In Nomine Mortis
homicidium et
seditionem missus fuerat in carcerem quem petebant Iesum vero tradidit
voluntati eorum. Mich schauderte.
Philippe de Touloubre führte
mich, vorbei an weiteren Wachen, in einen großen Saal, der in ein
helles, jedoch seltsames Licht getaucht war, denn die Sonne flutete durch
große Fenster mit unterschiedlich dunklem, gelbem Glas. Ein großer
Mann in scharlachroter Tracht stand an einem Schreibpult. Er blickte auf,
als er unsere Schritte vernahm, und starrte uns finster an.
»Ihr kommt ein wenig spät,
verehrte Brüder«, knurrte Ambroise de Lore. Er strich sich mit
der Rechten durch seinen gestutzten Bart; an zwei Fingern funkelten
goldene Ringe, mit Rubinen besetzt, die wie erstarrte Blutstropfen
aussahen.
»Ich wollte nicht mit
leeren Händen kommen, Durchlaucht«, antwortete Philippe de
Touloubre und verneigte sich leicht. Dann führte er in knappen Worten
aus, was wir am Körper des Toten gefunden und welche
Schlussfolgerungen wir daraus gezogen hatten. Meinen Namen erwähnte
er nicht — wohl aber den des Baders Nicolas Garmel —, ja, er
stellte mich nicht einmal vor. Auch der Prévôt royal
beachtete mich nicht. Es war, als wäre ich ein Geist, durch den beide
hindurchsähen. Ich war klug genug, mich nicht zu rühren und mein
Gesicht im Dunkel der Kapuze zu verbergen. Der Inquisitor mochte seine Gründe
haben, meinen Namen aus diesen Ermittlungen herauszuhalten.
Zuletzt erwähnte
Philippe de Touloubre, dass die beiden Sergeanten die Dirne verhaftet
hatten, und bat darum, dass man ein aufmerksames Auge auf sie habe, sie
jedoch nicht der peinlichen Befragung unterziehe. Der Inquisitor befürchtete
wohl, dass Jacquette, sollte sie von den Sergeanten gefoltert werden,
sterben würde, noch ehe sie uns gegenüber ihre Seele hätte
retten können, indem sie uns endlich alles sagte, was sie wusste.
Ambroise de Lore nickte
widerwillig. »Meine Männer haben eigentlich Besseres zu tun,
als auf Freudenmädchen aufzupassen«, brummte er. »Seltsame
Gerüchte gehen um in der Stadt. Mehr als das übliche Geschwätz
der selbst ernannten Wanderprediger und Marktweiber über die Sünden
dieser Welt und die drohende Eroberung unserer Stadt durch die
Burgundischen oder Englischen. Irgendetwas braut sich zusammen in Paris,
ich kann es spüren.«
Der Inquisitor nickte.
»Mag sein, dass dieser schreckliche Mord etwas damit zu tun hat. Wir
werden die Augen offenhalten und Euch unterrichten, sobald wir etwas Verdächtiges
vernehmen.« Der Prévôt nickte und entließ uns,
nachdem er Philippe de Touloubre um seinen Segen gebeten hatte, den dieser
auch gnädig gewährte.
*
»Meister, glaubt Ihr
wahrhaftig, dass Heinrich von Lübecks Ermordung etwas mit den Gerüchten
vom Feuerregen und den anderen wirren Geschichten zu tun hat?«,
fragte ich, als wir das Grand Châtelet wieder verlassen hatten und
ich freier zu atmen wagte. »GOTTES Wege sind vollkommen, so heißt
es im Psalter. Doch wir Menschen sind nicht dazu geschaffen, sie in all
ihren Windungen und Verästelungen zu erkennen. Wir schreiten sie nur
ab, blind für das, was mehr als ein paar Handbreit vor uns liegt. Was
wissen wir also schon?«, antwortete Philippe de Touloubre.
»Ich weiß, dass
seine Durchlaucht, der Prévôt royal Ambroise de Lore ein
prunksüchtiger Mann ist«, fuhr der Inquisitor dann fort.
»Ich weiß, dass er die Schönfrauen liebt und seine
Sergeanten deshalb nicht gerade mit der Peitsche antreiben wird, eine
dieser sündigen Frauen streng zu bewachen. Ich weiß, dass er
wenig weiß und wenig wissen will. Doch in einem gebe ich dem Prévôt,
der seine Sorgen hinter seinem rauen Auftreten nur unzulänglich
verbergen kann, Recht: Irgendetwas geht vor in dieser Stadt.«
Philippe de Touloubre führte
mich ein Stück die Straße zurück, Richtung Place de Greve.
»Wir werden nun dem Vorsteher der Flussschiffergilde einen Besuch
abstatten«, erklärte er mir im Gehen. »Sie ist die mächtigste
Gilde der Stadt. Wenn jemand weiß, wer jener Kaufmann aus deutschen
Landen sein mag, den Heinrich von Lübeck kurz vor seinem Tod
getroffen hat, dann der Gildenmeister.« Als wir auf der Place de
Greve standen, mussten wir uns den Weg durch eine Menschenmenge bahnen.
Ich begriff zunächst nicht, was dies zu bedeuten hatte - ja, ich
gestehe, dass ich ängstlich war, vielleicht einen jener Aufrührer
mit ihren gefährlichen
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