In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Doktor d’Assas steigen sehen, beide seien unterwegs nach Frontignan, um dort zu trinken
sicut terra sine acqua
1 .
»Sapperment!« rief Merdanson und sprang auf das Podium,»die Schule ist unser! Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch! Sapperment, meine Herren Novizen, Apotheker und Chirurgen, jetzt kriegt ihr eure Abreibung!«
»Was!« rief einer der Chirurgenlehrlinge mit Namen Carajac, der von so breiten Schultern war, daß er nicht Gott und nicht den Teufel zu fürchten brauchte, »wollt Ihr Euch auch die Chirurgen und die Apotheker vornehmen, obwohl sie gar nicht Schüler Eurer Schule sind?«
»Kinder, habt ihr den Scheißer gehört?« rief Merdanson. »Kaum hat Fötus Bazin den Lumpenwicht Ambroise Paré ins
ordo lecturarum
aufgenommen, meinen diese Bartscherer, sie wären keine Hosenpisser mehr. Ein Haufen Scheiße sind sie, tun aber ihr beschissenes Maul auf und wagen es, den Altschülern Fragen zu stellen!«
Da entstand lautes Murren unter den Chirurgen, die wütend waren, daß sie Barbiere genannt wurden und ihr verehrter Meister solche Schmähung erfuhr. Carajac sagte:
»Monsieur, Ihr habt meine Frage nicht beantwortet.«
»Die Antwort sollt Ihr haben!« rief Merdanson, hinter dem sich auf dem Podium die Altschüler geschart hatten. »Die Antwort lautet: Als Schülerabt, dem Brauche gemäß von meinesgleichen gewählt und mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet, will ich weder die Barbiere noch die Pillendreher von der Initiation ausnehmen. Und du, jämmerlicher kleiner Scheißer, bist für mich Kacke, nichts als Kacke!«
Ich hielt den Augenblick für gekommen, mich einzumischen, trat vor und sagte mit lauter Stimme:
»Merdanson, auch wenn Ihr Schüler im zweiten Jahr seid, will mir doch scheinen, daß Eure Kenntnisse in Anatomie gering sind. Von Euren Lippen höre ich so viel Dreck und Kot und Kacke quellen, daß ich vermeine, Ihr verwechselt den Mund mit dem Anus.«
Die Altschüler auf dem Podium liefen zornrot an ob solcher Schmähung ihres Abtes. Merdanson in seinem Grimm brachte kein Wort hervor, aber Gast (der tonnenrunde Schüler) sprang in die Bresche.
»Freunde!« rief er. »Darf dieser Erdenwurm unseren Abt so beleidigen? Verdammt, das verlangt eine Strafe von bleibendem Angedenken. Laßt uns dem Rhazes Siorac die Hosen ausziehen und ihm den Pimmel rot anmalen.«
»Ich beiß ihm die Eier ab«, schrie Rancurel, »und brutzle sie in Zwiebeln oder leg sie in Essig!«
»Gut gesagt!« rief Gast. »Ich esse mit!«
Diese Zote machte den Altschülern Mut, tuschelnd setzten sie sich ins Einvernehmen, wie sie mich am besten schnappen könnten, doch da trat unverhofft mein lieber Samson vor und sprach mit charmantem Lispeln:
»Was höre ich da, Monsieur? Ihr wollt meinen Bruder entmannen? Wenn Ihr das ernst meint, sage ich Euch den Kampf an.«
»Wo kommt denn dieser alberne Bengel her?« rief Merdanson. »Wer ist das?«
»Monsieur«, sprach Samson, »ich bin Samson de Siorac, bin Apothekenschüler und mitnichten ein Dümmling zu schelten, wenn ich diese Initiation ablehne, die Kanzler Saporta verboten hat.«
Sein Protest blieb nicht ohne Wirkung.
»Bravo, mein Samson!« rief ich, den Ball im Fluge aufnehmend. »Die Apotheker werden als Krämer verunglimpft, die Chirurgen als Barbiere. Und den Novizen droht schlimme Prügel. Wollt ihr den Hochmut dieser Tyrannen feige dulden? Oder wollen wir, alle geeint, der drohenden Schmach widerstehen?«
Doch die Novizen, die immerhin Scholaren waren, wollten mit den Apothekern und Chirurgen, die keine waren, nicht gemeinsame Sache gegen die Altschüler machen und hatten auch zuviel Respekt vor den Alten. So verfehlte meine Rede ausgerechnet bei jenen, zu deren Verteidigung sie gedacht war, die Wirkung. Am Schweigen der einen und am Gejohle der anderen ermaß ich, wie isoliert ich war.
»Nur Mut, Moussu!« hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. »Zu Lendrevie haben wir noch ganz anderes erlebt.« Ich wandte mich um.
»Miroul, was treibst du hier?« fragte ich leise. »Rette dich fort von hier.«
»O nein!« entgegnete er. »Euer Herr Vater hat mir befohlen, in der Gefahr an Eurer Seite zu sein. Und da ich Euer Temperament kenne, meinte ich, Sankt Lukas könnte ein Tag der Gefahr sein.«
»Das war richtig gedacht, Miroul. Bleib. Gegen fünfzehn kernige Burschen sind wir drei nicht zu viele.«
»Wir vier«, sagte Carajac, der Chirurgenlehrling. »Ich will diese Tyrannei nicht dulden.«
»Danke, Carajac«, sagte ich,
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