In tödlicher Gefahr
letzte Nacht heimkamen, war Ian also nicht da.“
„Das ist richtig.“
„Fanden Sie das nicht ungewöhnlich?“
„Nein. Ian hasste es, eingesperrt zu sein. Davon hatte er im Gefängnis genug. Er ging gerne aus und trank ein paar Bier. Aber er ist nie über Nacht weggeblieben. Als ich heute Morgen wach wurde und sah, dass er immer noch nicht da war, dachte ich, er sei auf Sauftour. Deshalb war ich ein bisschen kurz angebunden vorhin.“ Sie schniefte ins Taschentuch. „Tut mir Leid.“
„Schon gut.“ John legte das Notizbuch auf die Kommode. „Gab es keine Anzeichen eines Kampfes im Zimmer?“
„Nein, obwohl …“ Sie hielt inne.
„Was?“
„Im Bad.“ Ihr Blick schweifte in die Richtung. „Ich hatte mein Nachthemd zum Trocknen an die Duschstange gehängt. Als ich nach Hause kam, lag es auf dem Boden und der Bügel war weg.“
Das erklärte die Garrotte, die Dave neben der Leiche gefunden hatte. Sie war offenbar aus einem Drahtbügel gebogen worden. Möglich, dass McGregor sie als Waffe benutzen wollte, aber gegen wen?
John deutete auf den Abfalleimer mit dem Pizzakarton. „War das Ihr Abendessen oder seines?“
„Seins. Ich esse im Diner.“
Mit einem Papiertaschentuch zog er den Karton aus dem Abfall und notierte sich Namen und Telefonnummer der Pizzeria. „Ziemlich groß für eine Person“, bemerkte er. „Aß Ian gewöhnlich eine ganze Pizza?“
Rose runzelte die Stirn. „Himmel, nein. Drei Stücke höchstens.“ Ängstlich riss sie die Augen auf. „Oh mein Gott! Sie glauben, es war jemand hier bei ihm? Der Killer?“
„Das werden wir bald wissen.“ Er zog sein Handy heraus und wählte die Nummer von Max Castelano, dem Techniker der Spurensicherung, mit dem er am See gesprochen hatte. „Sind Sie da fertig?“ fragte er, sobald Max sich meldete.
„So gut wie. Warum?“
„Ich brauche Sie und die anderen Techniker hier im Clearwater Motel, Zimmer 11. Fingerabdrücke nehmen.“
„Bin in fünf Minuten da.“
„Danke, Max.“ Er klappte das Handy zu und bemerkte, dass Rose ihn beobachtete. „Stimmt was nicht?“
„Mein Handy“, begann sie und sah ihm in die Augen. „Ian hat mein Handy benutzt. Haben Sie es gefunden?“
John nahm sein Notizbuch wieder zur Hand. „Nein.“ Er begann zu schreiben. „Wissen Sie die Nummer?“
Rose wusste sie auswendig. Er schrieb sie auf und klappte das Notizbuch zu. „Ich überprüfe das. Und ich schicke Ihnen jemanden, der Sie um zwei abholt.“
„Danke.“
Die beiden Techniker kamen wenige Minuten später, und John ging ihnen rasch aus dem Weg. Als er wieder im Wagen war, sah er auf seine Uhr. Es war fast Mittag, und er hatte seit dem Burger gestern Nachmittag um drei nichts mehr gegessen. Kein Wunder, dass ihm beim Anblick des Pizzakartons im Abfall das Wasser im Munde zusammengelaufen war. Gewöhnlich begnügte er sich mit Fast Food, das er an seinem Schreibtisch verzehrte. Heute nicht. Heute wollte er sich etwas Besonderes genehmigen. Und da er ein liebenswerter Mensch war, würde er Tina mitnehmen.
18. KAPITEL
A bbie war ein nervliches Wrack. Und sah auch so aus, wie sie nach einem Blick in den Spiegel im Wirtschaftsraum des Campagne feststellte. Kein Wunder. Die ganze Nacht hatte sie sich schlaflos im Bett von einer Seite auf die andere gewälzt, wohl hundert Mal die Ereignisse des vergangenen Abends überdacht und bedauert, dass sie zum See gefahren war.
Gegen Morgen hatte sie, krank vor Sorge, den örtlichen Nachrichtensender eingeschaltet. Doch es hatte keinen Bericht über einen Mann gegeben, der am Carnegie See getötet oder verletzt worden war.
Und keine Nachrichten von Ian.
Claudia hatte bereits zwei Mal angerufen – einmal zu Hause, wo sie eine Mitteilung hinterließ, und einmal im Restaurant. Vermutlich saß sie auf heißen Kohlen, um zu erfahren, wie die Übergabe der achtundvierzigtausend Dollar gelaufen war. Leider war Abbie im Moment nicht in der Verfassung, mit jemandem zu reden, nicht mal mit Brady, der ihre Stimmung gespürt haben musste und sie in Ruhe ließ.
Sie hatte sich beschäftigt, sich auf die vielen Aufgaben im Restaurant konzentriert und ihr Personal beaufsichtigt, um sich abzulenken. Allerdings erwog sie, heute auf die tägliche Runde im Gastraum zu verzichten, damit niemand ihren Zustand bemerkte. Andererseits wurde die persönliche Begrüßung ihrer Gäste im Speisesaal allgemein geschätzt und freudig erwartet. Ihnen das vorzuenthalten wäre nicht fair. Außerdem würde ihr die Ablenkung
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