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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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schändlicher Lust?
    Ich schloss meine Faust um
     die vier Sous und verstaute sie im Beutel an meinem Gurt. »Wir
     werden für Heinrich von Lübeck eine stumme Messe lesen«,
     versprach ich — auch wenn ich in jenem Moment noch nicht wusste, wie
     ich dies dem Prior erklären sollte. »GOTT segne dich, Bruder!«,
     flüsterte da Jacquette und lächelte mich an. Oh, ich spürte
     sehr wohl, dass mein Gesicht nun brannte wie ein Schmiedefeuer. Schnell
     wandte ich mich ab, dass sie die flammende Röte auf meinen Wangen und
     meiner Stirn nicht sah. Ich hätte ihr gerne etwas gesagt. Hätte
     ihr gestanden, dass nicht alle Hoffnung vergebens sei; dass sie nicht als
     Schönfrau ihre Tage vergeuden solle, sondern wieder auf den rechten
     Weg finden müsse; dass sie in meinen Augen nicht entehrt war —
     nicht durch das, was die Burgundischen ihr angetan hatten, nicht einmal
     durch das, was sie seither gemacht hatte. Ich — oh ja, ich gestehe
     es — hätte ihr wohl gar gestanden, dass sie schön sei und
     liebenswert.
    Doch ich sollte niemals dazu
     kommen, ihr irgendetwas davon zu sagen, denn als ich noch nach Worten
     rang, da hörte ich plötzlich, wie Jacquette die Luft mit einem
     erschrockenen Zischen einzog: Zwei Sergeanten standen in der Kirchentür.
     Sie nahmen ihre Helme ab, senkten die Hellebarden und gingen umständlich
     in die Knie, bevor sie ins Haus GOTTES traten.
    Ich weiß bis heute
     nicht, warum der HERR ihre Schritte ausgerechnet in jenem Augenblick in
     die Kirche Saint-Jacques-de-la-Boucherie lenkte — vielleicht wollte
     er mich davor bewahren, das zu sagen, was mir auf der Seele lag. Die
     beiden Sergeanten suchten niemanden hier, sie wollten sich wohl nur das
     Ende der Prozession ansehen. Jedenfalls blickten sie sich nicht besonders
     aufmerksam um, sondern drängten sich nur näher an die Statue der
     heiligen Anna heran. Jacquette schlug, kaum dass sie die beiden
     Bewaffneten erblickte, ihr Kopftuch eng ums Haupt, schlüpfte lautlos
     aus der Bankreihe und verschwand mit eiligen Schritten aus der Kirche,
     ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen. Ein Schatten unter Schatten war
     das letzte, was ich von ihr sah.
    Wie betäubt blieb ich
     noch eine Weile sitzen. Ein schmerzliches Gefühl des Verlustes
     peinigte meine Seele und ich fühlte eine erschreckende Leere, obwohl
     ich mich einen Narren schalt, mir von einer Schönfrau so den Kopf
     verdrehen zu lassen. Bonus homo de bono thesauro profert bona et malus homo de malo thesauro
     profert mala. Schließlich
     raffte ich mich auf und ging langsam aus der Kirche, zurück zum Grand
     Châtelet. Es schien mir eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit ich
     mit der Schönfrau in die Kirche gegangen war, doch wahrhaftig mochte
     nicht mehr Zeit vergangen sein, als man braucht, um drei oder vier Hymnen
     zu singen.
    Tatsächlich musste ich
     noch einige Augenblicke warten, bis Meister Philippe wieder aus dem Portal
     schritt. Er schien meine Abwesenheit also nicht bemerkt zu haben.
    »Ich habe alles
     besprochen«, sagte der Inquisitor. »Morgen werden Brüder
     mit den Predigten beginnen. Wir werden je zwei auf die Place de Greve und
     zum Markt von Les Halles entsenden. Nirgendwo werden ihnen mehr Menschen
     lauschen als dort und nirgendwo werden ein paar Sergeanten weniger
     auffallen, wenn man sie nur geschickt genug postiert.«
    Ich murmelte zustimmende
     Worte, doch lauschte ich Meister Phlippe nicht wirklich. Zu aufgewühlt
     war ich noch von der Geschichte, die mir Jacquette soeben erzählt
     hatte.
    Schweigend legten wir den Weg
     bis zum Kloster zurück, doch als wir dort waren, blieb Meister
     Philippe unvermittelt stehen. »Was bedrückt dein Herz, mein
     junger Bruder?«, fragte er mich. Er war nicht misstrauisch, eher
     freundlich, ja besorgt.
    Mich traf seine Frage
     trotzdem so, als hätte er mir eine Ohrfeige gegeben. Meine Hände
     zitterten, Schweiß perlte auf meiner Stirn und in meinem Innern
     fochten zwei Regungen: Sollte ich mich dem Inquisitor offenbaren oder
     sollte ich ihm alles verschweigen? Ich seufzte tief und entschloss mich
     dann, meinen Fehler nicht zu wiederholen. So erzählte ich Philippe de
     Touloubre alles so, wie es sich zugetragen hatte.
    Je länger ich sprach,
     desto blasser wurde der Inquisitor. Zwar blieb seine Miene unbeweglich,
     doch seine Gesichtszüge wurden fahler und fahler. Als ich geendet
     hatte, erwartete ich deshalb schon ein schreckliches Zorngewitter.
    Doch der Inquisitor hob

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