In Nomine Mortis
fernen Gestaden von Mittelmeer und Schwarzem Meer,
Byzantiner und italienische Händler. Kein Gebet, so sagt man, hat bis
jetzt dagegen geholfen. In manchen Städten der Levante, so gehen Gerüchte,
soll jeder Dritte gestorben sein, ja, es soll Orte geben, in denen keine
Seele mehr lebt, in denen nicht einmal mehr Hunde und Schweine streunen.
Ich weiß nicht, ob ich selbst solches Gerede glauben soll oder
nicht. Ich weiß jedoch sehr wohl, dass andere Menschen es glauben:
So gibt es viele Reeder und Händler, die es nicht mehr wagen, mit
ihren Galeeren gen Osten zu fahren. Schon herrscht auf manchen Märkten
des Abendlandes ein Mangel an teuren Gewürzen und edlen Stoffen, an
Elfenbein und Seide und Silber. Wenn derlei wertvolle Waren nicht
angeboten werden, dann kann sie auch niemand kaufen. Und wenn niemand
kauft, dann braucht auch keiner Geld, das er beim Geldwechsler leihen
muss.«
Datini hob die Hände.
»Ihr seht also, Bruder Ranulf, ob an diesen Geschichten aus dem
Osten nun etwas Wahres dran ist oder nicht, ist für unsereins fast
gleichgültig. So oder so will niemand unser Geld. Und wenn niemand
mehr zu uns ehrbaren christlichen Geldwechslern kommt, dann gehen noch
weniger zum Juden, da es unehrenhaft ist und von der Mutter Kirche gar
nicht gerne gesehen wird.
Wenn ich ein Jude wäre«,
der Florentiner lächelte dünn und schien diesen Gedanken
offensichtlich höchst amüsant zu finden, »dann wäre
ich in unseren unsicheren Zeiten auch bereit, einem Mönch - für
welches Vorhaben auch immer — eine hübsche Summe zu leihen. Es
ist besser, so ein ungewöhnliches Risiko einzugehen, als gar nichts
zu tun.«
Ich dachte lange über
seine Worte nach. »Ihr meint also«, sagte ich schließlich,
»dass Heinrich von Lübeck dieses Geld sehr wohl auch von einem
der Juden von Paris erhalten haben könnte, selbst wenn er hier kaum
bekannt war. Und, immer vorausgesetzt selbstverständlich, dass er
sich das Geld wirklich geliehen hat, er ist zum Juden gegangen, damit sich
sein Vorhaben nicht in der Welt der christlichen Geldwechsler
herumspricht.«
Datini nickte nachdenklich.
»Das wäre sehr wohl möglich«, gab er schließlich
zu.
»Herr Datini«,
bat ich ihn, »wärt Ihr so gütig und würdet Ihr Euch
ein wenig in eurer Welt umhören? Ihr mögt von den Juden wenig
wissen, aber ich mag kaum glauben, dass jemand, der Gerüchte aus dem
fernen Caffa kennt, gar nichts weiß vom Juden, der vielleicht nur
ein paar Straßen weiter lebt.«
Der Geldwechsler lächelte.
Er schien mein Anliegen nicht beleidigend zu finden, sondern, im
Gegenteil, aufrichtig erfreut darüber zu sein. »Ihr seid,
obgleich noch jung an Jahren, schon ein guter Inquisitor«, murmelte
er. »Eure Bitte ist mir Befehl und Ehre zugleich. Ich werde,
verschwiegen selbstverständlich, Erkundigungen nach Eurem Mitbruder
und seinem Geld einziehen. Sollte ein Jude etwas darüber wissen,
dann, das verspreche ich Euch, werdet Ihr es auch bald erfahren.«
*
Ich segnete den Geldwechsler
und stand ein paar Augenblicke später wieder im geschäftigen
Treiben auf dem Grand Pont — nicht unbedingt viel klüger als
zuvor, doch sehr mit mir zufrieden. »Nun, Bruder Ranulf, ist GOTT
euch heute besonders nah? Ihr seht so heiter drein.«
Als ich dieser Stimme so plötzlich
hinter meinem Rücken gewahr wurde, da zuckte ich zusammen, als hätte
Satan selbst mich angesprochen. Noch bevor ich mich umdrehte, wusste ich
schon, wem sie gehörte. Klara Helmstede.
Die Frau des Lübecker
Reeders trug ein schlichtes, doch teures Gewand aus feinstem dunkelgrünen
flämischen Tuch. Das wallende, blonde Haar hatte sie nur unvollkommen
unter einer hohen Haube und einem durchsichtigen, spitzenbesetzten
Schleier verborgen. Für einen winzigen Moment fragte ich mich, warum
sich eine Frau wie Klara Helmstede, die ich schon bei unserer ersten, flüchtigen
Begegnung für ungemein selbstbewusst, ja geradezu aufreizend frech
gehalten hatte, mit diesem zwar edlen, doch schlichten Putz zufriedengab.
Dann jedoch sah ich, dass sie offensichtlich ohne Begleitung durch die
Straßen von Paris ging. Ihr Gatte war nicht zu sehen und nicht
einmal eine Magd, wie es doch schicklich gewesen wäre, war bei ihr.
Ihr Gewand war schlicht genug, dass sie nicht allzu sehr auffiel in der
Menge - und doch so fein, dass jeder, der genauer hinsah, erkannte, dass
sie weder
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