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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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schuldig — denn
     mein Geist erregte sich daran, dass mir Jacquette etwas mitteilen würde
     über jene schicksalhafte Nacht. Denn warum sonst hätte sie mich
     ansprechen sollen? Bald, das spürte ich, würde ich etwas wissen,
     das selbst dem klügsten Inquisitor von Paris noch verborgen war.
     Saint-Jacques-de-la-Boucherie war eine prachtvolle Kirche, denn die Gilde
     der Metzger war wohlhabend und sie spendete viel Geld zum Schmuck der
     Heimstatt GOTTES. Zudem war die Kirche ein Wegpunkt auf der Pilgerreise
     nach Santiago de Compostela. So sah man stets Wanderer mit der
     Jakobsmuschel aus- und eingehen, fromme Lieder singend oder versunken in
     ihre Gebete.
    Wir traten in den Schatten
     des schlanken, wohl über einhundert Ellen aufragenden Turmes. Dann drängten
     wir uns ins Innere, das dunkel war und - nach der staubigen Hitze der Straßen
     - erfrischend kühl.
    Ich vermochte die Menschen
     nicht zu zählen, die zum Standbild der heiligen Anna drängten.
     Hymnen schallten hinauf zum Dach und hoch in den Himmel, Kerzen brannten
     tausendfach und tauchten den Altar in ein güldenes Licht.
    Jacquette berührte kurz
     meine Kutte und deutete mit der Rechten auf eine kleine, düstere
     Seitenkapelle, die weit entfernt war von der Statue der Patronin der Mütter.
    So kniete ich mich denn vor
     ein verschlossenes Triptychon und faltete die Hände zum Gebet. Die
     junge Schönfrau ließ sich eine Bank hinter mir nieder, etwas
     versetzt, sodass ich sie aus den Augenwinkeln gerade eben noch beobachten
     konnte, ohne den Kopf unziemlich zu wenden.
    Sie hatte ein dunkles Tuch um
     ihr Haupt geschlungen. Ich sah, dass sie unauffällig ein Stück
     Fenchel in den Mund schob und kaute, wie viele Frauen es tun, um ihren
     Atem zu erfrischen. Zugleich bemerkte ich jedoch auch, wie mager ihre Hände
     waren und wie eingefallen ihre Wangen.
    Ich hatte mir, bevor wir das
     Kloster verließen, einen Beutel umgeschlungen, in dem ein Laib Brot
     und ein paar Zwiebeln steckten, da ich inzwischen wusste, wie lang die
     Tage sein konnten, wenn man mit Meister Philippe den Spuren in Paris
     folgte. Mitleid überkam mich - und ich ging das Risiko ein und schob
     Jacquette meine kargen Vorräte zu.
    Sie sah mich überrascht
     an, dann dankbar, bevor sie mit einer raschen Geste Brot und Zwiebeln nahm
     und in einer Falte ihres Gewandes verschwinden ließ.
    »Der Teufel will mich
     holen«, flüsterte die Schönfrau dann.
    Ich glaubte, mich verhört
     zu haben und schlug doch zugleich das Kreuz. »Weißt du, was du
     da sagst?«, fragte ich.
    Jacquette nickte heftig.
     »Seit vielen Tagen schon, Bruder, verstecke ich mich bei …«
     Sie zögerte kurz und entschied, mir den Namen ihres Komplizen lieber
     doch nicht zu verraten. »Nun, das ist gleichgültig.
    Doch oft bin ich noch in den
     Gassen rund um Notre-Dame. Ich muss doch Geld verdienen!«
    Ich sah ihren flehenden Blick
     und bedeutete ihr, ruhig fortzufahren. Dankbar, dass ich sie nicht
     getadelt hatte, wagte die Schönfrau ein kurzes Lächeln. Oh, es
     war mir, als ginge in der Bank hinter mir die Sonne auf und wärmte
     mich! Welch Sünder war ich doch schon geworden.                     
    Jacquette wurde jedoch sofort
     wieder ernst und sprach nun hastig weiter. »In den Gassen schleicht
     eine finstere Gestalt herum, ich schwöre es Euch, Bruder. Ein düsterer
     Schatten, niemand hat je sein Gesicht gesehen. Dieser Schatten — er
     sucht mich!« Sie sah aus, als würde sie gleich in Tränen
     ausbrechen, doch gewann sie die Gewalt über sich zurück.
    »Woher willst du
     wissen, dass dieser Unbekannte gerade dich sucht?«, fragte ich.
    »Einmal, da erblickte
     er mich. Er stand am Ende einer Gasse, in die ich gerade einbog. Ich
     erkannte sein Gesicht nicht, doch ich sah, wie er erstarrte. Dann flog er
     direkt auf mich zu!
    Ich drehte mich um und lief
     weg, so schnell ich konnte. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so
     rannte, durch Gassen und Höfe und Schmutz. Irgendwann war der
     Schatten weg. Doch er schleicht noch immer durch die Gassen. Das haben mir
     Freundinnen erzählt, die«, sie zögerte kurz, »die
     auch des Nachts dort draußen sind. Keine hat ihn je erkannt, keine
     hat je gewagt ihn anzusprechen. Doch ich weiß, dass er mich sucht.
     Und ich weiß, dass es der Teufel ist!« Ich wollte etwas
     erwidern, doch sie ließ sich nun nicht mehr unterbrechen.
    »Die Cordeliers sind gütig,
     Bruder. Jedermann liebt sie und verehrt sie

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