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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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    Auch Bruder Carborxnet, der
     Prior, erwies mir die Ehre, mit mir zu reden. Ja, es schien, als fände
     er Gefallen an mir, so wie ein wahrer Vater stolz ist auf einen strebsamen
     Sohn. Ich war ihm dankbar dafür und verdoppelte, so dies noch möglich
     war, meinen Eifer, um seine Erwartungen zu erfüllen.
    Doch auch der Prior vermochte
     Meister Philippe und mir nicht mit weiteren Auskünften zu dienen
     — so sehr es ihn auch traurig stimmte, dass der Tod eines
     Dominikaners noch immer ungesühnt war. Manchmal vermutete ich gar,
     dass der Prior bereits resigniert habe und nicht mehr an den Erfolg
     unserer Nachforschungen glaubte. Dieser Gedanke betrübte mich noch
     mehr, doch vermochte ich dagegen nichts zu tun als zu beten.
    In jenen Tagen gelang es mir
     nur ein weiteres Mal, mich unauffällig aus dem Kloster zu stehlen und
     zum Grand Pont zu gehen. Doch auch dieser Weg war vergebens, denn Pietro
     Datini hatte sich zwar schon bei diesem und jenem Geldwechsler umgehört,
     vermochte mir jedoch nichts Neues zu sagen.
    Meister Philippe ließ
     mich des Öfteren allein, weil er ohne Zeugen so manchen Domherrn von
     Notre-Dame ins brüderliche Gespräch nahm. Nie verriet er mir,
     was er dabei erfahren hatte. Besonders Nicolas d'Orgemont, der Dekan der
     Domherren, hatte die zweifelhafte Ehre, regelmäßig vom
     Inquisitor visitiert zu werden. Doch nichts schien zu fruchten.
    Schließlich, an
     besagtem Tag, zu Sankt Ivo Helory, nahm mich der Inquisitor nach der Prim
     beiseite. Es war ein ungewöhnlich kalter und trüber Maienmorgen.
    »Wir wandeln auf Wegen,
     die uns nirgendwohin führen«, sagte Philippe de Touloubre
     grimmig.
    »Wir werden neue Wege
     suchen müssen«, fuhr er nach einer gedankenvollen Pause fort.
     »Und diese Wege, fürchte ich, mein junger Freund, werden uns in
     den Schlamm und in den Bodensatz von Paris führen.«
    *
    Meister Philippe führte
     mich zur Kammer des Portarius, der offensichtlich vom Inquisitor schon
     einige Anweisungen erhalten hatte. Der alte Mönch verneigte sich nur
     stumm, fragte nicht nach unserem Begehr, und reichte uns zwei weite,
     zerschlissene Umhänge von unbestimmbarer Farbe.
    »Es ist nicht gerade
     der Mönchshabit«, sagte Meister Philippe schmunzelnd, »doch
     auch nicht wirklich verboten. Die Regel erlaubt uns ja, uns bei schlechtem
     Wetter angemessen zu schützen.« Ich tat es dem Inquisitor nach
     und warf mir den Umhang über. Er roch nach nasser Wolle und verbarg
     mein Skapulier fast vollständig. Zog ich die Kapuze hoch, dann war
     auch meine Tonsur nicht mehr zu sehen. Wer genau hinsah, der konnte in uns
     immer noch die Dominikaner erkennen. Doch im Gedränge der Straßen
     mochten wir auf den ersten Blick wie Bauern in schweren Umhängen
     aussehen und nicht weiter auffallen.
    Als wir das Kloster verließen,
     bemerkte ich, wie nass und kalt das Wetter tatsächlich war. Zwar
     hatte ich die Feuchtigkeit in der Luft schon gespürt, doch nun
     blickte ich die Rue Saint-Jacques entlang — und konnte kaum ein paar
     Schritte weit sehen: Grauer Nebel stand zwischen den Häusern, als hätte
     sich Paris über Nacht in einen Sumpf verwandelt, aus dem verhängnisvolle
     Dämpfe aufstiegen. Die Häuser glichen schwärzlichen Felsen
     zu beiden Seiten, die Menschen hatten sich gegen die klamme Kälte
     eingehüllt und wirkten wie Gespenster, die durch das Schattenreich
     gleiten.
    »Niemand wird uns
     erkennen«, sagte Meister Philippe mit grimmiger Befriedigung und
     schritt weit aus. Er sagte mir nicht, wohin unser Weg führte, doch
     erkannte ich, dass wir die Straße hinab Richtung Seine gingen. Schon
     nach kurzer Zeit mussten wir unser Tempo allerdings zügeln, denn das
     Pflaster war nass und rutschig. Jeder Atemzug fiel uns schwer. Die Luft
     stank nach fauligen, nassen Abfällen und nach rußigem Qualm,
     der in diesem Nebel nicht abziehen konnte. Ich trat auf etwas Weiches -
     und schauderte. Es war eine tote Ratte, die Schnauze voller Blut. Hastig
     trat ich sie mit der Sohle meiner Sandale beiseite.
    Der Nebel und der dicke Stoff
     meiner hochgeschlagenen Kapuze dämmten die Geräusche, sodass ich
     die Schritte anderer Menschen nicht hörte, ja kaum das Klappern
     eisenbeschlagener Karrenräder vernahm. Es war, als folgte ich dem
     Inquisitor durch die Landschaft eines düsteren Traumes.
    Vorsichtig tasteten wir uns
     voran. Wir mussten auf jeden Schritt achten, damit wir nicht in Schmutz
     und Unrat traten.

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