In Todesangst
stimmt’s?«
»Nein«, sagte ich. »Du hast einfach Mist gebaut, das ist alles.«
»Ach ja? Wer Mist baut, ist doch ein Versager, oder?«
»Wer war der Typ, der dich nicht gehen lassen wollte?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Irgendein Wichser, der meinte, ich würde ihm einen blasen.«
Auf der Bridgeport Avenue bog ich in Richtung Krankenhaus ab.
»Ich weiß, wo Sie hinwollen«, sagte sie. »Aber da mach ich nicht mit. Und nach Hause brauchen Sie mich auch nicht zu fahren – da sehe ich lieber selbst zu, wo ich für die Nacht unterkommen kann.«
Das hielt ich für keine gute Idee. Einen angetrunkenen Teenager würde ich ganz bestimmt nicht allein durch die Nacht irren lassen. Also beschloss ich, in den sauren Apfel zu beißen, und nahm sie mit zu mir.
Ich parkte in der Einfahrt. Sie stieg aus, war aber ziemlich unsicher auf den Beinen, so dass sie sich an meinem Arm festhalten musste.
Wir waren gerade auf dem Weg zur Haustür, als Motorengeräusch an meine Ohren drang. Ich hörte, wie der Wagen langsamer wurde, und als ich mich umwandte, sah ich einen silberfarbenen Ford Focus. Ich musste nicht lange überlegen, um zu wissen, wer am Steuer saß.
Kate Wood.
Sie fuhr Schritttempo, also langsam genug, um zu erkennen, dass ich mit einem jungen Mädchen in Shorts vor meiner Haustür stand. Dann hörte ich, wie sie aufs Gas trat, und im selben Moment war sie meinem Blick auch schon wieder entschwunden.
»Auch das noch«, sagte ich.
»Was ist los?«, fragte Patty.
»Vergiss es. Darum kümmere ich mich später.«
Ich brachte sie nach oben ins Badezimmer und bat sie, sich auf den Wannenrand zu setzen. »Ich hole nur den Erste-Hilfe-Kasten«, sagte ich.
Als ich zurückkam, hockte sie immer noch dort. Sie hatte ihre Schuhe von den Füßen geschüttelt und sah mit den farbigen Strähnchen, die ihr ins Gesicht hingen, und dem aufgeschürften, blutigen Knie aus wie ein kleines Mädchen, das von seinem Fahrrad gefallen war.
Ihre Augen schimmerten feucht, als sie aufblickte.
»Alles okay?«, fragte ich.
»Ich muss dauernd an Syd denken«, sagte sie.
»Ich auch.«
»Andauernd«, sagte sie. Sie runzelte die Stirn. »Was haben Sie mit Ihrer Nase gemacht?«
»Ist bei einer Probefahrt passiert«, sagte ich.
»Ein Unfall?«
»Nicht direkt«, gab ich zurück. »So, jetzt kümmern wir uns erst mal um dein Knie.«
Ich drehte den Hahn auf, wartete, bis das Wasser lauwarm war, und machte mich daran, Pattys Knie zu säubern. Ich benetzte ein frisches weißes Handtuch, kniete mich hin und tupfte behutsam die Wunde ab. Im Nu war das Handtuch rot verfärbt.
Anschließend desinfizierte ich die Wunde und verband sie.
»Das haben Sie aber echt drauf«, sagte Patty.
»Das letzte Mal, dass ich ein Knie verarztet habe, ist schon eine Ewigkeit her«, sagte ich. »Damals war Syd mit ihren Rollerblades gestürzt.«
Patty schwieg einen Moment. Als ich fertig war, brachte ich nicht die Energie auf, mich zu erheben, sondern blieb einfach auf dem Boden sitzen und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand.
»Sie sind immer echt anständig zu mir gewesen«, sagte Patty.
»Warum hätte ich das nicht sein sollen?«, fragte ich.
»Weil ich nicht wie Sydney bin«, sagte sie. »Ich bin nicht das nette, wohlerzogene Mädchen von nebenan.«
»Patty.«
»Ich bin eine Schlampe. Ich mache lauter Dinge, die man nicht tun sollte.«
»Mag sein«, sagte ich. »Aber deshalb bist du noch lange keine Schlampe.«
»Womit wir wieder beim Mist bauen wären«, konterte sie.
»Wenn du dich mir gegenüber in ein schlechtes Licht rücken willst, nur zu«, sagte ich. »Aber es ändert nichts daran, wie ich wirklich über dich denke. Du hast deinen eigenen Kopf, Patty, und daran ist absolut nichts Schlimmes. Aber du hast nicht mehr ewig Zeit, die Kurve zu kriegen. Wenn du so weitermachst, kommst du über kurz oder lang unweigerlich unter die Räder.«
Sie schien zu überlegen. »Ich weiß genau, dass Sie auf mich herabsehen«, sagte sie. »Aber wenigstens geben Sie mir nicht das Gefühl, wertlos zu sein.«
»Du bist nicht wertlos, Patty.«
»Manchmal fühle ich mich aber so.« Sie senkte den Blick. »Was machen Sie, wenn Sydney nicht wieder zurückkommt?«
»Darüber denke ich nicht mal im Traum nach«, erwiderte ich. »Ab morgen gibt es für mich nur noch eins – die Suche nach meiner Tochter, rund um die Uhr.«
»Und Ihr Job?«, fragte sie.
»Autos kann ich auch später noch verkaufen«, sagte ich. »Ich will einfach keine
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