In Nomine Mortis
Geldwechsler im Abendland als
Könige. Wir kennen uns. Alle. Wir hören, wer seine Zinsen zahlt
und seine Pfänder wieder einlöst — und wer nicht. Wir
wissen, ob ein hoher Herr, gleich ob Fürst oder Kleriker, Geld
braucht - und wir wissen wofür. Die Summe, die ihr bei Heinrich von Lübeck
gefunden habt, mag längst nicht so groß sein wie das, was wir
hohen Herren bereit sind zu leihen, doch, wie Ihr selbst sagtet, wäre
es so ungewöhnlich gewesen, dass ein einfacher Dominikanermönch
sie erfragt - und auch tatsächlich erhält —, dass sich
dies herumgesprochen hätte.
Es sei denn, er wäre zum
Juden gegangen. Denn die Juden leihen ja ebenfalls Geld, wie es ihnen der
HERR und die Mutter Kirche geboten haben. Auch sie findet ihr überall
im Abendland, auch sie kennen sich und hören sich um. Doch wir
christlichen Geldwechsler reden nicht mit den jüdischen — und
die Juden nicht mit uns. Sollte Heinrich von Lübeck seine Münzen
also von einem Geldwechsler haben, dann von einem Juden.«
Ich holte tief Luft, um zu
protestieren, doch dann besann ich mich eines Besseren. Datini hatte
Recht. »Wie viele Juden leben in Paris, bei denen man sich eine
solche Summe leihen könnte?«, fragte ich. Der Florentiner
zuckte mit den Achseln. »Ein Dutzend? Zwei Dutzend? Ich weiß
es nicht. Wenn euer verstorbener Bruder, wie Ihr sagtet, erst einige Tage
in der Stadt war, dann wäre es selbstverständlich auch möglich,
dass er sich die Münzen bereits in Lübeck besorgt hat. Oder
irgendwo unterwegs.«
Das schien mir von
unbestechlicher Logik zu sein und ich nickte. »In Lübeck ist er
bekannter als hier. Er wird dort eher jemanden gefunden haben, der bereit
war, ihm Geld zu leihen, als hier in Paris, wo ihn niemand kannte.«
Datini nickte ebenfalls,
doch, wie mir schien, nur, um mich nicht durch Widerspruch zu beleidigen.
»Oder denkt Ihr darüber
anders, Herr Datini?«, hakte ich nach. Der Geldwechsler lächelte
dünn, zögerte lange und schien dann einen Entschluss gefasst zu
haben. »Ich will vollkommen aufrichtig sein zu Euch, Bruder Ranulf,
so aufrichtig, als säße ich bei Euch im Beichtstuhl und würde
mein Gewissen erleichtern. Ich verrate Euch nun etwas, das kein
Geldwechlser gerne irgendjemandem gegenüber erwähnen würde,
nicht einmal gegenüber der eigenen Gattin: Die Geschäfte gehen
schlecht zurzeit.«
Ich blickte ihn fragend an,
war jedoch klug genug, nichts zu sagen. »Seit Jahren schon herrscht
Krieg im Königreich. Die Englischen und Burgundischen belagern die Städte
und verwüsten das Land. Viele edle Herren, Barone und Grafen
darunter, sind in den verlorenen Schlachten in die Hand des Königs
von England gefallen. Der gibt sie allerdings nur gegen hohes Lösegeld
wieder heraus. Doch woher soll man die Summen nehmen? Die Freunde und
Verwandten der Ritter klopfen bei uns Geldwechslern an, doch welche
Sicherheiten bieten sie uns? Erträge? Privilegien? Was sind die jetzt
wert, in Zeiten des Krieges? Da mag mir ein französischer Ritter die
Einkünfte aus einem Bergwerk oder einen Brückenzoll zur
Sicherheit übertragen und dann kommen ein paar englische Bogenschützen
oder burgundische Landsknechte und verwüsten das Bergwerk und zerstören
die Brücke — und ich bin mein Geld los.«
Datini machte eine
entschuldigende Geste und lächelte Verständnis heischend.
»Wenn ich den legendären Schatz der Templer hätte, Bruder
Ranulf, ja, dann wollte ich wohl jedem Ritter Frankreichs das Lösegeld
vorstrecken, und wenn die hohen Herren noch so viele Schlachten verlieren.
Doch das Templergeld ist verschwunden, seitdem Seine Heiligkeit den Orden
für ketzerisch erklärt hat, und das Geld der guten
Christenmenschen steckt fest verschlossen in versteckten Truhen.«
Datini zögerte kurz.
»Zudem gibt es da noch Gerüchte …« Er seufzte.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die Muselmanen
haben Caffa angegriffen, einen Handelshafen der Genueser am Schwarzen
Meer. Doch der HERR zürnte ihrer und schickte ihnen eine Krankheit
ins Heerlager, auf dass sich ihre Soldaten in alle Winde zerstreuten. Das
taten sie auch - allerdings haben sie zuvor die Leichen ihrer verstorbenen
Soldaten mit ihren großen Katapulten über die Mauern von Caffa
geschleudert. So ist auch dort die Krankheit ausgebrochen. Seither sterben
Christenmenschen an den
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