In Nomine Mortis
trauen: Ich
sah Männer auf der »Kreuz der Trave«, Matrosen —
und sie machten die Kogge fertig zum Auslaufen. Man musste kein Seemann
sein, um das zu erkennen.
Einige Matrosen bestrichen
die Außenseite des Rumpfes mit Teer, andere überprüften
das Tauwerk, zwei nähten einen Riss im Segel, das ausgebreitet auf
Deck lag. Ich sah Gernot, den Steuermann, der am Heck auf und ab schritt.
Damit nicht auch er mich erblickte, versteckte ich mich schnell hinter
einigen leeren Weinfässern, die am Rande des Kais standen.
»Der heilige Nikolaus
allein mag wissen, wohin die segeln wollen«, hörte ich da eine
krächzende Stimme hinter meinem Rücken. Erschrocken fuhr ich
herum. Gegen einen Turm weiterer Fässer gelehnt, lag ein alter, von
Wind und Sonne gezeichneter Mann im Schatten. Ich versuchte ihm gegenüber
gar nicht erst zu leugnen, dass ich zur »Kreuz der Trave« hinübergestarrt
hatte, denn der Alte musste mich beobachtet haben.
»Sag, alter Mann,
spricht man im Hafen nicht über dieses seltsame Schiff?«,
fragte ich ihn, denn ich hielt ihn für einen ehemaligen Lastenträger,
der auch die Tage seines Lebenswinters noch am Hafen verbringen wollte.
Der Mann lachte. »Was
glaubt Ihr wohl, Bruder! Die Männer zerreißen sich das Maul wie
tollwütige Hunde - verzeiht meine Worte, ich bin kein gelehrter Mann,
wie Ihr es ohne Zweifel seid, und lebe einfach und bescheiden.«
Ich verstand seine Anspielung
und warf ihm ein Stück Brot aus meinem Beutel zu. »Geld habe
ich nicht«, sagte ich etwas verlegen. »Das tut es auch«,
antwortete der Alte. Er zerkrümelte das Brot zu kleinen Brocken, denn
er hatte keine Zähne mehr. Dann stopfte er sie sich langsam und
genussvoll in den Mund und ließ sie dort vom Speichel wässern,
bis er den Brei schlucken konnte. »Ah«, sagte er schließlich,
»das stärkt mir Herz und Seele. Diese Kogge also«, kam er
endlich auf das Thema zurück, »verwundert nicht wenige, die
hier arbeiten. Doch, ich schwöre es Euch, Bruder, niemand hat all die
Tage, die sie hier schon im Hafen liegt, Genaueres über sie erfahren.
Nichts hat sie in all der Zeit geladen, keinen Ballen Stoff, nicht einmal
einen Sack Getreide. Doch vor drei Tagen haben die Matrosen angefangen,
Vorräte zu kaufen, wie man sie für eine lange Seereise braucht:
Zwieback, Salzheringe, Branntwein, Wasser in Fässern, viel Wasser.«
»Wohin mag der Kapitän
bloß wollen?«, murmelte ich, mehr zu mir selbst, als zu dem
Alten.
Doch der lachte. »Ihr
seid der Dominikaner, Bruder, Ihr müsst das herausfinden. Seit den
Geschichten von der schrecklichen Seuche, die irgendwo im Land wüten
soll, sind wohl einhundert oder mehr Schiffe hier in Paris angekommen.
Seht Euch im Hafen um! In
drei, vier, fünf Reihen liegen Kähne und Barken an den Kais.
Kaum ein Schiffer hatte Fracht geladen — außer der auf zwei
Beinen. Viele brachten Menschen mit, die vor der Seuche geflohen sind,
doch niemand hat sich seither wieder hinausgewagt. Warum auch? Wer fährt
freiwillig in ein Land, in dem der Teufel regiert?«
Wir bekreuzigten uns beide.
»Außerdem gibt es
ja nichts, was ein Schiff jetzt in Paris laden könnte«, fuhr
der Alte fort. »Getreide und Wein brauchen wir selbst für all
die Menschen in unseren Mauern. Und feine Stoffe und edles Geschmeide, wie
es unsere hochmütigen Gildenmeister fertigen? Wer sollte dies jetzt
noch kaufen wollen? Nein«, er schüttelte entschieden den Kopf,
»es gibt nichts, was jemand aus Paris bringen könnte in diesen
Tagen.
Wenn Ihr mich fragt, Bruder:
Der Kapitän der »Kreuz der Trave« will hier verschwinden.
Vielleicht hat er Angst vor der Seuche und will nicht warten, bis sie auch
Paris erreicht. Wenn er deshalb flieht, wäre dies allerdings dumm von
ihm. Denn er muss ja durch ein Land fahren, in dem die Krankheit schon wütet.
Oder aber …«
»… er flieht aus
Paris, weil jemand hinter ihm her ist«, vollendete ich und
erschauderte.
Was sollte ich tun? Meister
Philippe alarmieren? Doch wo mochte er sein? Auf die Kogge eilen und die
Abreise verbieten? Mit welcher Autorität? Mit welcher Begründung?
Würde jemand auf mich hören? In meiner Ratlosigkeit fiel mir
schließlich nichts anderes ein, als zum »Haus zum Hahn«
zu eilen. Richard Helmstede hatte ich nicht auf Deck der »Kreuz der
Trave« erblickt. Vielleicht, so hoffte ich, war er noch in seinem
Anwesen in
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