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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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und Schwerter und diejenigen, die sie führen. So
     überlasse ich ihn, den kleinen Sünder, der Gerechtigkeit GOTTES
     und führe doch mit seiner Hilfe den einen oder anderen großen Sünder
     der irdischen Gerechtigkeit zu.«
    Ich bewunderte den Scharfsinn
     des Inquisitors - und seinen Mut. Denn ganz ohne Furcht, so schien mir,
     trat er Männern wie Guibert entgegen, die ihn um Haupteslänge
     überragten und seinen Hals mit einem einzigen Griff hätten
     brechen können. Es war die Kraft seines Geistes, die über die
     rohe Gewalt der Muskeln triumphierte.
    Der Nebel blieb so
     undurchdringlich wie am frühen Morgen. Trotz des dicken Mantels, den
     ich mir übergeworfen hatte, fröstelte ich, denn die Nässe
     drang durch den Stoff hindurch bis zur Haut. Glücklicherweise war der
     Weg, den der Inquisitor mich nun führte, nicht sehr weit. Wir
     schritten die Rue Ferroniere entlang, wanderten dann durch einige Gassen
     und überquerten die Rue Saint-Denis, bis wir vor der Kirche
     Saint-Lenfroy standen. Vor dem Portal des Gotteshauses lag ein unregelmäßig
     geformter Platz, in dessen Mitte eine große Grube ausgehoben war, in
     der fauliges Wasser schwappte. Dies war eine der größten
     Kloaken von Paris. Die Grube wurde im Volk nicht umsonst »das
     Stinkloch« genannt, denn die Miasmen hier waren noch ungesünder
     als andernorts in der Stadt. Kohlstrünke, der aufgeblähte
     Kadaver eines Hundes und einige tote Ratten trieben in der düsteren
     Brühe. Selbst der Nebel schien diesen Ort meiden zu wollen, denn bis
     in eine Höhe von vielleicht zwei Mannslängen über der Grube
     waren die feuchten Schleier weniger undurchdringlich als andernorts.
    Genau gegenüber des
     Stinkloches lag der niedrige Eingang einer der größten und
     verrufensten Tavernen von Paris: die »Rote Hand«. »Wir
     wollen dort unser Mittagsmahl einnehmen«, sagte der Inquisitor und lächelte
     mir aufmunternd zu.
    »Iesus amen dico
     vobis quia publicani et meretrices praecedunt vos in regno DEI«, murmelte ich ergeben und folgte
     Meister Philippe. Hinter der schäbigen Fassade der »Roten Hand«
     verbarg sich ein überraschend großer Raum, von dem ich nicht zu
     sagen vermochte, ob er mehr wegen der niedrigen Decke oder doch eher wegen
     des trüben Lichtes wie eine in den feuchten Fels geschlagene Höhle
     wirkte. Die Balken der Decke waren schwarz geteert und bogen sich gefährlich
     nach unten durch, sodass es aussah, als könne sie jederzeit einstürzen.
     Die Wände waren stockfleckig, den Boden bedeckte fauliges Stroh. Ich
     hatte noch keine zwei Schritte in den Raum hinein getan, da juckten meine
     Füße, denn Wanzen und anderes Getier krabbelten in Scharen
     über den Boden.   
    Grob gezimmerte Bänke
     und Tische füllten die Taverne. An ihnen drängten sich Tagelöhner,
     Bettler, Diebe und unzüchtige Weiber, die sich lautstark
     unterhielten, in großer Zahl. Ich schauderte und schlang meinen
     Umhang enger um mich, auf dass niemand mich beachten mochte.
    Doch diese Vorsichtsmaßnahme
     war kaum nötig: Im trüben, gelblichen Licht war nur wenig zu
     erkennen. Zudem drang grauschwarzer Qualm aus dem hinteren Teil der
     Taverne, wo ich irgendwo die Küche vermutete. Es roch nach saurem
     Wein, Leichtbier, Kohl und Schweiß. Auf einem Tisch standen ein paar
     Vaganten und spielten zu Flöte, Laute und Trommel ein Lied, dass die
     meisten Gäste kannten, denn viele grölten mit. Wer nicht sang
     oder aß, der klatschte in die Hände, denn zu den Vaganten gehörte
     eine Zigeunerin, die sich wirbelnd drehte und schamlos tanzte.                  
    Niemand achtete auf Meister
     Philippe und mich, als wir uns, so weit entfernt von diesem musikalischen
     Pandämonium wie möglich, auf das äußerste Ende einer
     Bank zwängten. Mit gesenkten Köpfen, damit er unsere rasierten
     Gesichter, die unseren mönchischen Stand verraten mochten, nicht sah,
     verlangten wir vom zahnlosen, zittrigen Wirt einen halben Laib Roggenbrot,
     ein paar burgundische Zwiebeln und Wasser. Wenn ihn diese karge Mahlzeit
     verwunderte, dann zeigte der Greis es nicht. Gleichmütig zuckte er
     mit den Achseln, nahm unsere zwei Sous — in der »Roten Hand«
     wurde im Voraus bezahlt — und schlurfte von dannen.
    Ich hatte kaum den ersten
     Bissen genommen — die Zwiebeln waren klein und schwarz, doch ihre
     Schärfe weckte meine Lebensgeister —, da hörten die
     Vaganten auf zu spielen. Nach einigem Hin und Her und lauten

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