In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
Entweder
präsentieren Sie mir irgendwelche Beweise, oder das alles hat hier und jetzt ein Ende.«
Der schwarze Mann sah die Asiatin an. Die Asiatin sah den weißen Mann an. Der weiße Mann sah den schwarzen Mann an.
Wendy breitete die Arme aus. »Haben Sie das extra geprobt?«
Sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten wie Senatoren bei einer Anhörung. Wendy wartete. Als sie fertig waren, öffnete die Asiatin eine andere Akte und schob sie über den Glastisch.
»Vielleicht sollten Sie sich das mal ansehen.«
Wendy öffnete die Akte. Es war ein Ausdruck aus einem Internet-Blog. Wendys Blut fing an zu kochen, als sie ihn las:
Ich arbeite bei NTC . Ich kann meinen Namen nicht nennen, weil ich dann gefeuert werde. Aber Wendy Tynes ist schrecklich. Sie ist eine vollkommen untalentierte Primadonna, die es auf die altmodische Art nach oben geschafft hat: Sie hat sich hochgeschlafen. Momentan vögelt sie unseren Boss Vic Garrett. Und deshalb kann sie machen, was sie will. Letzte Woche wurde sie doch tatsächlich wegen Inkompetenz gefeuert, dann aber sofort wieder eingestellt, weil Vic Angst vor einer Belästigungsklage hat. Wendy hat zig Schönheitsoperationen hinter sich, unter anderem an der Nase, den Augen und den Titten …
So ging es immer weiter. Wieder dachte Wendy an Phils Warnung. Sie erinnerte sich daran, was diese Internet-Psychos Farley Parks und Steve Miciano angetan hatten - und jetzt auch ihr. Langsam dämmerte ihr, welche Folgen das haben würde: ihre Karriere, ihr Lebensunterhalt, die Möglichkeit, für ihren Sohn zu sorgen. Solche Gerüchte verhärteten sich
immer zu Fakten. In den Augen der Öffentlichkeit waren Beschuldigungen das Gleiche wie Verurteilungen. Ein Mensch war schuldig, bis die Unschuld bewiesen war.
Hatte Mercer nicht genau so etwas gesagt?
Schließlich räusperte der weiße Mann sich und sagte: »Und?«
Wendy nahm allen noch vorhandenen Mut zusammen, streckte die Brust heraus und sagte: »Die sind echt. Wenn Sie wollen, können Sie mal anfassen.«
»Das ist nicht witzig.«
»Und ich lache auch nicht. Ich biete Ihnen allerdings einen Beweis an, dass das Lügen sind. Machen Sie schon. Einmal kurz drücken.«
Der weiße Mann schnaubte missbilligend und deutete auf die Akte. »Vielleicht sollten Sie sich die Kommentare ansehen. Sie sind auf der zweiten Seite.«
Wendy versuchte, eine selbstbewusste Fassade aufrechtzuerhalten, doch ihre Welt geriet zunehmend ins Wanken. Sie blätterte um und überflog den ersten Kommentar.
Kommentar: Ich habe mit ihr bei ihrer letzten Stelle zusammengearbeitet und stimme absolut zu. Hier lief das genauso. Unser verheirateter Boss wurde gefeuert, und seine Frau hat sich scheiden lassen. Wendy Tynes ist eine Schlampe. Kommentar: Sie hat mit mindestens zwei Professoren geschlafen, mit einem, als sie schwanger war. Hat seine Ehe zerstört.
Jetzt brannte Wendy das Gesicht. Sie war noch mit John verheiratet gewesen, als sie bei ihrer letzten Stelle gearbeitet hatte. Und dann war er ein paar Wochen, bevor sie aufhörte, getötet worden. Diese Lüge machte sie noch wütender als die anderen. Sie war so obszön, so unfair.
»Und?«, fragte der weiße Mann.
»Das«, presste sie durch zusammengebissene Zähne hervor, »sind alles absolute Lügen.«
»Das ganze Internet ist voll davon. Ein paar von diesen Blogs wurden an unsere Sponsoren weitergeleitet. Sie drohen, ihre Werbespots zu kündigen.«
»Das sind reine Lügen.«
»Und außerdem möchten wir Sie bitten, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben.«
»Was für eine Verzichtserklärung?«
»Mr. Garrett ist Ihr Vorgesetzter. Ich glaube zwar nicht, dass Sie eine Chance hätten, aber Sie könnten ihn wegen sexueller Belästigung verklagen.«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Wendy.
Er deutete auf die Akte. »In einem dieser Blogs steht, dass Sie einmal einen Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung verklagt haben. Wer garantiert uns, dass Sie das nicht wieder tun?«
Wendy sah im wahrsten Sinne des Wortes rot. Sie ballte die Fäuste und musste sich sehr anstrengen, um mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Mr. … tut mir leid, ich habe Ihren Namen vergessen.«
»Montague.«
»Mr. Montague.« Tief durchatmen. »Ich möchte, dass Sie mir ganz genau zuhören. Konzentrieren Sie sich bitte, damit Sie verstehen, was ich sage.« Wendy hielt die Akte hoch. »Das sind alles Lügen. Verstehen Sie das? Erfindungen. Der Teil, dass ich einen alten Arbeitgeber verklagt habe, das ist eine Lüge. Die
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