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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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heiklen Punkt in der Medizin befragen können, habt es aber vorgezogen, mich selbst näher kennenzulernen.«
    Da errötete ich und blieb stumm, war im Zweifel, ob dies Lob oder Tadel bedeutete.
    »Fogacer, steigt bitte auf diesen Schemel da und holt vom Regal zu Eurer Rechten das
Dritte Buch
des François Rabelais, den ich, mein lieber Siorac, in der Tat sehr gut kannte, denn in meinen jungen Jahren stand ich zu ihm im selben Verhältnis wie Fogacer zu Euch. Ich war Bakkalaureus und Prokurator der Studenten, als sich Rabelais, im zweiundvierzigsten Lebensjahr, in unserer Collège Royal einschrieb. Und obwohl ich zwei Jahrzehnte jünger, waren wir Gefährten beim Schlemmen, beim Zechen, in den gelehrten Disputationen und bei den Vergnügungen in der Taverne
Zum goldenen Kreuz.
Mehr Witz und Frohsinn habe ich bei keinem anderen Menschen je erlebt, zu Recht darf ich ihn ob seiner Liebe zu den Menschen göttlich nennen.«
    »Herr und Meister, hier ist der Rabelais«, sagte Fogacer. Rondelet nahm das Buch auf die Knie, und es klappte wie von selbst an jener Stelle auf, die sein Besitzer in den letzten zwanzig Jahren so oft gelesen hatte.
    »Siorac«, fuhr der Kanzler fort, »Ihr erinnert Euch gewiß, daß Panurge sich in der Runde erkundigt, ob er, falls er heiratete , Hahnrei würde. Worüber nach einer gelehrten Disputation Rondibilis zu dem Urteil gelangt: ja, dies sei gemeiniglich das Schicksal dessen, der sich ein Weib erwählt. Hier der Schluß des Kapitels, den ich Euch vorlese:
Da trat Panurge an Rondibilis heran und ließ wortlos vier Rosennobel
1
in seine Hand gleiten. Rondibilis steckte sie ein und sagte dann beinahe unwillig. ›Ei, ei, Herr, das wäre nicht nötig gewesen. Nichtsdestoweniger schönen Dank! Von schlechten Leuten nehm ich nie was, schlag aber braven Leuten nie was aus. Immer zu Diensten!‹ – ›Gegen Bezahlung‹, sagte Panurge. – ›Natürlich‹, sagte Rondibilis
.
«
    Hierauf Rondelet das Dritte Buch zuklappte, es mit beidenHänden gegen den Wanst legte, mich mit einem kleinen Schalk in den Augen anschaute und etwas spöttisch fragte:
    »Nun, Siorac, was sagt Ihr dazu? Bin ich dieser Rondibilis?«
    Da war ich für den Augenblick arg verlegen, ich konnte nicht nein sagen und wollte nicht ja sagen, ich wünschte mich tausend Meilen weit fort von diesem Fleck. Als »flinker Mensch« brauchte ich freilich nicht lange zu überlegen. Ehe einer bis fünf gezählt, hatte ich den Degen aus der Scheide:
    »Aber Monsieur, was ist das für eine Schummelei! Ihr vertauscht die Würfel! Auf meine Frage antwortet Ihr mit einer Frage!«
    »Getroffen!« rief Rondelet. »Verflixt, Fogacer, der Grünschnabel ficht gut! Habt Ihr gemerkt, wie er meine Klinge parierte und mit seiner zugeschlagen hat?« Und lachend fuhr er fort: »Da Ihr diese Partie gewonnen habt, mein lieber Siorac, will ich Euch auf Eure Frage gute franke Antwort geben: dieser Rondibilis mit den vier Goldstücken bin nicht ich, sondern irgendein scheinheiliger Knicker von Arzt – es gibt deren viele –, der nur dem Gold hinterher ist, aber so tut, als schmähte er es. Ich bin anders, und um mich treffender zu zeichnen, müßten die Worte, die Rabelais dem Rondibilis in den Mund legt, in etwa lauten: ›Von armen Leuten nehm ich nie was, schlag aber den Betuchten nie was aus.‹ Hab ich recht, Fogacer?«
    »Recht habt Ihr, Herr und Meister«, sagte Fogacer bewegt, »Ihr behandelt den Armen und den Mann aus dem Volke kostenlos, seid darin allen Männern unserer Kunst ein Vorbild.«
    Ich errötete schamvoll, daß ich das Gegenteil vermutet, und war Meister Rabelais ein klein bißchen gram, daß er seinen Studienkameraden so leichtfertig eingeschwärzt hatte.
    »Aber hier eine andere Passage des göttlichen Rabelais«, sprach der Kanzler und schlug das
Dritte Buch
noch einmal auf. »Eine Passage, wo der Meister dem Rondibilis in den Mund legt, was ich jetzt vorlese. Es geht um die Frauen und um ihre physische Beschaffenheit:
Denn die Natur hat ihnen an einer verborgenen inwendigen Stelle ein Tier eingesetzt, das sich beim Manne nicht findet und das gewisse salzige, salpetrige, boraxsaure, scharfe, beizende, juckende Säfte ausscheidet, durch deren Anstachelung … ihr ganzer Körper erschüttert, ihr Sinn verwirrt, ihr Gefühl gespannt und ihre Denkkraft gelähmt wird. So daß, wenn nicht die Natur ihre Stirn mit etwas Scham
benetzt hätte, Ihr sie würdet gierig jedem Senkel nachlaufen sehen

«
    »Ah, unser Herr und Meister!« rief

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