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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Unbekannten miteinander zu verschmelzen und einen wilden Tanz
     aufzuführen. Dann fiel die erste Gestalt zu Boden - und die zweite
     rannte davon, zurück in die Kathedrale.«
    »Der Unbekannte stürzte?«
    »Ja, besser kann ich es
     nicht beschreiben. Es ging so schnell. Einen Augenblick standen sich beide
     noch gegenüber. Dann schien es mir, als umarmten sie sich. Und im nächsten
     Moment lag einer am Boden, der andere rannte in die Kathedrale Notre-Dame
     zurück.«
    »Es muss ein kurzer
     Kampf gewesen sein«, murmelte ich. »Doch scheint es mir, als hätte
     Heinrich von Lübeck seinen Mörder gekannt. Warum sonst hätte
     er mit ihm reden sollen?« Laut sagte ich dann: »Was geschah
     danach?«
    Jacquette schlug ein Kreuz.
     »Der Domherr prügelte wieder auf mich ein, bevor ich etwas
     sagen konnte. Dann, und das schwöre ich bei der Mutter GOTTES und
     allen Heiligen der Kirche, verlor ich das Bewusstsein.«
    »Meinst du, dass auch
     Nicolas d'Orgemont die beiden Gestalten und ihren Kampf gesehen hat?«
    Die Schönfrau schüttelte
     den Kopf. »Als er mich schlug, da stand er mit dem Rücken zur
     Kathedrale. Er wandte Notre-Dame stets den Rücken zu, wenn er bei mir
     war. Er hatte mir einmal gesagt, er könne nicht zu einer Dirne gehen
     und dabei auf das Haus GOTTES blicken. Doch was geschah, nachdem mich
     meine Sinne verlassen hatten, das weiß ich nicht zu sagen.«
    »Und die Gestalt, die
     du gesehen hast, nachdem du wieder bei Bewusstsein warst, jener
     Unbekannte, der sich am Körper des toten Heinrichs von Lübeck zu
     schaffen machte — die gab es tatsächlich?«, fragte ich,
     obwohl ich ihr sowieso schon glaubte. Jacquette nickte. »Ja, das ist
     wahr. Aber«, sie zögerte, »es war nicht derselbe
     Unbekannte, der ihn auch niedergestreckt hat.« Ich zuckte zusammen.
     »Nicht?«, keuchte ich. »Bist du dir da ganz sicher? Schwöre
     es!«
    »Ich schwöre es
     bei meinem Seelenheil! Die Person, die Euren Bruder niederstreckte, war
     recht groß, vielleicht sogar größer als der Unglückselige,
     vielleicht aber auch nicht, das konnte ich nicht genau erkennen, aber dick
     war er nicht. Die zweite jedoch war massig wie ein Mastschwein.«
    Ich blickte auf das
     verschlossene Gnadenbild und murmelte ein kurzes Gebet. »Wir suchen
     also zwei Unbekannte«, flüsterte ich dann, und es war mir, als
     legte sich mir ein neues, großes Gewicht auf die Schultern. Je länger
     Meister Philippe und ich suchten, desto weniger schienen wir zu finden.
     Oder nein: Wir fanden zwar Spuren, doch führte uns die Lösung
     eines Rätsels stets nur zum nächsten. Es war wie in der
     Theologie, wo die Behandlung eines Dogmas stets nur zum nächsten führte,
     das geklärt zu werden verlangte. Niemals, niemals war ein Ende
     abzusehen.
    *
    Es war Jacquette, die mich
     aus meinen Gedanken riss.
    »Glaubt Ihr, Herr, dass
     mich der Teufel holen will wegen all meiner Sünden?«, fragte
     sie mich.
    Vor wenigen Wochen noch hätte
     ich diese Frage bejaht, denn wo sonst als in der Hölle sollten Schönfrauen
     schon enden? Doch nun war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Hatte nicht
     selbst unser Herr Jesus Christus den Sündern verziehen? Cum autem perseverarent
     interrogantes eum erexit se et dixit eis qui sine peccato est vestrum
     primus in illam lapidem mittat. Waren es tatsächlich die Künste
     Satans, die Menschen verführten, Sünden zu begehen? Wer brachte
     denn Not und Hunger und Leid in die Welt, wenn nicht wir Menschen? Waren
     wir es nicht, die einander zur Hölle verdammten?
    »Fürchte dich
     nicht«, antwortete ich ihr deshalb. »Der HERR ist stärker
     als der Teufel. Und weil dies so ist, wird es für jeden von uns immer
     einen Weg geben, dem Finsteren zu entkommen.« Da weinte Jacquette plötzlich.
     Es war ein hemmungsloses, unbeherrschtes - ich weiß kein anderes
     Wort als dieses —, hingebungsvolles Weinen.
    Heiß und kalt wurde
     mir, als ich sie so sah. Hinübergehen und sie zur Tröstung in
     den Arm nehmen konnte ich nicht, das hätte zu viel Aufsehen erregt.
     So achtete niemand auf uns, denn obwohl Tränen aus den Augen der Schönfrau
     flössen wie ein Strom, gab sie dabei keinen Laut von sich.
    »Meister Philippe hatte
     Recht, als er mich der Lüge bezichtigte. Es gibt keinen Vater, der
     Lastenträger war und früh verstarb. Und auch keine jüngeren
     Geschwister. Ich war ein Bauernmädchen in Rampillon«, flüsterte
     sie, als sie sich ausgeweint hatte. Ich ahnte, dass sie mir

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