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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Responsorium die ersten Zeilen eines Psalms
     anstimmte, da sang ich den Kehrvers im Chor der Mönche.
    Seit dem frühen Morgen
     war Meister Philippe verschwunden - er hatte das Kloster noch vor der Prim
     verlassen, wie mir der Portarius gestand. Wohin mochte er gegangen sein?
     Warum war er verschwunden? Ich war enttäuscht, dass er mir nichts
     gesagt hatte, wenn er es denn schon für notwendig erachtet hatte, auf
     meine Begleitung zu verzichten.
    Während der Lesung aus
     der Heiligen Schrift durch einen Bruder - es war, so weit ich mich
     erinnern kann, eine Stelle aus dem Römerbrief—, lauschte ich
     nicht etwa diesen Worten, sondern dachte daran, dass der Inquisitor sich
     vielleicht auf eigene Faust aufgemacht hatte, um Jacquette zu suchen. Oder
     hatte etwas, das die Schönfrau mir verraten hatte, in ihm irgendeinen
     Verdacht erweckt? War er vielleicht gar nicht auf der Suche nach der
     jungen Dirne, sondern hatte sich zu jemand ganz anderem begeben? Zu wem?
    Hymnus, Vers und Lobgesang
     erklangen im Hause GOTTES - doch ich, ich dachte nur daran, was ich nun
     unternehmen sollte. Wenn der Inquisitor Nachforschungen betrieb, warum
     sollte ich dies nicht auch wieder tun? War ich nicht selbst Inquisitor?
     Hatte uns nicht letztlich alles, was ich getan hatte, weitergebracht auf
     dem Weg zum Mörder unseres Mitbruders?
    Der Florentiner Geldwechsler
     Pietro Datini hatte mich zum Juden geführt. Nechenja ben Isaak und
     seine Tochter hatten uns wieder auf Richard Helmstede und seine Kogge
     verwiesen. Jacquette hatte uns zudem gezeigt, dass wir nach zwei
     Unbekannten zu suchen hatten. War es denn so unwahrscheinlich, dass einer
     der beiden, nach denen wir suchten, Richard Helmstede sein mochte?
    »PATER noster«, murmelten wir, doch ich dachte an
     Leas Botschaft vom Schiff im Sturm. Ich musste den Reeder aufsuchen
     — und ich durfte keine Zeit mehr vertun. Am liebsten wäre ich
     aufgesprungen und aus der Kirche geeilt, doch selbstverständlich
     bezwang ich mich und betete weiter.
    »Alma redemptoris
     mater« erscholl es nun. Endlich legte sich meine Verwirrung und
     Geistesabwesenheit. Ich sang den Hymnus mit und legte alle Kraft und
     Sehnsucht in meine Stimme. Oh ja, wie hoffte ich auf die Gnade der
     Muttergottes. Wie sehr sehnte ich mich danach, endlich, endlich eine
     Gewissheit zu erlangen in jenem finsteren Fall von Mord und Lüge, von
     Sünde und Täuschung! Nach der Vesper gesellte ich mich zu den
     Mitbrüdern, die auserwählt waren, noch an diesem Abend zum Volk
     von Paris zu predigen. Ich schlug gleich ihnen die Kapuze hoch und schritt
     als Teil ihrer Gruppe gemessen durch die Pforte hinaus. Der Portarius
     hielt mich nicht auf, keiner meiner Mitbrüder achtete auf mich. Jeder
     glaubte, dass auch ich zum Predigen eingeteilt worden war.
    So folgte ich den Mönchen
     die Rue Saint-Jacques hinunter. Langsamer und langsamer wurde dabei mein
     Schritt: Aus der Mitte der Gruppe fiel ich unmerklich ans Ende zurück.
     Dann trennten mich wohl ein, zwei Ellen von den anderen und schließlich
     tat ich so, als müsse ich mir einen Stein aus meiner Sandale klauben.
     Ich lehnte mich an eine Hauswand, beugte mich zu meinem Fuß
     hinunter, richtete mich wieder auf — und war mit einem raschen
     Sprung in einer kleinen Quergasse verschwunden.
    Auf Umwegen wanderte ich
     Richtung Seine, auf dass mich keiner meiner Mitbrüder zufällig
     erblickte. Ich musste langsam gehen, um nicht in Schweiß
     auszubrechen, denn es war heiß und schwül. Wie eine feuchte
     Decke lastete die Luft auf der Stadt, der Himmel hatte die Farbe von Milch
     angenommen. In den Gassen stank es mehr noch als sonst nach Fäulnis,
     Kot und nach dem Schimmel, der an feuchten Hauswänden in großen
     Flecken wucherte. Ich hätte gerne meine Kapuze zurückgeschoben,
     denn mein überhitzter Kopf schien mir zu kochen. Doch selbstverständlich
     behielt ich sie auf, um mich zu verbergen.
    Glücklicherweise schien
     niemand auf mich zu achten. Vielmehr waren Arm und Reich, Pariser wie
     Fremde damit beschäftigt, überall auf Plätzen und
     Kreuzungen Äste und Scheite zu großen Stößen
     aufzuschichten. Die nächste Nacht war die Johannisnacht. Auch wenn
     die Angst vor der Seuche und vor unaussprechlichen Sünden umging, auf
     das Johannisfeuer wollte doch niemand verzichten. So gelangte ich
     unbemerkt über die Brücken der Seine bis zum Hafen. Dort blieb
     ich jedoch erschrocken stehen. Ich wollte meinen Augen nicht

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