In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
fürstliche Stadtpalais finden, weil hier viele reiche Adelsfamilien und betuchte Bürger leben.«
Ich war in der Tat beeindruckt von der monumentalen steinernen Treppe, die hinauf in die Gemächer von Monsieur de Joyeuse führte, desgleichen von der Fülle an Teppichen, Tapetenbehängen und kostbaren Möbeln. Ich folgte Cossolat durch zwei reich geschmückte Säle und blieb dann hinter ihm auf der Schwelle zu einem dritten Saal stehen, der noch prachtvoller war, erhellt von drei großen Fenstern, durch die das Sonnenlicht fiel.
Der Vicomte de Joyeuse nahm gerade einen Morgenimbiß zu sich, und da wir seitlich von ihm standen, gewahrte er uns nicht oder wollte uns nicht sehen. Cossolat bedeutete mir, keinen Mucks zu tun, und ich hatte gute Muße, mir des Königs Statthalter anzuschauen.
Er war wahrlich ein Edelmann von imponierendem Gepräge, trug ein Brokatwams und eine reich verzierte breite Krause. Er saß in einem Sessel mit hoher Rückenlehne an der Stirnseite eines großen Tischs aus poliertem Nußholz. Zu seiner Rechten stand ein Knabe, sehr hübsch und zweifelsohne sein Sohn, denn gar verblüffend war die Ähnlichkeit zwischen beiden: die gleichen himmelblauen Augen, das Haar vom gleichen Blond, lang und gebogen beider Nase, die ihr schönes Antlitz nicht entstellte.
Von dem mit Speisen beladenen Tisch wehte ein köstlicher Duft herbei, um so verlockender für mich, als ich die Apotheke nüchternen Magens verlassen hatte, ohne meine bescheidene Morgensuppe. Ich zählte nicht weniger als elf silberne Schüsseln, davon Monsieur de Joyeuse nach seinem Belieben die Deckel hob, um mal hier zu naschen, mal da, und jeden Happen begleitete er mit einem Schluck Wein.
Alles das tat er mit höchster Anmut, die mich verzückte, wie sehr mir auch das Wasser im Munde zusammenlief. Neben seinem Gedeck aus feuervergoldetem Silber lag eine kleine Gabel mit goldenem Stiel; der Bruder Karls IX., so hieß es, hatte dieses neue Raffinement bei Hofe eingeführt. Doch benutzte der Vicomte die Gabel noch nicht in gleicher Weise wie der Herzog von Orleans 1 , um die Fleischstücke aus den Schüsseln zu heben. Er nahm sie noch nach alter Manier mit Daumen und Zeigefinger auf, so wie Barberine es mich gelehrt, und legte sie auf seinen Teller; nur wenn sie ihm zu groß schienen, griff er die kleine Gabel, spießte hinein und schnitt mit dem Messer kleinere Stücke, welche er dann wieder zwischen die Finger nahm, nicht ohne bald die Hände, bald den Mund an zwei reich bestickten Servietten abzuwischen, die ihm ein prächtig gekleideter Lakai zu seiner Linken entgegenhielt.
Der Knabe zur Rechten mochte fünf Jahre alt sein, wirkte munter und schalkhaft fröhlich, war von Kopf bis Fuß in blaue Seide gekleidet, trug indes keine Halskrause, sondern einen flächigen Kragen. Er betrachtete bald liebevoll seinen Vater, bald den Teller, auf den Monsieur de Joyeuse seine Happen legte. Und sagte ihm ein Bissen zu, wies er darauf mit seinem kleinen rosigen Finger.
»Darf ich, mein Herr Vater?« fragte er mit heller Stimme, melodiös wie Vogelzwitschern.
Hierauf Monsieur de Joyeuse antwortete:
»Ihr dürft, Anne.«
Anne de Joyeuse nahm, so hübsch artig wie der Vater, den begehrten Happen auf und führte ihn zum Mund. O gewiß, wir waren hier meilenfern den flegelhaften Manieren eines Caudebec, der sich bei Tisch wie die Sau in der Suhle betrug.
»Wo Cossolat nur bleibt?« fragte Monsieur de Joyeuse und blickte ungeduldig zu dem Lakaien. »Ist er noch nicht zurück?«
»Hier bin ich, Herr Baron«, rief Cossolat, ohne sich von der Schwelle zu rühren. »Monsieur de Siorac steht bei mir, wir mochten Euch nicht stören.«
»Herein! Herein, mein lieber Cossolat. Nicht so förmlich!« sagte Joyeuse, der gleichwohl ein Mann zeremoniellen Gebarens zu sein schien. »Monsieur de Siorac, wollet bitte entschuldigen, daß ich mich nicht erhebe«, wandte er sich an mich mit einem kleinen Kopfnicken, das sehr genau meinem Rang entsprach.
Hierauf ich vortrat und mit der tiefen Verbeugung antwortete, die ich dem Statthalter des Königs schuldete. Dann richtete ich mich auf und grüßte mit einem liebevollen Blick den kleinen Anne de Joyeuse, der mir so trefflich gefiel. Er erwiderte den Gruß mit einer Gemessenheit, die jäh in das hübscheste Lächeln der Welt umschlug.
»Monsieur de Siorac, es scheint, mein Sohn mag Euch«,sagte Monsieur de Joyeuse, »und da will auch ich Euch mögen, denn obzwar erst fünf Jahre alt, hat er ein sehr gutes Urteil,
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