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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Geld aus den Rippen geleiert und niemals einen Cent zurückgezahlt. Und das Haus in der Kalkenbrenner Straße, das sie dir letztes Jahr überschrieben haben, weil damit ja angeblich all deine Probleme für immer gelöst wären, hast du direkt hinter ihrem Rücken verkauft.«
    »Das war eine Notfallmaßnahme«, sagte Onkel Thomas. »Außerdem – was soll’s? Sie haben genug Häuser! Kein Grund, gleich so überzureagieren.« Er strich sich das Kinn. »Brüderchen! Bitte. Auf dich hören sie. Sag ihnen, dass ich nur noch dieses eine Mal was brauche.«
    »Das werde ich nicht tun«, sagte Karl grimmig.
    »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Leo anzurufen, um ihm zu sagen, dass du seine kleine Freundin flachgelegt hast«, sagte Onkel Thomas, und seine Stimme klang ein wenig ölig. »Und ich denke, Mami und Papi kann ich auch gleich anrufen – sie hören immer so gern Neuigkeiten von ihrem großen Liebling.«
    »Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte Karl, nahm meinen Arm und zog mich an Onkel Thomas vorbei. Ich widerstand der Versuchung, mich loszureißen und Onkel Thomas mein Sparbuch anzubieten, wenn er bittebitte nur nicht bei Leo anriefe. Aber erstens waren auf meinem Sparbuch nur knapp dreihundertfünfzig Euro, und zweitens wäre die Sache damit wohl nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.
    Jetzt konnte ich nur hoffen, dass ich längst über alle Berge und in Madrid war, wenn Leo diesen Anruf bekam. Oder ich musste Onkel Thomas zuvorkommen. Die letzte Option wäre wohl die vernünftige gewesen, ja, vermutlich auch die einzig moralisch vertretbare. Aber ich gebe zu, dass ich zu feige war, darüber auch nur nachzudenken.
    Karl und ich trennten uns für ein paar Stunden, ich, um meine Sachen zu packen und meine Familie über meine spontanen Reisepläne zu informieren, er, um einen Flug für mich zu buchen. Um Punkt sechzehn Uhr wollten wir uns auf dem Köln-Bonner Flughafen treffen.
    Während ich allen möglichen Kram in meinen Koffer warf, log ich am Telefon, was das Zeug hielt. Meinen Eltern sagteich, Leo habe mit mir Schluss gemacht, und nun sei ich so am Boden zerstört, dass ich die juristische Fakultät nicht mehr betreten könne, ohne in Tränen auszubrechen. Daher würde ich für ein paar Wochen mit einer Freundin nach Madrid fliegen, bis es mir wieder besser ginge.
    Meine Mutter war noch leicht an der Nase herumzuführen, wahrscheinlich war sie auch ein wenig abgelenkt durch die Geburt des Enkelchens. Sie hatte Verständnis für meinen Wunsch nach Abstand und nannte Leo »einen herzlosen Dummkopf«, weil er »ein tolles Mädchen wie dich aufgibt«, wollte aber wissen, wer »diese Karla« denn sei. Ja, ich weiß, Karla war nicht der einfallsreichste Name, aber der einzige, der mir spontan eingefallen war. Karla Müller. Karla war ein Ausbund an Tugenden, aber auch sie hatte gerade fürchterlichen Liebeskummer und beschlossen, eine Studienpause einzulegen. Sie hatte keine Piercings, ging grundsätzlich nie in Diskotheken und Nachtclubs und sprach fließend Spanisch. Das Beste war, ihre Tante hatte eine Wohnung in Madrid, in der wir umsonst wohnen konnten, und die Tante würde auch ein Auge auf uns haben und uns die Stadt zeigen. Meine Mutter fand, das hörte sich doch alles ganz vernünftig an. Mein Vater rief aus dem Hintergrund, er würde mir Feriengeld aufs Konto überweisen, und ich solle den Kopf oben behalten, der Richtige würde schon irgendwann auftauchen, und wenn ich wollte, würde er sich diesen Leo mal vorknöpfen.
    »Das ist nicht nötig«, sagte ich. Mein Vater hatte sich seinerzeit auch Oliver Henselmeier »vorgeknöpft«. Er hatte ihn durch die runden Gläser seiner Brille freundlich angeschaut und gesagt: »Junger Mann, das ist aber wirklich nicht die feine Art.« Boah! Wahrscheinlich hatte Oliver da heute immer noch Albträume deswegen.
    Es klingelte.
    »Mama, ich muss Schluss machen, das ist meine Zimmernachbarin, bei ihr gebe ich die Topfpflanzen in Pflege. Ich melde mich dann direkt, wenn ich gelandet bin.«
    »Wir haben dich lieb, mein Schatz«, sagte meine Mutter. »Und denk immer dran: Das ist nicht das Ende der Welt. Es werden noch viele Männer folgen.«
    »Einer reicht ja«, rief mein Vater aus dem Hintergrund.
    »Das meinte ich«, sagte meine Mutter.
    Ich öffnete die Tür. Statt meiner Zimmernachbarin stand Leo im Flur. Reflexartig hätte ich ihm gern die Tür wieder vor der Nase zugeworfen, stattdessen starrte ich ihn nur entsetzt an und machte gar nichts.
    »Hi«,

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