Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
Selbstsicherheit desjenigen, der ein heiliges Ziel vor Augen hat,
     am Portarius vorbei. Der blickte kaum auf und nickte nur, ohne mich nach
     meinem Weg zu fragen. So verließ ich das Kloster - und stand zum
     ersten Mal allein auf den Straßen von Paris.
    Doch was sollte ich nun tun?
     Ich war so erregt und zugleich auch ratlos, dass ich zusammenzuckte, als
     mich ein herrenloser Hund anbellte. Dann jedoch lächelte ich und nahm
     es als ein Zeichen, das ER mir gesandt hatte. War ich nicht einer der DOMINI canes ? Verbeißt sich nicht auch
     ein Hund in eine Spur, schnüffelt, die Nase am Boden, und verfolgt
     sie über Stunden, bis er sein Ziel gefunden hat? Vergräbt er
     nicht Dinge in der Erde? Sind nicht die Knochen, die er so verbirgt, seine
     Schätze? Schätze — das war es, was mir in der Seele hängenblieb:
     das Geld, das Heinrich von Lübeck bei sich getragen hatte! So wandte
     ich mich denn nach rechts, die Rue Saint-Jacques hinunter Richtung Seine.
     Nun hatte ich ein Ziel: den Grand Pont, die Brücke der Geldwechsler.
    Ich strebte, so schnell es
     meine Würde als Mönch zuließ, zum Herzen der Stadt. Auf
     der Straße drängten sich, wie üblich, Mann und Weib, Herr
     und Diener, Greis und Kind, dazu Schweine, Hunde, Katzen. Ich vermag bis
     heute nicht zu sagen, woran es lag, doch an jenem Tag glaubte ich zum
     ersten Mal, dass Menschen und Tiere auf den Straßen von Paris plötzlich
     lauter geworden seien, zugleich zorniger und ängstlicher. Die
     Fuhrleute schienen mir noch rascher zur Peitsche zu greifen als sonst;
     Betrunkene grölten obszöne Vagantenlieder, selbst zu dieser frühen
     Stunde; zwei Marktfrauen beschimpften sich kreischend; ein räudiger
     Hund folgte mir wohl hundert Schritte und bellte mich unaufhörlich
     an, bis ich, die Würde meines Standes vergessend, einen Klumpen Dreck
     aufhob und nach ihm warf; ein halbes Dutzend Katzen fauchten in einer
     dunklen, nach Ausscheidungen stinkenden Gasse ein verletztes Schwein an,
     das vor und zurück rannte, von seinen Peinigern jedoch stets wieder
     gestellt wurde; und selbst die Ratten, sonst doch tückisch und scheu,
     waren frech geworden, versuchten nicht mehr, sich zu verbergen, sondern
     huschten den Bürgern fast über die Füße.
    Einige Bengel machten sich
     einen Spaß daraus, die Ratten mit Stöcken und Steinen zu jagen.
     Ein paar wurden ihnen zum leichten Opfer, denn sie waren ungewöhnlich
     langsam und bluteten schon aus der Schnauze, noch bevor sie einer der
     Jungen zum ersten Mal getroffen hatte.
    Ich jedoch ging die Straße
     hinunter, als gehörte ich nicht in diese Welt. Manche Menschen grüßten
     mich respektvoll, die meisten allerdings wichen vor mir zurück. Ich
     erlag der Sünde der Hochmut, denn ich spürte, dass die Bürger
     Angst hatten - wenn nicht vor mir, so doch vor meiner Kutte. Stolz war ich
     und ich fühlte mich wichtig und als Abgesandter des HERRN. Und doch
     gab es an jenem Tag keinen größeren Narren auf der Rue
     Saint-Jacques als mich. Vor dem Grand Pont erblickte ich den jungen
     Sergeanten de la Douzaine, der uns zwei Tage zuvor die Nachricht von
     Jacquettes Flucht überbracht hatte. Ich ging auf ihn zu, erwiderte
     seinen respektvollen Gruß mit segnender Hand und sagte ihm
     geradeheraus, dass ich einen Geldwechsler suche, der mir Aufklärung
     geben könne über alte Münzen und solche aus fernen Ländern.
    Der Sergeant lachte kurz.
     »Jeder Geldwechsler kennt Münzen aus den Ländern der
     Christenheit und sogar solche, die in den Ländern der Heiden geprägt
     worden sind. Das ist ja ihr Beruf, Bruder«, erklärte er mir
     — offensichtlich froh darum, mir diesmal keine unangenehme, sondern
     eine nützliche Neuigkeit kundzutun.
    »Und alle Geldwechsler
     sind Schurken, denen man nicht vertrauen darf. Auch das gehört zu
     ihrem Beruf.«
    »Möchtet Ihr
     selbst Geld anlegen, Bruder?«, fragte er dann. »Aber nein«,
     erwiderte ich empört. »Ich bin Mönch, ich besitze nichts
     von dieser Welt. Ich verlange nur nach einer Auskunft. Sie wird mir bei
     einer Untersuchung der Inquisition vielleicht von großem Nutzen
     sein.«   
    Der Sergeant blickte mich
     einen Augenblick lang mit ausdrucksloser Miene an, sodass ich nicht zu
     erraten vermochte, ob er den richtigen Schluss zog und mein Anliegen mit
     dem Tode Heinrich von Lübecks in Verbindung brachte oder ob er meine
     Erklärung nur für eine vorgeschobene Lüge hielt, die
     verbergen sollte, dass ich doch heimlich ein

Weitere Kostenlose Bücher