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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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trauen: Ich
     sah Männer auf der »Kreuz der Trave«, Matrosen —
     und sie machten die Kogge fertig zum Auslaufen. Man musste kein Seemann
     sein, um das zu erkennen.
    Einige Matrosen bestrichen
     die Außenseite des Rumpfes mit Teer, andere überprüften
     das Tauwerk, zwei nähten einen Riss im Segel, das ausgebreitet auf
     Deck lag. Ich sah Gernot, den Steuermann, der am Heck auf und ab schritt.
     Damit nicht auch er mich erblickte, versteckte ich mich schnell hinter
     einigen leeren Weinfässern, die am Rande des Kais standen.
    »Der heilige Nikolaus
     allein mag wissen, wohin die segeln wollen«, hörte ich da eine
     krächzende Stimme hinter meinem Rücken. Erschrocken fuhr ich
     herum. Gegen einen Turm weiterer Fässer gelehnt, lag ein alter, von
     Wind und Sonne gezeichneter Mann im Schatten. Ich versuchte ihm gegenüber
     gar nicht erst zu leugnen, dass ich zur »Kreuz der Trave« hinübergestarrt
     hatte, denn der Alte musste mich beobachtet haben.
    »Sag, alter Mann,
     spricht man im Hafen nicht über dieses seltsame Schiff?«,
     fragte ich ihn, denn ich hielt ihn für einen ehemaligen Lastenträger,
     der auch die Tage seines Lebenswinters noch am Hafen verbringen wollte.
    Der Mann lachte. »Was
     glaubt Ihr wohl, Bruder! Die Männer zerreißen sich das Maul wie
     tollwütige Hunde - verzeiht meine Worte, ich bin kein gelehrter Mann,
     wie Ihr es ohne Zweifel seid, und lebe einfach und bescheiden.«
    Ich verstand seine Anspielung
     und warf ihm ein Stück Brot aus meinem Beutel zu. »Geld habe
     ich nicht«, sagte ich etwas verlegen. »Das tut es auch«,
     antwortete der Alte. Er zerkrümelte das Brot zu kleinen Brocken, denn
     er hatte keine Zähne mehr. Dann stopfte er sie sich langsam und
     genussvoll in den Mund und ließ sie dort vom Speichel wässern,
     bis er den Brei schlucken konnte. »Ah«, sagte er schließlich,
     »das stärkt mir Herz und Seele. Diese Kogge also«, kam er
     endlich auf das Thema zurück, »verwundert nicht wenige, die
     hier arbeiten. Doch, ich schwöre es Euch, Bruder, niemand hat all die
     Tage, die sie hier schon im Hafen liegt, Genaueres über sie erfahren.
     Nichts hat sie in all der Zeit geladen, keinen Ballen Stoff, nicht einmal
     einen Sack Getreide. Doch vor drei Tagen haben die Matrosen angefangen,
     Vorräte zu kaufen, wie man sie für eine lange Seereise braucht:
     Zwieback, Salzheringe, Branntwein, Wasser in Fässern, viel Wasser.«
    »Wohin mag der Kapitän
     bloß wollen?«, murmelte ich, mehr zu mir selbst, als zu dem
     Alten.
    Doch der lachte. »Ihr
     seid der Dominikaner, Bruder, Ihr müsst das herausfinden. Seit den
     Geschichten von der schrecklichen Seuche, die irgendwo im Land wüten
     soll, sind wohl einhundert oder mehr Schiffe hier in Paris angekommen.
    Seht Euch im Hafen um! In
     drei, vier, fünf Reihen liegen Kähne und Barken an den Kais.
     Kaum ein Schiffer hatte Fracht geladen — außer der auf zwei
     Beinen. Viele brachten Menschen mit, die vor der Seuche geflohen sind,
     doch niemand hat sich seither wieder hinausgewagt. Warum auch? Wer fährt
     freiwillig in ein Land, in dem der Teufel regiert?«
    Wir bekreuzigten uns beide.
    »Außerdem gibt es
     ja nichts, was ein Schiff jetzt in Paris laden könnte«, fuhr
     der Alte fort. »Getreide und Wein brauchen wir selbst für all
     die Menschen in unseren Mauern. Und feine Stoffe und edles Geschmeide, wie
     es unsere hochmütigen Gildenmeister fertigen? Wer sollte dies jetzt
     noch kaufen wollen? Nein«, er schüttelte entschieden den Kopf,
     »es gibt nichts, was jemand aus Paris bringen könnte in diesen
     Tagen.
    Wenn Ihr mich fragt, Bruder:
     Der Kapitän der »Kreuz der Trave« will hier verschwinden.
     Vielleicht hat er Angst vor der Seuche und will nicht warten, bis sie auch
     Paris erreicht. Wenn er deshalb flieht, wäre dies allerdings dumm von
     ihm. Denn er muss ja durch ein Land fahren, in dem die Krankheit schon wütet.
     Oder aber …«
    »… er flieht aus
     Paris, weil jemand hinter ihm her ist«, vollendete ich und
     erschauderte.
    Was sollte ich tun? Meister
     Philippe alarmieren? Doch wo mochte er sein? Auf die Kogge eilen und die
     Abreise verbieten? Mit welcher Autorität? Mit welcher Begründung?
     Würde jemand auf mich hören? In meiner Ratlosigkeit fiel mir
     schließlich nichts anderes ein, als zum »Haus zum Hahn«
     zu eilen. Richard Helmstede hatte ich nicht auf Deck der »Kreuz der
     Trave« erblickt. Vielleicht, so hoffte ich, war er noch in seinem
     Anwesen in

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