In Nomine Mortis
in den Hallen des Maison aux
Piliers versammelt hatten und leise miteinander feilschten. Schreiber
trugen Pergamente hin und her, standen an Pulten und füllten lange
Listen aus. Es wurde getuschelt, gefordert, gefleht: ein leises,
tausendstimmiges Gesumm des Geldes und der Nichtigkeit. Hatte nicht
Christus selbst solch weltliches Treiben verdammt?
Et intravit Iesus in
templum Dei et eiciebat omnes vendentes et ementes in templo et mensas
nummulariorum et cathedras vendentium columbas evertit. Doch hier studierte man lieber
Depeschen und Anweisungen als die Heilige Schrift. Kaum jemand hatte sein
Tun unterbrochen, um der Hinrichtung draußen vor dem prachtvollen
Portal dieses Hauses zuzusehen. Doch als wir eintraten, die große
Freitreppe ins erste Obergeschoss emporschritten und zum Raum des
Gildenmeisters gingen, da folgte uns so mancher erstaunte und wohl auch
ängstliche Blick. Und Recht hatten diese Sünder: Wie viele
Ewigkeiten Hölle mochten sie hier täglich ansammeln mit ihren
goldenen und silbernen Münzen, die sie in prall gefüllten
Lederbeuteln herumtrugen! Über der Tür, die zu den Gemächern
des Gildenmeisters führte, prangte ein Gesims, welches, in Marmor
gefasst und farbig bemalt, das Wappen der Gilde trug und ihren Spruch:
Fluctuat nec mergitur. Ein Diener öffnete
uns - und vor uns stand der Prévôt des marchands de l'eau,
einer der mächtigsten Männer von Paris. Andre d'Epernon war wohl
fünfzig Jahre alt. Sein Haupt war kahl, auf seiner Nase erhob sich
ein Sehglas aus Venedig, doch hinter dessen geschliffenen Gläsern
funkelten dunkle, gescheite Augen. Seinen schmächtigen Körper
hatte d'Epernon in dunkles Brokat gehüllt, was ihm, trotz seines
niederen Wuchses, eine gewisse Gravität verlieh. Vor seiner Brust
blitzte die goldene Kette des Gildenmeisters. »Philippe de
Touloubre!«, rief er aus - und schien ehrlich erfreut zu sein. Er
eilte uns mit ausgestreckten Armen entgegen, dann verbeugte er sich.
»Womit kann ich den Männern GOTTES dienen?« Auch der
Inquisitor neigte sein Haupt und war offensichtlich angetan, den
Gildenmeister zu sehen. In wohlgesetzten Worten brachte er unser Anliegen
vor.
Andre d'Epernon kratzte sich
am Kopf und dachte nach. »Von dem«, er zögerte
vorsichtig, »bedauerlichen Zwischenfall, der sich im Schatten von
Notre-Dame ereignet hat, habe ich natürlich gehört«, sagte
er schließlich. Er verriet uns allerdings nicht, woher er diese
Information hatte. »Ich wusste jedoch nicht«, fuhr der
Gildenmeister fort, »dass dieser Mönch - GOTT sei seiner Seele
gnädig - etwas mit einem Kaufmann aus deutschen Landen zu schaffen
hatte. Wozu sollte er das auch? Und noch dazu in unserer guten Stadt
Paris? Doch kann es sich dabei eigentlich nur um einen Mann handeln:
Richard Helmstede.«
»Diesen Namen habe ich
noch nie gehört«, gab Meister Philippe zur Antwort.
Andre d'Epernon nickte.
»Aber Ihr werdet sein Schiff schon gesehen haben.« Er deutete
aus dem Fenster. »Es liegt direkt an der Place de Greve.«
»Der große
Segler, der eher einer schwimmenden Burg gleicht denn einem Schiff?«,
platzte ich heraus.
»Ja«, bestätigte
mir der Gildenmeister und ich meinte, ein spöttisches Lächeln
über sein Gesicht huschen zu sehen. Wahrscheinlich hielt er mich für
einen unerfahrenen Jungen, kaum besser als ein Novize — und er hatte
damit ja auch Recht.
»Es ist eine Kogge«,
fuhr er fort. »So zumindest werden Segler dieser Art in deutschen
Landen genannt. Sie gehört Richard Helmstede und ankert schon seit
etlichen Tagen in Paris.«
»Ich habe nie zuvor
eine Kogge in Paris gesehen«, warf Philippe de Touloubre ein.
»Ich auch nicht«,
erwiderte Andre d'Epernon lachend. »Und ich habe weiß GOTT
viele Schiffe in meinem Leben erblickt. Richard Helmstede hat die Abgaben
für den Liegeplatz und die Steuern für den König
ordnungsgemäß und pünktlich bezahlt, ohne zu feilschen
oder zu jammern. Er ist höflich, aber verschlossen. Ich bekomme ihn
kaum zu Gesicht - ich weiß nicht einmal, wo er hier in Paris
abgestiegen ist und wo er sich aufhält.
Niemand aus der Gilde der
Flussschiffer kann sich erklären, was er hier laden oder handeln will
mit seinem gewaltigen Schiff. Es muss ihn Unsummen gekostet haben, all die
Treidler zu bezahlen, die nötig gewesen sein mögen, um diese
schwere Kogge
Weitere Kostenlose Bücher