In stiller Wut: Kriminalroman (German Edition)
moon is in the Seventh House, and Jupiter aligns with Mars, then peace will guide the planets, and love will steer the stars«, zitierte Theo, »ist das nicht ein bisschen zu heidnisch für einen Erzbischof?«
»Make Love not War, ist die Botschaft des Musicals. Das ist eine urchristliche Botschaft – wenn auch die Kirche weniger den körperlichen Aspekt des Liebens im Auge hat.«
»Eine Hymne auf Liebe und Frieden«, ergänzte Theo.
»Daran kann doch nun wirklich keiner etwas auszusetzen haben.« Der Pfarrer zwinkerte ihm zu. »Zumindest hoffe ich das.«
Theo mochte den unkonventionellen Geistlichen. »Haben Sie noch einen Moment Zeit?«
»Soll ich Ihnen die Beichte abnehmen?«
Theo lachte. »Heute nicht.« Dann wurde er ernst. »Aber ich würde gern Ihre Meinung zu einer Geschichte hören.«
Sie setzten sich nebeneinander in eine der Kirchenbänke und Theo erzählte. Und während er berichtete, wurde das Gesicht des Pfarrers immer ernster.
»Der Wunsch nach Vergeltung ist im Menschen tief verwurzelt«, sagte er, nachdem Theo geendet hatte. »Das ist für Christen, für den Menschen überhaupt, eine der größten Herausforderungen: der Verzicht auf Rache.«
»Liebet eure Feinde.«
»… segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen«, ergänzte der Pfarrer. »Aber über eine solche Größe verfügen nur die wenigsten.« Er kreuzte die Arme und blickte zum Christus vor der Satellitenschüssel. »Grundsätzlich dient Rache der Bestrafung für ein zuvor geschehenes Unrecht. Sie soll also gewissermaßen die ›alte Ordnung‹ wiederherstellen. So befreit sie von einem tiefen Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit.«
»Und das funktioniert?«
»Bedingt. Meist hilft das nur kurzfristig. Langfristig hilft es nur, sich auszusöhnen. Nicht um des Übeltäters willen, wie die meisten die Bibel auslegen. Sondern für den eigenen Seelenfrieden. Hass und Bitterkeit sind eine schwere Bürde, die einem Herz und Gemüt verfinstern. Sich auszusöhnen mit Gott – oder mit dem eigenen Schicksal, wenn Ihnen das lieber ist, ist die einzige Möglichkeit, Frieden zu finden.«
Theo überdachte das einen Moment. Er dachte an den Tod seiner Frau und seines ungeborenen Kindes vor mehr als fünf Jahren. Damals war er voller Wut gewesen auf die Ungerechtigkeit des Schicksals. Wie hätte er wohl reagiert, wenn nicht ein Tumor, sondern ein betrunkener Autofahrer verantwortlich für den Tod seiner Liebsten gewesen wäre? Hätte er sich an dem gerächt? Aber wenn, dann doch eher kurz nach der Katastrophe und nicht erst Jahre später.
»Glauben Sie, dass tatsächlich jemand nach so vielen Jahren Rache übt?«
Der Pfarrer schwieg einen Moment. »Das kommt drauf an. Denken Sie an den Grafen von Monte Christo. Der hat auch über Jahrzehnte an seinem Racheplan geschmiedet. So wie Dumas die Geschichte schildert, hat der Gedanke an Rache ihn überhaupt erst dazu befähigt, zu überleben und schließlich die Flucht von seiner Kerkerinsel zu schaffen.«
»Der Graf war aber während seiner Gefangenschaft gar nicht in der Lage, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Darum hat er so lange gewartet.«
»Und dann hat er noch Jahre an seinen Plänen gefeilt.« Theo blickte den Pfarrer nachdenklich an.
»Dazu gehört allerdings eine übermenschliche Geduld. Viel wahrscheinlicher ist eine ganz andere Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Es hat vor Kurzem einen Auslöser gegeben, der die mörderische Reaktionskette angestoßen hat.«
Wenig später traten sie gemeinsam vor die schwere eiserne Kirchentür, die der Pfarrer sorgfältig hinter sich verschloss. Theo betrachtete das Umdrehen des Schlüssels mit Wehmut. »Früher standen die Kirchentüren immer offen«, sagte er und kam sich vor wie ein alter Mann.
»Stimmt. Die Zeiten ändern sich – auch in der Kirche.«
Nur einige Meter vom Portal entfernt zog sich ein breiter Graben entlang, der mit einem deichartigen Wall aus Pflastersteinen gesäumt war. Nachdem er sich vom Pfarrer verabschiedet hatte, stieg Theo hinauf und starrte in das grüne Strudeln des Wassers. Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und es hatte sich merklich abgekühlt. Er balancierte einige Schritte und hob den Blick, der auf sein altes Gymnasium fiel. Sogleich musste er an Nathalie denken. Er ging weiter und blieb vor dem Gebäudekomplex stehen. Anders als zu seiner Schulzeit waren die Wände der Pausenhalle, die direkt am Eingang des Geländes lag, rot verkleidet. Die davorstehende Skulptur aus
Weitere Kostenlose Bücher