In Nomine Mortis
Guibert. Schweißperlen standen auf
seiner Stirn und ich vermutete, dass sie nicht länger von der Hitze
der Schmiede verursacht wurden.
»Du hast einst sehr
wohl Unrecht getan«, korrigierte ihn der Inquisitor in scharfem
Tonfall, »doch wollen wir hoffen und beten, dass dies heute nicht
mehr so ist.«
Der Schmied schlug unbeholfen
das Kreuz. »Womit kann ich Euch dienen, Meister Philippe?«,
stammelte er. Ich fragte mich im Stillen, was dieses Unrecht gewesen sein
mochte, an das ihn der Inquisitor erinnert hatte. Ich hoffte, dass es
nicht eine im Jähzorn verübte Gewalttat gewesen war und starrte
besorgt auf den schweren Hammer in seiner Faust.
»Hat einer deiner
Kunden in den letzten Tagen etwas von einem toten Mönch erzählt?«,
fragte Meister Philippe rundheraus. Guiberts Gesicht wurde grau. »Ich
habe davon gehört«, murmelte er. »Der tote Bruder von
Notre-Dame. Jeder weiß davon. Viele sagen, ein Fluch liegt über
Paris und die Hölle wird sich auftun, wenn dieses Unrecht nicht gesühnt
wird.«
Der Inquisitor nickte.
»Ein Fluch, fürwahr. Und ein Unrecht, das gesühnt werden
wird. Deshalb sind wir ja hier.«
Der Schmied schüttelte
so heftig sein Haupt, dass die Schweißperlen wie ein kleiner
Regenschauer zu beiden Seiten davonstoben und einige meinen Umhang
benetzten.
»Mehr weiß ich
nicht«, stammelte er. »Ich schwöre bei Jesus, Maria und
allen Heiligen, dass mir niemand etwas gesagt hat! Ich weiß nichts.«
Meister Philippe hob begütigend
die Hand. Der Hüne zitterte jetzt. Seine Angst vor dem Inquisitor war
körperlich spürbar, ja, ich glaubte, dass ich sie riechen
konnte.
»Ich glaube dir«,
sagte Philippe de Touloubre und brachte es dabei fertig, seiner Stimme
einen sanften und zugleich bedrohlichen Tonfall zu geben. »Ich bitte
dich nur, dich umzuhören. Jedermann weiß, dass du nicht über
die Männer redest, die in deine Werkstatt kommen, schon gar nicht mit
einem der Sergeanten de la Dozaine. Das ist sündig und du wirst dich
dereinst vor einem schrecklichen Richter dafür verantworten müssen.
Doch ich habe dich damit nie behelligt und werde es auch weiterhin nicht
tun — mit einer Ausnahme: Ich will alles wissen, was über den
Tod unseres geliebten Mitbruders erzählt wird. Alles, verstehst du?
Es mag dir wie dummes Geschwätz erscheinen, belanglos oder unsinnig.
Mir ist dies gleich: Ich will es wissen. Sofort.«
Der Schmied schluckte.
»Ja, Herr«, versprach er und bekreuzigte sich wieder. »Ich
werde Euch jedes Wort berichten, das ich darüber höre.«
»GOTT segne dich«,
sagte der Inquisitor und lächelte.
*
Ein paar Augenblicke später
standen wir wieder in der verqualmten Rue Ferroniere. Meister Philippe
musste wohl meinen fragenden Blick gesehen haben, denn er lachte und erklärte
mir ungefragt: »Guibert stammt aus dem Süden. Ich traf ihn das
erste Mal vor vielen Jahren — als Beschuldigten in einem
Ketzerprozess. Zunächst war er verstockt, ja hochmütig. Doch
nach einigen Wochen in einem Verlies von Carcassonne und ein paar Stunden
auf der Streckbank besann er sich eines Besseren.
Es ist immer wieder
verwunderlich, wie leicht gerade die jungen, bärenstarken Männer
zusammenbrechen, kommt man ihnen mit glühenden Eisen und
Daumenschrauben. In ihren gesunden Körpern wohnt eben doch eine
gesunde Seele, die sich zum rechten Weg bekehren lässt. Die Kleinen,
Schwachen, Verderbten hingegen, die sind oft zäh und verstockt bis
zum Ende der Folter.« Der Inquisitor schritt eine Zeitlang
schweigend aus und hing seinen eigenen unergründlichen Gedanken nach.
Ich war klug genug, ihn nicht zu unterbrechen.
»Guibert jedenfalls«,
fuhr er irgendwann fort, »schwor allen Irrlehren ab. Ich erlegte ihm
eine Wallfahrt als Buße auf und verurteilte ihn dazu, zehn Jahre
lang das gelbe Ketzerkreuz als Schandmal auf seiner Kleidung zu tragen.
Jahre später sah ich ihn wieder - in Paris. Er schmiedet Waffen für
jeden, der ihn bezahlt, und fragt nicht lange nach dem Warum und Wozu. Zunächst
wollte ich ihn wieder verhaften, doch dann fand ich es viel nützlicher,
ihn dort zu belassen, wo der HERR ihn offensichtlich hingestellt haben
wollte.« Meister Philippe schmunzelte. »Es ist überaus nützlich
für einen Inquisitor, seine Augen und Ohren überall zu haben.
Guibert ist zuverlässig. Ihm verdanke ich schon so manchen wichtigen
Hinweis auf Dolche
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