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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Bald schon erblickte ich das nächste verendete Tier
     und mir war klar, dass ich niemals zuvor so viele tote Ratten in den Straßen
     von Paris — oder irgendeiner anderen Stadt — gesehen hatte.
     Ich fragte mich, welcher Anblick sich mir wohl böte, gäbe es den
     Nebel nicht. Würde ich Hunderte toter Ratten erblicken? Oder war es
     vielmehr der Nebel, der die Tiere aus ihren Verstecken und ins Verderben
     lockte? Auch wenn die verendeten Tiere keinen schönen Anblick boten,
     so dankte ich doch im Gehen dem HERRN dafür, dass er zumindest diese
     Plage von Paris linderte.   
    Wir überquerten zögernden
     Schrittes die Seine auf dem Petit Pont, dann gingen wir über die
     Insel — die Türme von Notre-Dame waren nicht mehr zu erkennen -
     und schließlich ließen wir auch den Grand Pont hinter uns.
    Am jenseitigen Ufer führte
     mich Meister Philippe durch ein Gewirr verwinkelter Gassen. Bald schon
     wusste ich nicht mehr, wo ich war, und ich bezweifelte, dass ich selbst
     dann, wenn sich der Nebel lichten würde, meine Orientierung
     wiedergefunden hätte. Schließlich gelangten wir in eine Straße,
     die mir noch enger, düsterer, schmutziger und lauter erschien als die
     anderen. Es stank nach beißendem Qualm und Schwefel. Und von überall
     her erscholl ein düsteres Dröhnen und Hämmern. Ich
     bekreuzigte mich hastig. Für einen Moment glaubte ich, dass mich der
     Inquisitor geradewegs in den Schlund der Hölle geführt hätte
     und ich mich nun im feurigen Reich des Antichristen befand.                  
    »Wir sind in der Rue
     Ferroniere«, sagte Meister Philippe über den Lärm hinweg.
     »In der Straße der Schmiede.«
    Er trat in eine Werkstatt -
     und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Verwundert und
     ein wenig eingeschüchtert blickte ich mich um: In der Mitte des lang
     gestreckten, doch niedrigen Raumes loderte eine große Feuerstelle,
     deren Holzkohlen glühten wie Satans tausend Augen. Es war heiß
     und stickig - und laut: Zwei halbnackte Gesellen hoben und senkten die
     Stange eines großen ledernen Blasebalges. Ein gewaltiger Schmied
     stand nah am Feuer, holte mit einer Zange in der Linken ein glühendes
     Stück Eisen aus den Kohlen, hob es rasch auf einen Amboss und schlug
     es mit einem gewaltigen Hammer zu einem Kreis — möglicherweise
     dem Ring eines Wagenrades, doch sicher war ich mir nicht.
    Meister Philippe warf den
     Mantel ab. Die beiden Gesellen, die uns im Pandämonium ihrer
     Werkstatt bis dahin nicht bemerkt hatten, blickten zufällig auf,
     erkannten den Mönchshabit und hielten erschrocken in ihrer Arbeit
     inne. Dies wiederum weckte die Aufmerksamkeit des Schmiedes.
    Als er uns sah, glaubte ich,
     dass sein Gesicht, obwohl es von Hitze und Anstrengung gerötet war,
     doch alle Farbe verlor. Der Schmied sagte etwas zu den beiden Gesellen,
     das ich nicht verstehen konnte. Dann warf er das noch immer glühende
     Werkstück in einen großen Zuber mir Wasser, wo es zischend
     unterging. Er legte die Zange beiseite und bedeutete uns mit einer Geste,
     ihm in eine Kammer am rückseitigen Ende der Werkstatt zu folgen. Es
     beunruhigte mich, dass er seinen schweren Hammer in der Faust behielt.
    Der Schmied war sicherlich
     schon fünfzig Jahre alt, doch ein Hüne, dessen Arme und dessen
     Brust, ja dessen Rücken sogar so dicht mit dunklem Haar bedeckt
     waren, dass er beinahe aussah, als habe er ein Fell. Lange, gezackte
     Narben verunstalteten seinen kräftigen Rücken und auch die Hände
     zeigten Spuren längst verheilter, doch einst sicherlich äußerst
     schmerzhafter Misshandlungen. Seine Augen waren so grau wie der Nebel draußen.
    »Dies ist Guibert, der
     Schmied«, sagte Philippe de Touloubre, als wir endlich in der
     kleinen Kammer standen.
    »Meister Philippe«,
     brummte der Hüne und neigte demütig seinen Kopf, dann grüßte
     er auch mich. Der Inquisitor hielt es nicht für nötig, meinen
     Namen zu nennen, und so schwieg ich und neigte nur leicht das Haupt.
    »Guibert«, fuhr
     Meister Philippe mir zugewandt fort, als könne der Schmied uns gar
     nicht hören, »fertigt nicht nur Wagenbeschläge und Haken.
     Seinem glühenden Feuer entspringen auch Spieße, Dolche und
     Schwerter. Nicht unbedingt die Waffen, welche die edlen Ritter Frankreichs
     führen. Seine Kunstfertigkeit wird eher von den Schlägern und
     Tavernenwirten, den Räubern und Vaganten geschätzt.«
    »Ich habe nichts
     Unrechtes getan«, brummte

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