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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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mich
     glauben, dass der Dekan selbst jener Mann war, der in der Nacht des Todes
     die Sünderin Jacquette schlug, bis ihr die Sinne schwanden.«
    »Ihn hatte ich gleich
     in Verdacht!«, rief ich triumphierend. »Nur nicht so laut,
     mein junger Bruder«, beschwichtigte mich der Inquisitor und lächelte
     dünn. »Selbstverständlich hat die Inquisition das Recht,
     auch einen Domherrn vorzuladen und, wenn es denn sein muss, sogar auf der
     Streckbank zu befragen.
    Doch Nicolas d'Orgemont ist
     nicht irgendein Bauer. Er entstammt einer der angesehensten Adelsfamilien
     der Ile de France und ist ein treuer Gefolgsmann des Königs. Könnte
     ich ihn einer schrecklichen Sünde wegen anklagen, dann würden
     seine mächtigen Freunde wohl aus Abscheu und auch aus Angst vor der
     Inquisition ein Verfahren hinnehmen. Doch wenn meine Anklage nur darauf
     lautet, dass der Domherr eine Dirne verprügelt hat? Dann würden
     sich Nicolas d'Orgemont und seine Gönner empören und sich in
     Avignon bei Seiner Heiligkeit beschweren. Selbst wenn ich mich durchsetzte
     — und dies wäre keineswegs sicher, wenn der Papst sich
     einmischte —, würde es mich Jahre kosten, bis ich den Dekan
     verurteilt hätte. Es wäre den Aufwand nicht wert, solange größere
     Sünder als er ungestraft auf GOTTES Erde wandeln.«
    *
    Am Abend jenes Tages warf ich
     mich auf meine Pritsche und grübelte, warum GOTT es wohl so
     eingerichtet hatte, dass manche Menschen SEINE Diener mehr zu fürchten
     haben als andere. Ob- zwar doch Jacquette und Nicolas d'Orgemont der
     gleichen Sünde, nämlich der der Wollust, gefrönt hatten,
     wurde die Schönfrau ohne Federlesens in den Kerker geworfen, der
     Dekan der Domherren hingegen musste nicht einmal zehn PATER noster
     aufsagen, zu denen doch selbst Kinder nach harmlosen Streichen
     verpflichtet sind.
    Wog nicht die Sünde des
     Domherrn sogar schwerer als die der Frau, die ihm dabei zu Diensten war?
     Denn ihn trieb doch die Wollust, sie hingegen vor allem die Not, sich ein
     paar Sous zu verdienen. Er war ein Mann der Kirche, von dem die Lämmer
     GOTTES hoffen durften, in ihm einen Hirten zu sehen, während niemand
     dieses Vertrauen einer Schönfrau entgegenbringen würde.   
    Irgendwann wurde mir klar,
     dass ich in meinem Geiste eine Sünderin wie Jacquette beinahe schon
     verteidigte, während vor dem Inquisitionsgericht meiner Seele ein
     Mann der Kirche keine Gnade fand. So verhext das Weib unser Urteilsvermögen!
    Um nicht selbst schon wieder
     sündiger Gedanken schuldig zu werden, erhob ich mich von meiner
     Pritsche. Es wurde Zeit, dass ich den nächtlichen Geräuschen
     nachging!
    Oh, wie unwissend ich doch
     war. Ich stellte mir vor, dass ich nur heimlich durchs Kloster schleichen
     müsste, bis ich verdächtigen Lärm hörte, dann würde
     ich jenen seltsamen Begebenheiten schon auf die Spur kommen. Doch als ich
     mich — es musste wohl noch eine Stunde sein bis zu den Nocturnes -
     vorsichtig aus meiner Zelle wagte, da war das Kloster totenstill.                  
    Lautlos brachte ich den Gang
     hinter mich, der zum Dormitorium führte. Als ich an dem offenen Bogen
     lauschte, der zum Schlafsaal der Brüder führte, da vernahm ich
     die üblichen Geräusche von ein paar Dutzend Menschen in der
     Nacht: Schnarchen und Grunzen, das Rascheln von Stroh, wenn sich ein
     unruhiger Schläfer von Seite zu Seite wirft, Husten und Keuchen,
     unverständliches Gemurmel von jemandem, den ein schwerer Traum
     heimsucht. Ich tastete mich zum Kreuzgang weiter. Hier, wie überall,
     brannten nur wenige Talglichter, deren gelblicher Lichtschein kaum ein
     paar Handbreit weit reichte und den größten Teil des Klosters
     in Dunkelheit beließ. In den Schatten hätten sich hundert
     Landsknechte verstecken können, ich hätte sie nicht bemerkt.
    Im Kreuzgang erklang das
     leise Murmeln des Springbrunnens. Ich erschrak, als ich plötzlich ein
     kaum vernehmbares Sirren mehr spürte als hörte: Schwarze
     Schatten, noch dunkler als die Nacht, tanzten in der Luft.
    »HERR, errette mich«,
     flüsterte ich und kniete nieder, denn ich glaubte, die Seelen
     verdammter Toter würden um mich tanzen. Doch es waren nur Fledermäuse,
     die in nächtlichen Flügen um mein Haupt kreisten.
    So wanderte ich durch das
     Kloster wie durch ein finsteres Tal, doch niemand war mein Hirte. Das
     Skriptorium lag verlassen, die Bibliothek ebenso. Die Küche war kalt,
     der Kapitelsaal leer. In der Kirche

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