die gesamte Länge des Raumes ein, an seinen beiden Seiten stand
     je eine große Bank. Etwas abseits des großen Tisches, an der
     Stirnseite des Refektoriums und auf einer Empore leicht erhöht, erhob
     sich ein kleinerer, feiner gearbeiteter Tisch, der von hochlehnigen Stühlen
     umgeben war. Hier nahmen der Prior, der Dekan und der Probst, der
     Bibliothekar sowie Meister Philippe Platz. Danach setzten wir gewöhnlichen
     Mönche uns auf die Bänke. Ich fand mich am rechten Ende der
     Tafel wieder, mein Nachbar war ein hünenhafter Mitbruder
     unbestimmbaren Alters, denn sein Gesicht war von Pockennarben so
     entstellt, dass man es kaum anzusehen wagte. Er nickte mir zu, doch sprach
     er, wie alle, während der Mahlzeit kein Wort.
    Ein junger Mitbruder -
     derselbe, den ich eben in der Kirche aus den Evangelien hatte vorlesen
     sehen - trat an ein Pult, das an der linken Längsseite des Raumes
     aufgestellt war, und las während des Essens aus dem Neuen Testament.
     Es war der erste Brief des Paulus an die Korinther - eine Mahnung an die
     Gemeinde, stark und diszipliniert im Glauben zu sein. Ich war mir sicher,
     dass der Prior diese Stelle ausgesucht hatte — aus nahe liegenden Gründen.
     Denn was mochte es zwischen den Brüdern an Geflüster und
     Gemunkel gegeben haben, seitdem bekannt geworden war, dass ein Dominikaner
     sein Ende vor Notre-Dame gefunden hatte?
    Ich brach ein Stück vom
     Brot ab, das weiß war, weich und so frisch, dass es noch warm war,
     und aß es mit etwas Butter. Dazu wurden Zwiebeln und gekochte Eier
     gereicht und es gab Wasser, gut gekühlt aus irdenen Krügen. Später
     reichte uns ein Diener - ein Laie, der zum Kloster gehörte und, wie
     ich seinem Gesichtsausdruck entnehmen musste, nicht der hellste Bürger
     der Stadt Paris zu sein schien - Honig und gedörrte Pflaumen.
    Das Essen war gut und doch
     musste ich mich zwingen, es hinunterzuschlucken. Denn nun, im Schweigen
     der Mitbrüder, das von der monotonen Lesung aus dem Korintherbrief
     eher verstärkt als gemildert wurde, fand mein Geist nicht länger
     Ablenkung. Meine Gedanken gingen zurück zu Heinrich von Lübeck.
     Und allein die Erinnerung an seinen blutigen Körper nahm mir den
     Appetit. Am Ende der Mahlzeit ließ mich der Prior an seinen Tisch
     rufen. Demütig stand ich auf und schritt nach vorne. Ich spürte
     die Blicke der Mitbrüder, die meinen Gang verfolgten. Es schien mir
     ein langer Weg zu sein, bis ich endlich vor dem erhöhten Tisch stand
     und mich verneigte.
    »Ich erteile dir einen
     Dispens von der stabilitas loci«, verkündete mir Bruder
     Carbonnet. »Du magst - allerdings nur auf Anordnung von Meister
     Philippe, dem du zu dienen hast - das Kloster zu jeder beliebigen Zeit
     verlassen und so lange außerhalb unserer Mauern bleiben, wie es
     notwendig ist. Du magst den Gebeten und sogar der Messe fernbleiben, wenn
     es denn dem Inquisitor hilft. Du magst in einer eigenen Zelle schlafen,
     damit du keinen Mitbruder störst — und damit keine neugierigen
     Blicke und keine neugierigen Ohren etwas von deinem Tun auffangen mögen.
     Dies alles gilt so lange, bis ihr den Frevler gefunden habt, der unseren
     geliebten Bruder Heinrich von Lübeck gemeuchelt hat.«
    Der Prior hatte so laut
     gesprochen, dass seine Stimme im ganzen Refektorium gut zu vernehmen
     gewesen war.
    »Ehrwürdiger
     Vater, ich danke dir«, antwortete ich und bemühte mich, meiner
     Stimme einen ähnlich festen Klang zu geben, allerdings vergebens.
    *
    So fand ich mich denn bald
     darauf allein in einer Zelle, die so schmal war, dass ich mit
     ausgestreckten Armen beide Seitenwände zugleich berühren konnte.
     Durch ein winziges, vergittertes Fenster schien das fahle Mondlicht
     herein. Eine Pritsche stand in dem Raum, daneben erhob sich eine Truhe,
     die zugleich als Sitz, Tisch und Altar dienen mochte. Ein schlichtes Kreuz
     aus zwei mit Lederriemen verbundenen Stöcken war der einzige Schmuck
     der dunklen, unverputzten Steinwände.
    Ich warf mich auf die
     Pritsche, stolz und unzufrieden zugleich. Stolz, weil ich vom Prior so
     hervorgehoben worden war und weiterhin an der Suche nach dem Sünder
     teilhaben durfte. Offensichtlich hatte Meister Philippe mit Bruder
     Carbonnet über mich gesprochen und mein Tun für immerhin
     bedeutungsvoll genug gehalten, dass er mir weitere Hilfe zugetraut hatte.
    Unzufrieden war ich
     allerdings auch, denn nun war ich

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