In seinem Bann

Körpersprache signalisierte ständig und unmissverständlich, dass wir zusammengehörten und er wurde nicht müde, mich mit jedem einzelnen seiner Gesprächspartner bekannt zu machen. Ich lernte an diesem Abend Menschen beim Vornamen kennen, von denen ich bislang angezweifelt hatte, dass sie außerhalb von Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen überhaupt real existierten.
    Ich bewunderte Ian für seine Fähigkeit, sich so souverän und unangestrengt auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen, sich so schnell auf jeden dieser Menschen neu und individuell einzustellen und jedem von ihnen das Gefühl zu vermitteln, als Person und in ihrem jeweiligen Anliegen ungemein bedeutsam zu sein. Ian beherrschte die Kunst der Konversation perfekt und blieb dabei selbst stets der zurückhaltende und besonnene Zuhörer ohne ein einziges Mal in der Rolle des Unterhalters im Mittelpunkt zu stehen.
    Dann trat eine sündhaft schöne Französin in einem rückenfreien scharlachroten Abendkleid von Valentino zu uns, die in Begleitung eines weit weniger attraktiven britischen Industriellen war.
    »Ian, mon cher «, zwitscherte sie lächelnd und warf sich ihm im gleichen Moment an den Hals.
    Plötzlich erschien mir Ian weit weniger souverän als noch kurz zuvor und es wirkte eher unsanft, wie er sich aus der Umarmung der eleganten Brünetten befreite.
    »Isabelle«, grüßte er sie knapp durch zusammengebissene Zähne und wandte sich dann demonstrativ ihrem Begleiter Thomas zu, den er mit Handschlag begrüßte.
    »Ich möchte euch gern Frau Dr. Ann-Sophie Lauenstein vorstellen. Meine Lebensgefährtin.«
    Ich konnte mit ansehen, wie Isabelle bei diesen Worten förmlich die Gesichtszüge entglitten und auch mich selbst brachte diese Formulierung zugegebenermaßen ein wenig aus dem Konzept. Ian hatte zwar schon den ganzen Abend über keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit unserer Beziehung aufkommen lassen, doch diese Konkretisierung übertraf das Bisherige noch bei weitem.
    »Eine Ex von dir?« fragte ich leise, als wir wieder allein waren, und bemühte mich dabei um einen möglichst neutralen Ton.
    »Nein.« Ian schüttelte den Kopf. »Nur eine flüchtige Bekannte.«
    Wir übten uns noch eine Weile in Smalltalk, ehe alle Gäste gebeten wurden, in den großen Saal zu wechseln, wo eine halbstündige Showeinlage eines international bekannten Illusionisten auf uns wartete, ehe das Dinner serviert würde.
    Wir teilten unseren festlich gedeckten runden Tisch mit drei weiteren Paaren und ich nutzte die Minuten vor Beginn der spektakulären Magier-Show, um noch schnell die Toilette aufzusuchen.
    Dort traf ich Isabelle, die vor einem der goldgerahmten Spiegel ihren blutroten Lippenstift nachzog.
    Es war ein bitterböser Blick voller Missgunst, der mich durch den Spiegel hindurch traf, doch ich bemühte mich, ihn einfach zu ignorieren und nickte ihr kurz freundlich zu, ehe ich in meiner Dior-Robe in eine der glücklicherweise recht großzügig gestalteten Kabinen schlüpfte.
    Als ich wieder herauskam, trat Isabelle aus der Kabine neben mir. Nachdem sie bereits mit der Kosmetik-Korrektur beschäftigt gewesen war, hatte ich geglaubt und gehofft, sie sei bereits gegangen, doch tatsächlich schien sie regelrecht auf mich gewartet zu haben.
    » I guess, the dress is a gift from Ian? « fragte sie mit starkem französischem Akzent.
    Ich nickte konsterniert.
    » You earn my respect for this, honey «, sagte sie mit einem Lächeln, das zwei Reihen strahlend weiße Zähne entblößte, aber nicht ihre kühlen Augen erreichte.
    Dann zückte sie ihr Smartphone und hielt es mir hin.
    » This is what Ian Reed demanded from me as a token of love .«
    Mir wurde übel und alles um mich herum fing an sich zu drehen.
    Das Foto auf ihrem Handy zeigte, umrahmt von der roten Seide eines Valentino-Kleides, eine weibliche Scham mit einem massiven eisernen Ring durch jede Labie.

    Fortsetzung folgt.
    Ian Reed will return in
    Fly Me To The Moon. In seinem Bann 4 .

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Impressum
    Texte: © Copyright by Anaïs Goutier, [email protected]
    Bildmaterialien: © Copyright by Anaïs Goutier

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    Tag der Veröffentlichung: 22.06.2013
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