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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sagte Leo, schlenderte in das Zimmer und gab mir einen Kuss auf die Wange. Auf der anderen Wange klebte noch das Telefon, das ich kraftlos gegen meine Schläfen hielt.
    »Bis heute Abend, Mäuschen«, sagte meine Mutter und legte auf.
    Leo sah ausgeschlafen aus, seine blauen Augen strahlten hellwach unter den blonden Locken hervor, und jetzt lächelte er mich sogar an. »Du siehst total elend aus«, sagte er. »Es tut mir echt leid.«
    Ich öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Immerhin schaffte ich es, das Telefon mit zitternder Hand in die Station zurückzulegen. Nein, Onkel Thomas, das Arschloch, konnte noch nicht bei Leo angerufen haben, sonst wäre er nicht so … gelassen. Um nicht zu sagen, blendend gelaunt. Ausgeschlossen, dass er sich so gut verstellen konnte.
    »Ich kann echt manchmal ziemlich gefühllos sein«, sagte er.
    Ich schluckte.
    Leo streichelte über meine Wange. »Es tut mir leid, wie das gestern Abend gelaufen ist. Und es tut mir doppelt leid, wennich dich jetzt sehe, du hast wahrscheinlich die ganze Nacht kein Auge zugetan.«
    Das war richtig.
    Leos Blick fiel auf den geöffneten Koffer auf dem Bett und das Klamotten- und Bücherchaos rundherum. »Das sieht so aus, als hättest du vor, länger bei deinen Eltern zu bleiben. Ach Mensch, Carolin, das wollte ich doch gar nicht.«
    Mir kam ein furchtbarer Gedanke. »Aber du hast gestern Abend doch mit mir Schluss gemacht?«
    »Na ja«, sagte Leo und rieb sich verlegen die Nase. »Ich habe gesagt, dass ich ein bisschen Abstand brauche – das ist nicht dasselbe.«
    »Ist es wohl.«
    Leo seufzte. »Das ist wieder mal typisch Mädchen. Ihr habt für alles euren Code. Jedenfalls bin ich hier, um dir zu sagen, dass es mir leidtut.«
    »Heißt das, du willst jetzt doch … – keine Auszeit?«, fragte ich. Mein Herz klopfte so laut, dass ich dachte, Leo müsse es hören.
    »Doch, schon«, sagte Leo.
    Ich atmete hörbar auf.
    »Das heißt, gestern Abend wollte ich das. Aber ich … Mensch, es tut mir einfach so leid, dass ich dir wehgetan habe, und ich weiß doch, wie du dich fühlen musst, weil ich dein allererster Freund bin und so weiter … Ich bin sonst nie so – gefühllos, wirklich nicht.«
    »Ist schon okay«, sagte ich. »Du hattest ja Recht. Wir … brauchen Abstand und eine Auszeit.«
    »Na ja«, sagte Leo. »Wenn es dir wirklich nichts ausmacht …«
    Was meinte er, um Himmels willen? »Also – wir haben Schluss miteinander gemacht, das ist doch richtig, oder?«
    »Na ja«, sagte Leo wieder. »Ich nehme an, in eurem komischen Mädchencode, schon irgendwie. Wenn auch nicht endgültig.«
    Komischer Mädchencode? Wohl kaum. »Und warum bist du dann hier, und wir führen dieses seltsame Gespräch miteinander?«
    »Ich wollte nur sichergehen, dass du nichts … Unüberlegtes tust.«
    »Was meinst du? Dass ich mich von der Brücke stürzen könnte?«
    Leo zuckte mit den Achseln. »Du bist schon ein bisschen labil, denke ich. Das weißt du auch. Da ist diese Sache mit dem Zählen und dem notorischen Lügen und so. Und ich will, dass du weißt, dass ich wirklich viel für dich empfinde.« Er machte eine kleine Pause. »Auch Verantwortung.«
    Okay. Wenn ich nicht zufällig heute Nacht mit seinem Vater geschlafen hätte, würde ich ihm jetzt sagen, dass er ein Arschloch sei. »Wolltest du nicht lernen und deine Schwestern nach Hause bringen?«
    »Ja, das mache ich auch gleich. Aber vorher wollte ich mich vergewissern, dass mit dir alles in Ordnung ist.« Er lächelte mich schief an. »Also, die Tage bei deinen Eltern werden dir bestimmt guttun. Und du kannst mich jederzeit anrufen, wenn was ist, ja?«
    »Ich fahre nicht zu meinen Eltern«, sagte ich und hätte mich im gleichen Moment dafür ohrfeigen können.
    »Nicht?«
    Mir brach der Schweiß aus. »Nein. Ich fahre ein paar Wochen nach … – in den Süden. Mit einer Freundin.«
    »Mit welcher Freundin?« Leo hatte die Stirn gerunzelt. »Sei mir nicht böse – aber du hast keine Freundinnen. Ehrlich gesagt ist das eins der Dinge, die so merkwürdig an dirsind. Jedes Mädchen hat eine beste Freundin. Jedes! Aber du – Fehlanzeige.«
    »Du kennst sie nur nicht«, flüsterte ich.
    »Ach ja? Wie heißt sie denn? Und wo wohnt sie? Und warum hast du sie mir noch nie vorgestellt?«
    »Weil sie … im Ausland wohnt«, flüsterte ich. Zu mehr war meine Stimme nicht fähig. »Ich fliege heute zu ihr.«
    »Aha«, sagte Leo. »Und wohin genau?«
    »Ma…llorca.«
    Leo lächelte spöttisch.

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