In Nomine Mortis
schändlicher Lust?
Ich schloss meine Faust um
die vier Sous und verstaute sie im Beutel an meinem Gurt. »Wir
werden für Heinrich von Lübeck eine stumme Messe lesen«,
versprach ich — auch wenn ich in jenem Moment noch nicht wusste, wie
ich dies dem Prior erklären sollte. »GOTT segne dich, Bruder!«,
flüsterte da Jacquette und lächelte mich an. Oh, ich spürte
sehr wohl, dass mein Gesicht nun brannte wie ein Schmiedefeuer. Schnell
wandte ich mich ab, dass sie die flammende Röte auf meinen Wangen und
meiner Stirn nicht sah. Ich hätte ihr gerne etwas gesagt. Hätte
ihr gestanden, dass nicht alle Hoffnung vergebens sei; dass sie nicht als
Schönfrau ihre Tage vergeuden solle, sondern wieder auf den rechten
Weg finden müsse; dass sie in meinen Augen nicht entehrt war —
nicht durch das, was die Burgundischen ihr angetan hatten, nicht einmal
durch das, was sie seither gemacht hatte. Ich — oh ja, ich gestehe
es — hätte ihr wohl gar gestanden, dass sie schön sei und
liebenswert.
Doch ich sollte niemals dazu
kommen, ihr irgendetwas davon zu sagen, denn als ich noch nach Worten
rang, da hörte ich plötzlich, wie Jacquette die Luft mit einem
erschrockenen Zischen einzog: Zwei Sergeanten standen in der Kirchentür.
Sie nahmen ihre Helme ab, senkten die Hellebarden und gingen umständlich
in die Knie, bevor sie ins Haus GOTTES traten.
Ich weiß bis heute
nicht, warum der HERR ihre Schritte ausgerechnet in jenem Augenblick in
die Kirche Saint-Jacques-de-la-Boucherie lenkte — vielleicht wollte
er mich davor bewahren, das zu sagen, was mir auf der Seele lag. Die
beiden Sergeanten suchten niemanden hier, sie wollten sich wohl nur das
Ende der Prozession ansehen. Jedenfalls blickten sie sich nicht besonders
aufmerksam um, sondern drängten sich nur näher an die Statue der
heiligen Anna heran. Jacquette schlug, kaum dass sie die beiden
Bewaffneten erblickte, ihr Kopftuch eng ums Haupt, schlüpfte lautlos
aus der Bankreihe und verschwand mit eiligen Schritten aus der Kirche,
ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen. Ein Schatten unter Schatten war
das letzte, was ich von ihr sah.
Wie betäubt blieb ich
noch eine Weile sitzen. Ein schmerzliches Gefühl des Verlustes
peinigte meine Seele und ich fühlte eine erschreckende Leere, obwohl
ich mich einen Narren schalt, mir von einer Schönfrau so den Kopf
verdrehen zu lassen. Bonus homo de bono thesauro profert bona et malus homo de malo thesauro
profert mala. Schließlich
raffte ich mich auf und ging langsam aus der Kirche, zurück zum Grand
Châtelet. Es schien mir eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit ich
mit der Schönfrau in die Kirche gegangen war, doch wahrhaftig mochte
nicht mehr Zeit vergangen sein, als man braucht, um drei oder vier Hymnen
zu singen.
Tatsächlich musste ich
noch einige Augenblicke warten, bis Meister Philippe wieder aus dem Portal
schritt. Er schien meine Abwesenheit also nicht bemerkt zu haben.
»Ich habe alles
besprochen«, sagte der Inquisitor. »Morgen werden Brüder
mit den Predigten beginnen. Wir werden je zwei auf die Place de Greve und
zum Markt von Les Halles entsenden. Nirgendwo werden ihnen mehr Menschen
lauschen als dort und nirgendwo werden ein paar Sergeanten weniger
auffallen, wenn man sie nur geschickt genug postiert.«
Ich murmelte zustimmende
Worte, doch lauschte ich Meister Phlippe nicht wirklich. Zu aufgewühlt
war ich noch von der Geschichte, die mir Jacquette soeben erzählt
hatte.
Schweigend legten wir den Weg
bis zum Kloster zurück, doch als wir dort waren, blieb Meister
Philippe unvermittelt stehen. »Was bedrückt dein Herz, mein
junger Bruder?«, fragte er mich. Er war nicht misstrauisch, eher
freundlich, ja besorgt.
Mich traf seine Frage
trotzdem so, als hätte er mir eine Ohrfeige gegeben. Meine Hände
zitterten, Schweiß perlte auf meiner Stirn und in meinem Innern
fochten zwei Regungen: Sollte ich mich dem Inquisitor offenbaren oder
sollte ich ihm alles verschweigen? Ich seufzte tief und entschloss mich
dann, meinen Fehler nicht zu wiederholen. So erzählte ich Philippe de
Touloubre alles so, wie es sich zugetragen hatte.
Je länger ich sprach,
desto blasser wurde der Inquisitor. Zwar blieb seine Miene unbeweglich,
doch seine Gesichtszüge wurden fahler und fahler. Als ich geendet
hatte, erwartete ich deshalb schon ein schreckliches Zorngewitter.
Doch der Inquisitor hob
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