In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Kämpen, deren Gesichter schon jenes Rot annahmen, das den Hinterteilen drohte.
»Doch abgesehen davon, daß ich dem Herrn Pedell nicht zu viel Arbeit aufbürden möchte …«
»Gutes Tun kennt kein Ruhn!« rief Figairasse dazwischen und ließ die Rute pfeifen.
»Herr Pedell, tut den Mund gefälligst erst auf, wenn ich Euch das Wort erteile«, sagte Saporta trocken.
»Entschuldigt, Herr Kanzler, zu Euern Diensten«, sagte Figairasse unterwürfig, dabei er uns hochmütig musterte, um uns zu bedeuten, an wem er sich für diesen Rüffel zu rächen gedächte.
»Doch an diesem ersten Tag meiner Kanzlerschaft möchte ich Euch meine Milde beweisen«, fuhr Saporta fort, und Doktor d’Assas verdrückte ein Grinsen, als wüßte er, was die Elle dieser Sanftmut war. »Anstatt alle Raufhähne zu züchtigen, will ich nur die Rädelsführer bestrafen. Mögen sie sich melden, obwohl ich sie bereits kenne.«
Mir war da wenig Wahl gelassen.
»Herr Kanzler, ich habe die eine Truppe angeführt«, sagte ich unverzüglich.
»Herr Kanzler, ich die andere«, sagte Merdanson.
»Das sind sie also, die braven Hauptmänner!« sagte Saporta. »Und wer von beiden hat den Tumult angestiftet?«
»Ich habe die Alten beleidigt«, sagte ich.
»Ich habe die Novizen gedemütigt«, sagte Merdanson.
»Ihr habt noch Schlimmeres getan, Merdanson!« schrie der Kanzler mit Donnerstimme. »Ihr wolltet die von mir verbotene Initiation wieder einführen!«
Merdanson wurde kreidebleich, er nickte nur, ohne ein Wort hervorzubringen; wie er mir später gestand, fürchtete er, relegiert zu werden, dabei liebte er die Medizin leidenschaftlich, wie ungehobelt er auch scheinen mochte.
»Herr Kanzler, darf ich sprechen?« fragte ich, weil ich spürte, daß die Sache für Merdanson schlimm ausgehen könnte, und bereit war, mich mit ihm zu versöhnen.
»Ihr dürft, Siorac.«
»Ich gestehe, ich habe das Geplänkel mit derben, verletzendenWorten vergiftet: ich habe Merdanson vorgehalten, er verwechsle seinen Mund mit dem Anus.«
Hier nun geschah Merkwürdiges: Kanzler Saporta lächelte. War es aufrichtig oder Berechnung? Aber wie um die sich abzeichnende Windstille zu befördern, lächelten flugs auch d’As sas und Fogacer.
»Siorac«, sagte der Kanzler mit einem gutmütigen Grollen, das mir neu an ihm war, »das ist fürwahr eine höchst verdammenswürdige Zote, und ich will sie Merdanson in seinem Sündenregister mildernd anrechnen. Mildernd ist auch der Umstand, daß Merdanson zwar die Absicht hatte, die Initiation wieder einzuführen, es indes nicht getan hat.«
Als Merdanson diese Worte vernahm, die in ihrer Form so scholastisch gedrechselt waren wie im Sinn klug und gnädig, stieß er einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
»Gleichwohl kann Merdanson nicht bestreiten, daß er den Tumult provoziert hat«, sagte Saporta, jäh wieder unbarmherzig streng.
»Herr Kanzler, das bestreite ich nicht«, sagte Merdanson, und es hatte sehr den Anflug von Dankbarkeit.
»So verkünde ich denn folgendes Urteil«, sprach Kanzler Saporta, sein Doktorbarett lüpfend, darin d’Assas und Fogacer ihn sogleich nachahmten. »Merdanson empfängt von Hand des Herrn Figairasse zehn Rutenstreiche. Denen ich, weil er die Händel angestiftet hat, zehn weitere Streiche hinzufüge. Siorac faßt ebenfalls zehn Rutenstreiche und weitere zehn, weil er mein Sohn ist.«
Ha! dachte ich, die zehn väterlichen werden mich nicht weniger schmerzen!
»Merdanson, nehmt Ihr das Urteil an?« fragte der Kanzler.
»Ja, Herr Kanzler.«
»Siorac, nehmt Ihr das Urteil an?«
»Ja, mein Herr Vater«, sagte ich, obwohl ich fand, daß der Sohn des Vaters Streben nach ausgeglichener Strafzumessung ein bißchen hart büßen mußte.
»Die Abstrafung erfolgt auf der Stelle, vor den Augen der Schüler und in Gegenwart von Doktor d’Assas und Bakkalaureus Fogacer«, verkündete Saporta.
In der nachfolgenden Stille dann meldete sich jäh mein geliebter Samson zu Wort.
»Herr Kanzler, darf ich reden?« fragte er mit seiner sanften Lispelstimme.
»Wer seid Ihr?« fragte Saporta, der dies sehr wohl wußte, aber beeindruckt schien von der Erscheinung meines Bruders.
»Herr Kanzler, mein Name ist Samson de Siorac, ich bin Apothekenschüler.«
»Was! Apothekenschüler seid Ihr und begehrt das Wort in dieser Versammlung?«
»In aller Bescheidenheit«, sagte Samson und machte einen so vorteilhaften Eindruck, daß Saporta ihm nicht zürnen konnte.
»Wohlan, so redet!«
»Herr Kanzler, ich
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