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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Guibert. Schweißperlen standen auf
     seiner Stirn und ich vermutete, dass sie nicht länger von der Hitze
     der Schmiede verursacht wurden.
    »Du hast einst sehr
     wohl Unrecht getan«, korrigierte ihn der Inquisitor in scharfem
     Tonfall, »doch wollen wir hoffen und beten, dass dies heute nicht
     mehr so ist.«
    Der Schmied schlug unbeholfen
     das Kreuz. »Womit kann ich Euch dienen, Meister Philippe?«,
     stammelte er. Ich fragte mich im Stillen, was dieses Unrecht gewesen sein
     mochte, an das ihn der Inquisitor erinnert hatte. Ich hoffte, dass es
     nicht eine im Jähzorn verübte Gewalttat gewesen war und starrte
     besorgt auf den schweren Hammer in seiner Faust.
    »Hat einer deiner
     Kunden in den letzten Tagen etwas von einem toten Mönch erzählt?«,
     fragte Meister Philippe rundheraus. Guiberts Gesicht wurde grau. »Ich
     habe davon gehört«, murmelte er. »Der tote Bruder von
     Notre-Dame. Jeder weiß davon. Viele sagen, ein Fluch liegt über
     Paris und die Hölle wird sich auftun, wenn dieses Unrecht nicht gesühnt
     wird.«
    Der Inquisitor nickte.
     »Ein Fluch, fürwahr. Und ein Unrecht, das gesühnt werden
     wird. Deshalb sind wir ja hier.«
    Der Schmied schüttelte
     so heftig sein Haupt, dass die Schweißperlen wie ein kleiner
     Regenschauer zu beiden Seiten davonstoben und einige meinen Umhang
     benetzten.
    »Mehr weiß ich
     nicht«, stammelte er. »Ich schwöre bei Jesus, Maria und
     allen Heiligen, dass mir niemand etwas gesagt hat! Ich weiß nichts.«
    Meister Philippe hob begütigend
     die Hand. Der Hüne zitterte jetzt. Seine Angst vor dem Inquisitor war
     körperlich spürbar, ja, ich glaubte, dass ich sie riechen
     konnte.
    »Ich glaube dir«,
     sagte Philippe de Touloubre und brachte es dabei fertig, seiner Stimme
     einen sanften und zugleich bedrohlichen Tonfall zu geben. »Ich bitte
     dich nur, dich umzuhören. Jedermann weiß, dass du nicht über
     die Männer redest, die in deine Werkstatt kommen, schon gar nicht mit
     einem der Sergeanten de la Dozaine. Das ist sündig und du wirst dich
     dereinst vor einem schrecklichen Richter dafür verantworten müssen.
     Doch ich habe dich damit nie behelligt und werde es auch weiterhin nicht
     tun — mit einer Ausnahme: Ich will alles wissen, was über den
     Tod unseres geliebten Mitbruders erzählt wird. Alles, verstehst du?
     Es mag dir wie dummes Geschwätz erscheinen, belanglos oder unsinnig.
     Mir ist dies gleich: Ich will es wissen. Sofort.«
    Der Schmied schluckte.
     »Ja, Herr«, versprach er und bekreuzigte sich wieder. »Ich
     werde Euch jedes Wort berichten, das ich darüber höre.«
    »GOTT segne dich«,
     sagte der Inquisitor und lächelte.
    *
    Ein paar Augenblicke später
     standen wir wieder in der verqualmten Rue Ferroniere. Meister Philippe
     musste wohl meinen fragenden Blick gesehen haben, denn er lachte und erklärte
     mir ungefragt: »Guibert stammt aus dem Süden. Ich traf ihn das
     erste Mal vor vielen Jahren — als Beschuldigten in einem
     Ketzerprozess. Zunächst war er verstockt, ja hochmütig. Doch
     nach einigen Wochen in einem Verlies von Carcassonne und ein paar Stunden
     auf der Streckbank besann er sich eines Besseren.
    Es ist immer wieder
     verwunderlich, wie leicht gerade die jungen, bärenstarken Männer
     zusammenbrechen, kommt man ihnen mit glühenden Eisen und
     Daumenschrauben. In ihren gesunden Körpern wohnt eben doch eine
     gesunde Seele, die sich zum rechten Weg bekehren lässt. Die Kleinen,
     Schwachen, Verderbten hingegen, die sind oft zäh und verstockt bis
     zum Ende der Folter.« Der Inquisitor schritt eine Zeitlang
     schweigend aus und hing seinen eigenen unergründlichen Gedanken nach.
     Ich war klug genug, ihn nicht zu unterbrechen.
    »Guibert jedenfalls«,
     fuhr er irgendwann fort, »schwor allen Irrlehren ab. Ich erlegte ihm
     eine Wallfahrt als Buße auf und verurteilte ihn dazu, zehn Jahre
     lang das gelbe Ketzerkreuz als Schandmal auf seiner Kleidung zu tragen.
     Jahre später sah ich ihn wieder - in Paris. Er schmiedet Waffen für
     jeden, der ihn bezahlt, und fragt nicht lange nach dem Warum und Wozu. Zunächst
     wollte ich ihn wieder verhaften, doch dann fand ich es viel nützlicher,
     ihn dort zu belassen, wo der HERR ihn offensichtlich hingestellt haben
     wollte.« Meister Philippe schmunzelte. »Es ist überaus nützlich
     für einen Inquisitor, seine Augen und Ohren überall zu haben.
     Guibert ist zuverlässig. Ihm verdanke ich schon so manchen wichtigen
     Hinweis auf Dolche

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