In Nomine Mortis
Vermögen anlegen wollte.
»Der erfahrenste und,
wenn man so will, der ehrlichste der Geldwechsler ist Pietro Datini«,
sagte der Sergeant schließlich nach einigem Nachdenken. »Ein
Florentiner, doch wohnt er schon seit vielen Jahren in Paris. Er hat seine
Wechselstube im ›Haus zum Falken‹. Es ist das größte
Haus auf der rechten Seite des Grand Pont. Ihr könnt es nicht
verfehlen, Bruder.«
»GOTT segne dich«,
erwiderte ich zufrieden und begab mich auf die Brücke.
*
Der Sergeant hatte Recht: Das
»Haus zum Falken« erhob sich auf der rechten Seite der großen
Brücke, ungefähr auf halbem Wege über den Strom. Es war,
wie alle Anwesen auf dem Grand Pont, aus Holzbalken gezimmert, schmal und
hoch. Doch es war eine Winzigkeit höher als die Nachbarhäuser.
Diese kleine Unregelmäßigkeit musste Datini, ein Vermögen
gekostet haben, schließlich hatte der König die Höhe der
Gebäude auf der Brücke einst genauestens beschränkt. Die
Balken waren glatt gehobelt und grün und rot gestrichen, die Fenster
verglast, den Eingang zierte feines Schnitzwerk: Eine üppige —
und wie ich fand höchst sündige, ja heidnische — Dame schüttete
ein Füllhorn aus. Ein Symbol des Reichtums, vermutete ich. Die
Barmherzigkeit oder die Freigebigkeit würde es bei einem Geldwechsler
wohl kaum darstellen. Über dem Kopf der Frauengestalt war ein
vergoldeter Raubvogel mit gespreizten Schwingen angebracht, was diesem
Haus zu seinem Namen verholfen hatte.
Ich zögerte kurz und
blickte mich um. Gedränge und Lärm herrschten auf dem Grand
Pont, doch niemand schien meiner zu achten. Also holte ich noch einmal
tief Luft und trat mit einem raschen Schritt über die Schwelle ins
»Haus zum Falken«. Ich fand mich in einem großen, sauber
gefegten Raum wieder. Es roch nach Holz und Kerzenwachs. Die großen
Fenster ließen ungewöhnlich viel Licht herein, doch dämpften
sie den Lärm der Marktschreier und eisenbeschlagenen Karrenräder,
die über die Brücke rumpelten. Nur ein ständiges, feines
Zittern des Fußbodens verriet einem in dieser Stube noch, dass man
sich auf einer Brücke, nur ein paar Mannslängen über der
schäumenden Seine befand und nicht auf GOTTES fester Erde.
Zu meiner Rechten erstreckte
sich ein großer Tisch fast über die ganze Länge des
Raumes. Auf seiner mit Filz überzogenen Platte stand eine
bronzeschimmernde Waage, daneben lag ein Rechenbrett. Geldstücke
konnte ich keine erblicken, doch hinter dem Tisch gewahrte ich einige
eisenbeschlagene, mit je zwei oder drei Schlössern gesicherte Kisten
- und es war nicht schwer zu erraten, was darinnen sein mochte.
Zu meiner Linken öffnete
sich die Rückwand zu einer schmalen Stiege, die in die oberen
Stockwerke führte.
Ein junger Mann in unauffälliger
dunkler, doch wohl geschneiderter Kleidung stand hinter dem Wechseltisch
und blickte mich einen Augenblick erstaunt und furchtsam an. Dann fing er
sich wieder, verbeugte sich und eilte geschäftig um den Tisch herum,
um mich zu begrüßen.
»Was kann ich für
Euch tun, Bruder?«, fragte er. Sein Französisch hatte einen
starken Akzent, der mir unbekannt war. »Ich wünsche den Herrn
Datini zu sprechen«, entgegnete ich und vermied es absichtlich,
meinen Namen zu nennen. Mein Mönchshabit reichte aus, um den Mann von
meiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Ohne mir weitere Fragen zu
stellen, führte er mich, unter vielerlei Verbeugungen, die Stiege
hinauf. Im ersten Stock öffnete sich vor mir ein Raum, der zur Rückseite
der Grand Pont lag. Ein breites Fenster gab einen berauschenden Blick auf
die Türme und Dächer von Paris frei, auf die Pinassen und
Wassermühlen, welche die Wellen der Seine bedeckten, und auf die
himmelstrebende Kathedrale von Notre-Dame. Das Fenster war geöffnet
und ließ eine erfrischende Brise in die Stube. An der Seite standen
ein paar Truhen unterschiedlicher Größe, in der Mitte ein
Schreibpult und mehrere bequeme, hochlehnige Stühle.
Auf einem saß ein Mann
in rotem Wams, der eine Urkunde studierte. Nach dem, was mir der Sergeant
gesagt hatte, hätte ich erwartet, dass Pietro Datini schon ein älterer
Mann war. Doch er war jünger, als ich vermutet hatte, sicherlich kaum
jenseits der Dreißig. Er war groß und hager und hatte lange,
lockige, dunkle Haare. Sein Gesicht war schmal, seine Augen standen eng
beisammen.
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