In Nomine Mortis
dir und mir nichts
bedeutet, wohl aber vielen Jünglingen in Paris. Sie sind des Nachts
in den Bois de Boulogne und andere Wälder gezogen, um frisches Grün
zu schneiden für ihre Angebeteten. Dies winden sie dann zum Zeichen
ihrer Zuneigung um die Hauseingänge ihrer Liebsten. Dieser Brauch,
befürchte ich, mag auf heidnische Zeiten zurückgehen. Und ich
befürchte noch viel mehr, nämlich dass mancher Jüngling
seiner Angebeteten, aber noch nicht Angetrauten, nicht nur in keuscher
Liebe zugetan ist. Nur zu oft wird das frische Grün weniger Zeichen
reiner Liebe sein als Symbol des Triumphes der Sünde, denn die
Wollust war zu Gast in den geschmückten Häusern. Doch der Kampf
gegen diese Sünde muss Sache unserer Brüder sein, die an
Sonntagen predigen und mit der Hölle und ihren Qualen drohen. Wir
Inquisitoren müssen uns finstereren, doch glücklicherweise auch
weniger häufig vorkommenden Sünden stellen.«
Philippe de Touloubre hatte,
wie immer, Recht. Doch als wir die Straßen Richtung Seine
hinunterschritten, warf ich immer wieder verstohlene Blicke auf die
Zweige. Ich konnte nicht anders: Ich versuchte, mir auszumalen, was wohl
in der vorangegangenen Nacht hinter den geschmückten Mauern
vorgegangen sein mochte. Unweigerlich kam mir ein Bild in den Kopf, ein
Bild von einer jungen Straßendirne, die in Furcht war vor der
Inquisition. Oh, wie sündigte ich im Geiste! Wir überquerten die
Seine und die Cite, bis wir am jenseitigen Ufer angelangt waren. Dort
wandten wir uns nach links und gingen die Rue Saint-Honore entlang, wo
sich zu dieser frühen Stunde schon die Fuhrwerke der Händler drängten
und die Karren der Bauern, auf denen die Landleute Rüben und
Feuerholz zu den Märkten brachten. Vor allem aber duftete die Rue
Saint-Honore wie keine andere Straße von Paris - denn in den Häusern
zu beiden Seiten der Straße standen, dicht gedrängt wie
Landsknechte vor einer Schlacht, die Backstuben der Stadt. Mochte es
anderswo nach Kot, Kohlstrünken und wilden Schweinen stinken, so
waren hier die üblichen Miasmen der Stadt überlagert von einem
betäubenden Duft nach weißem Brot und Blätterteig, nach
Pastetenrollen, mürbem Gebäck und Torten.
Mein Bauch, der vor jenen
Tagen in Paris bloß das dunkle Klosterbrot kannte, zog sich
zusammen, mein Mund wurde mir wässrig - und nach der ersten Todsünde,
der Wollust im Geiste, beging ich an jenem Morgen schon die zweite: die
der Völlerei im Geiste. Mit knurrendem Magen und beschämt
gesenktem Blick schritt ich hinter Philippe de Touloubre einher, vorbei an
den Backstuben, wo Diener, Mägde und Bürgersfrauen aus und ein
gingen, runde Brote unter den Armen, die in der frischen Morgenluft noch
dampften. Manchmal konnte ich durch die geöffneten Verschläge
einen raschen Blick erhaschen auf Backöfen, in denen Holzkohlen glühten,
und auf hölzerne Regale, auf denen kleine, tellerförmige Kuchen
zu kunstvollen Türmen aufgebaut waren.
Endlich, es kam mir wie eine
kleine Ewigkeit vor, obgleich wir nur ein paar Dutzend Schritte gegangen
waren, verflüchtigte sich der verführerische Duft und ich roch
wieder den Gestank und die Pestilenz von Paris, was mich an die
Endlichkeit unseres Daseins und den Schmutz unserer Sünden erinnerte.
Wir standen vor einem
wuchtigen Bau — halb Patrizierhaus, halb Burg— mit schmalen,
hohen Fenstern und einer großen Tür in der Front, deren mächtige,
eisenbeschlagene Flügel weit geöffnet waren. Davor allerdings
standen zwei Sergeanten de la Douzaine und hatten die Hellebarden
gekreuzt.
Als sie uns erblickten, hoben
sie ihre Waffen, grüßten respektvoll und ließen uns ohne
weitere Fragen passieren. Wir gelangten auf einen engen, düsteren
Innenhof.
»Wo sind wir?«,
fragte ich. Mir schien dieser Ort bedrückend zu sein, finster,
bedrohlich.
»Im Grand Châtelet«,
antwortete der Inquisitor knapp und schritt zu einer steinernen Treppe,
die auf eine Galerie im ersten Obergeschoss führte.
Ich musste in diesem Moment
an unseren Herrn Jesus Christus denken, wie er vor Pontius Pilatus geführt
wurde. So düster, glaubte ich, musste der Palast ausgesehen haben, in
dem der Prokurator über den Messias zu Gericht gesessen und später
seine Hände in Unschuld gewaschen hatte. Et Pilatus adiudicavit fieri
petitionem eorum dimisit autem Ulis eum qui propter
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