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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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davon erzählt. Ich steigerte mich damals in einen schrecklichen Zustand hinein, war fest davon überzeugt, dass mein Herz gebrochen war. Nun ja, wahrscheinlich war es das auch. Ich kam morgens nicht mehr aus dem Bett, weinte die ganze Zeit. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Seltsam, wie viel Wasser man in sich hat. Schließlich hat mich eine Freundin dazu gebracht, den College-Arzt aufzusuchen. Er hat mir ein paar Pillen verschrieben, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich sie überhaupt genommen habe.« Als ich mir meiner Wortwahl bewusst wurde, musste ich lachen. »Wenn ich sage, ich kann mich nicht erinnern, dann meine ich damit keinen weiteren Fall von Amnesie.
    Das Ganze ist bloß schon so lange her und war mir später nicht mehr wichtig.«
    »Warum haben Sie die Sache gestern nicht erwähnt?«
    »Mit sieben oder acht Jahren bekam ich zum Geburtstag ein Taschenmesser geschenkt. Unglaublich, aber wahr.
    Ungefähr acht Minuten später versuchte ich, im Garten an einem Stück Holz herumzuschnitzen und stieß mir das Messer dabei in den Finger.« Ich hielt die linke Hand hoch. »Sehen Sie, da ist immer noch eine hübsche Narbe.
    Es hat wie verrückt geblutet. Vielleicht bilde ich mir das bloß ein, aber jedes Mal, wenn ich die Narbe ansehe, spüre ich, wie es sich anfühlte, als ich mit dem Messer abrutschte und die Klinge in meinen Finger glitt. Das habe ich gestern auch nicht erwähnt.«
    »Abbie, wir haben über Ihren psychischen Zustand gesprochen. Darüber, wie Sie auf Stress reagieren.
    Trotzdem haben Sie das nicht erwähnt.«
    »Wollen Sie damit andeuten, dass ich es auf dieselbe Weise vergessen habe wie meine Entführung durch diesen Mann? Außerdem habe ich sehr wohl darüber gesprochen.
    Ich habe Ihnen doch bei unserem gestrigen Gespräch davon erzählt.«
    »Ja, aber Sie haben nicht erwähnt, dass Sie deswegen in ärztlicher Behandlung waren.«

    »Nur weil mir das nicht relevant erschien. Ich hatte an der Uni eine Affäre mit einem Jungen, und als die Sache schief ging, wurde ich depressiv. Gut, vielleicht haben Sie Recht, vielleicht ist es tatsächlich relevant. Ich nehme an, in gewisser Hinsicht ist alles relevant. Vielleicht habe ich das nicht erwähnt, weil es so traurig war und ich mich so allein gelassen fühlte.«
    »Allein gelassen?«
    »Ja. Natürlich. Schließlich war ich verliebt und er nicht.«
    »Ich habe bei der Durchsicht Ihrer Akten besonders darauf geachtet, wie Sie auf andere Stresssituationen in Ihrem Leben reagiert haben.«
    »Wenn Sie meine Entführung durch einen Psychopathen, der vorhatte, mich zu töten, mit den Phasen meines Lebens vergleichen wollen, in denen ich mich von einem Freund trennte oder unter einem Ekzem litt, das ich zwei Jahre lang nicht mehr loswurde – sind Sie schon an diesem Punkt meiner Akte angelangt? –, nun, dann kann ich dazu bloß sagen, dass sich das einfach nicht vergleichen lässt.«
    »Eins haben all diese Situationen gemeinsam: dass Sie sie erlebt haben. Ich suche nach Verhaltensmustern.
    Dieses Ereignis zählt zu den Dingen, die Ihnen in Ihrem Leben widerfahren sind, und wie alles, was Ihnen widerfährt, wird es Sie auf irgendeine Art und Weise geprägt haben. Ich hoffe, ich kann helfen, dafür zu sorgen, dass es keine schlimmen Auswirkungen auf Sie haben wird.«
    »Aber es passieren nun mal Dinge im Leben, die einfach furchtbar sind, und dieses Erlebnis gehört definitiv dazu.
    Es wird immer ein furchtbares Erlebnis für mich bleiben, ich kann es nicht in etwas Positives umwandeln. Wichtig ist meiner Meinung nach einzig und allein, dass dieser unglaublich gefährliche Mann gefasst und eingesperrt wird, damit er nie wieder einem Menschen so etwas antun kann.« Ich blickte aus dem Fenster. Über dem Krankenhauskomplex leuchtete ein klarer blauer Himmel.
    Ich konnte die Kälte draußen nicht spüren, aber ich konnte sie sehen. Allein dieser Anblick bewirkte, dass mir die Luft in diesem verhassten Raum plötzlich unerträglich stickig erschien. »Noch etwas.«
    »Was?«, fragte Irene.
    »Ich muss hier raus. Und zwar schnell, sonst schaffe ich es nie mehr. Ich muss schleunigst wieder ein normales Leben führen. Ich schätze, ich kann nicht einfach aufstehen und diese geborgten Kleidungsstücke anziehen –
    obwohl, wenn ich es mir recht überlege, warum eigentlich nicht? Nein, ich werde mit Dr. Burns sprechen oder eine Nachricht bei seiner Sekretärin hinterlassen und ihn davon in Kenntnis setzen, dass ich morgen von hier

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