In Nomine Mortis
gleich Heiligen. Euch
Dominikaner jedoch fürchtet man und ich tue es ganz besonders. Ihr
lasst auch nach mir suchen, oh ja, das weiß ich wohl.«
»Warum hast du mich
denn dann angesprochen?«, unterbrach ich sie nun doch.
»Gerade weil Ihr
Inquisitor seid, Bruder«, flüsterte sie. »Die
Franziskaner mögen gütig sein, Ihr Dominikaner jedoch seid mächtig
— und mächtige Männer GOTTES, die brauche ich wohl, wenn
der Teufel hinter mir her ist. Allein deshalb habe ich mich Euch
offenbart. Es ist besser, wenn ein Mönch mich sieht, als der
Leibhaftige!«
»Warum gehst du nicht
zu Meister Philippe?«, wollte ich wissen. »Wenn jemand in
solchen Dingen erfahren ist, dann doch er.«
»Ihn fürchte ich
fast so sehr wie den Teufel«, bekannte da Jacquette. »Ihr
aber, Bruder, Ihr …«, sie suchte nach Worten. »Vor Euch
habe ich auch Angst, jedoch nicht so große. Wenn Ihr versteht, was
ich meine?«
»Ich verstehe dich«,
murmelte ich — und wusste nicht, ob mir dieses Geständnis
schmeicheln sollte oder ob es nicht eher einer Beleidigung gleichkam. So
sind die Worte der Frauen: man weiß nicht einmal, ob sie süß
sind wie Honig oder bitter wie Galle! Ich zumindest wusste es nicht und
ich weiß es bis heute nicht.
»Wenn ich dir helfen
soll, dann musst du mir die Wahrheit erzählen«, fuhr ich fort.
»Alles. Ich muss alles erfahren von dem, was du in jener Nacht
gesehen und gehört hast.«
»Ich habe gelogen«,
gestand Jacquette. »Ich hatte so schreckliche Angst vor dem
Inquisitor, da habe ich die Wahrheit verschwiegen.«
»Öffne deine
Seele, bevor es zu spät ist«, ermahnte ich sie. »Ich habe
gesehen, wie Euer Mitbruder niedergestochen wurde«, hauchte sie da
— so leise, dass ich es kaum vernehmen konnte. Vor der Statue der
heiligen Anna stimmten die Pilgerinnen nun einen frommen Gesang an und
ihre Stimmen brausten durchs Kirchenschiff wie eine Sturmböe.
»Sprich lauter - und
sprich schnell«, drängte ich die Schönfrau, denn solange
die schwangeren Frauen sangen, mochte uns wohl niemand hören.
»Es war der Dekan der
Domherren, dem ich in jener Nacht zu Diensten war«, gestand
Jacquette.
»Nicolas d'Orgemont?«,
fragte ich. »Bist du dir da ganz sicher?«
»Ja, er war schon häufiger
bei mir und auch in jener Nacht, da ihn sein Schicksal ereilte, hatte er
mich zuvor aufgesucht. Wir gingen zur zweiten Kapelle auf der rechten
Seite von Notre-Dame, wo die Schatten besonders düster sind, und ich
tat, was er mir zu tun befahl. Doch ich schwöre, dass er, als er mich
verließ, gesund an Leib und Seele war! Ich schlich in mein Versteck
zurück und hörte erst am nächsten Morgen, dass der Domherr
in jener Nacht zu GOTT gerufen worden war. Herr d'Orgemont wird IHM viele
Sünden gestehen müssen, denn ich habe die Wahrheit gesprochen,
als ich sagte, dass er mich zu seinem Vergnügen schlägt. So war
es auch in jener, seiner letzten Nacht.«
»Warum lässt du
dies zu?«, fuhr ich auf.
Sie warf mir einen
mitleidigen Blick zu. »Weil ich Hunger habe«, antwortete sie.
Ich schlug beschämt die
Augen nieder.
»In jener Nacht nun, in
der Heinrich von Lübeck ermordet wurde, da schlug mich Nicolas
d'Orgemont wieder. Ich war schon zu Boden gegangen und versuchte, mein
Haupt mit meinen Händen zu schützen, da erblickte ich plötzlich
eine Gestalt, die aus der Kathedrale kam.«
»Langsam!«,
unterbrach ich sie. »Jetzt musst du mir alles sehr genau erzählen:
Wer kam heraus? Wo?«
Jacquette dachte einen Moment
lang nach. »Ich sah eine dunkle Gestalt, mehr nicht. Ich konnte
nicht erkennen, ob es ein Mönch war. Die Gestalt kam aus der Roten
Pforte von Notre-Dame, über der die Heilige Mutter GOTTES thront. Die
Gestalt rannte. Da kam eine zweite Gestalt aus der Kirche, aus derselben
Pforte. Auch sie konnte ich nicht klar erkennen. Der zweite Unbekannte
rief etwas, das ich nicht verstehen konnte — da blieb der erste
stehen. Die zweite Person kam nahe an die erste heran. Es schien mir, als
würden sie sich unterhalten.«
»Wie lange?«,
unterbrach ich sie.
»Nur ein paar Momente.
Nicolas d'Orgemont hielt gerade inne mit dem Schlagen, weil es ihn so sehr
erhitzte, dass er schwer atmete. Ich aber wagte nicht, mich wieder
aufzurichten. Also lag ich da, blickte auf die beiden Gestalten und
erwartete den nächsten Schlag des Domherrn.
Da plötzlich schienen
die beiden
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