In Nomine Mortis
und Schwerter und diejenigen, die sie führen. So
überlasse ich ihn, den kleinen Sünder, der Gerechtigkeit GOTTES
und führe doch mit seiner Hilfe den einen oder anderen großen Sünder
der irdischen Gerechtigkeit zu.«
Ich bewunderte den Scharfsinn
des Inquisitors - und seinen Mut. Denn ganz ohne Furcht, so schien mir,
trat er Männern wie Guibert entgegen, die ihn um Haupteslänge
überragten und seinen Hals mit einem einzigen Griff hätten
brechen können. Es war die Kraft seines Geistes, die über die
rohe Gewalt der Muskeln triumphierte.
Der Nebel blieb so
undurchdringlich wie am frühen Morgen. Trotz des dicken Mantels, den
ich mir übergeworfen hatte, fröstelte ich, denn die Nässe
drang durch den Stoff hindurch bis zur Haut. Glücklicherweise war der
Weg, den der Inquisitor mich nun führte, nicht sehr weit. Wir
schritten die Rue Ferroniere entlang, wanderten dann durch einige Gassen
und überquerten die Rue Saint-Denis, bis wir vor der Kirche
Saint-Lenfroy standen. Vor dem Portal des Gotteshauses lag ein unregelmäßig
geformter Platz, in dessen Mitte eine große Grube ausgehoben war, in
der fauliges Wasser schwappte. Dies war eine der größten
Kloaken von Paris. Die Grube wurde im Volk nicht umsonst »das
Stinkloch« genannt, denn die Miasmen hier waren noch ungesünder
als andernorts in der Stadt. Kohlstrünke, der aufgeblähte
Kadaver eines Hundes und einige tote Ratten trieben in der düsteren
Brühe. Selbst der Nebel schien diesen Ort meiden zu wollen, denn bis
in eine Höhe von vielleicht zwei Mannslängen über der Grube
waren die feuchten Schleier weniger undurchdringlich als andernorts.
Genau gegenüber des
Stinkloches lag der niedrige Eingang einer der größten und
verrufensten Tavernen von Paris: die »Rote Hand«. »Wir
wollen dort unser Mittagsmahl einnehmen«, sagte der Inquisitor und lächelte
mir aufmunternd zu.
»Iesus amen dico
vobis quia publicani et meretrices praecedunt vos in regno DEI«, murmelte ich ergeben und folgte
Meister Philippe. Hinter der schäbigen Fassade der »Roten Hand«
verbarg sich ein überraschend großer Raum, von dem ich nicht zu
sagen vermochte, ob er mehr wegen der niedrigen Decke oder doch eher wegen
des trüben Lichtes wie eine in den feuchten Fels geschlagene Höhle
wirkte. Die Balken der Decke waren schwarz geteert und bogen sich gefährlich
nach unten durch, sodass es aussah, als könne sie jederzeit einstürzen.
Die Wände waren stockfleckig, den Boden bedeckte fauliges Stroh. Ich
hatte noch keine zwei Schritte in den Raum hinein getan, da juckten meine
Füße, denn Wanzen und anderes Getier krabbelten in Scharen
über den Boden.
Grob gezimmerte Bänke
und Tische füllten die Taverne. An ihnen drängten sich Tagelöhner,
Bettler, Diebe und unzüchtige Weiber, die sich lautstark
unterhielten, in großer Zahl. Ich schauderte und schlang meinen
Umhang enger um mich, auf dass niemand mich beachten mochte.
Doch diese Vorsichtsmaßnahme
war kaum nötig: Im trüben, gelblichen Licht war nur wenig zu
erkennen. Zudem drang grauschwarzer Qualm aus dem hinteren Teil der
Taverne, wo ich irgendwo die Küche vermutete. Es roch nach saurem
Wein, Leichtbier, Kohl und Schweiß. Auf einem Tisch standen ein paar
Vaganten und spielten zu Flöte, Laute und Trommel ein Lied, dass die
meisten Gäste kannten, denn viele grölten mit. Wer nicht sang
oder aß, der klatschte in die Hände, denn zu den Vaganten gehörte
eine Zigeunerin, die sich wirbelnd drehte und schamlos tanzte.
Niemand achtete auf Meister
Philippe und mich, als wir uns, so weit entfernt von diesem musikalischen
Pandämonium wie möglich, auf das äußerste Ende einer
Bank zwängten. Mit gesenkten Köpfen, damit er unsere rasierten
Gesichter, die unseren mönchischen Stand verraten mochten, nicht sah,
verlangten wir vom zahnlosen, zittrigen Wirt einen halben Laib Roggenbrot,
ein paar burgundische Zwiebeln und Wasser. Wenn ihn diese karge Mahlzeit
verwunderte, dann zeigte der Greis es nicht. Gleichmütig zuckte er
mit den Achseln, nahm unsere zwei Sous — in der »Roten Hand«
wurde im Voraus bezahlt — und schlurfte von dannen.
Ich hatte kaum den ersten
Bissen genommen — die Zwiebeln waren klein und schwarz, doch ihre
Schärfe weckte meine Lebensgeister —, da hörten die
Vaganten auf zu spielen. Nach einigem Hin und Her und lauten
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