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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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psychologisch – zu erklären, dass sich das Beerdigungsinstitut, das sich die Exfamilie meines verstorbenen Mannes für ihre Gegen-Trauerfeier ausgesucht hat, in der Nähe der Praxis meiner Therapeutin befindet?«
    Frau Karthaus-Kürten blinzelte, dann sagte sie ein wenig trotzig: »Jawohl, das glaube ich.«
    Okay. Schrieb ich schon irgendwo, dass diese Frau ein Idiot war? Ich sollte die Tablettendosis erhöhen.
    »Unsere Zeit ist um«, sagte ich mit einem Blick auf die Wanduhr.
    »Oh ja, tatsächlich«, sagte Frau Karthaus-Kürten, stand auf und reichte mir die Hand. »Dann bis nächsten Montag. Machen Sie weiterhin so großartige Fortschritte. Und – wie gesagt: An der Hauptstraße nach links, dann ist es die zweite Straße rechts.«
    »Das ist leider nicht meine Richtung«, sagte ich. Also wirklich!
    Kaum hatte ich die Praxis verlassen, rief auch schon Mimi an, der übliche Kontrollanruf.
    »Kommst du in den Laden?«
    »Ich wollte noch einen Spaziergang machen«, sagte ich.
    »Es regnet in Strömen!«
    »Ich liebe Regen«, sagte ich.
    »Unsinn«, sagte meine Schwester. »Du kannst Regen nicht ausstehen. Jetzt komm schon. Hier im Laden ist es sehr gemütlich. Gitti hat gerade eine Kollektion bemalter Regenschirme vorbeigebracht, passend zu unseren Gummistiefeln, und Constanze hat eine wunderbare Buttermilch-Himbeertorte gebacken.«
    »Mal sehen. Vielleicht komme ich vorbei.« Mittlerweile war ich an der Hauptstraße angekommen. Rechts ging es nach Hause, links weiter Richtung Innenstadt. Ich machte ein paar Schritte nach rechts, dann drehte ich wieder um. Ich konnte ja mal bei diesem Beerdigungsinstitut vorbeigehen, einfach nur so. Die Trauerfeier war schließlich erst morgen. Bei der ersten Querstraße machte ich wieder kehrt. Oh Gott, nein, das war zu verrückt. Außerdem blöde und überflüssig. Es brachte überhaupt gar nichts, wenn ich da vorbeiging.
    Andererseits: Die Neugier würde mich vielleicht ewig quälen. Ich drehte mich erneut um hundertachtzig Grad. Diesmal schaffte ich es bis zur Ecke Hegemannstraße, bis ich wieder stehen blieb. Ich fühlte mich wie eine Figur aus einem Zeichentrickfilm, die links ein Engelchen und rechts ein Teufelchen auf der Schulter sitzen hat.
    »Nur mal gucken wird ja wohl erlaubt sein«, wisperte das Teufelchen, das Engelchen sagte: »Aber wozu denn?«, undich seufzte und sehnte mich nach meinen Tabletten. Obwohl noch genug Platz links und rechts war, schob sich ein älterer Herr so eng an mir vorbei, dass er mich dabei anrempelte.
    »Frechheit, hier mitten auf der Straße herumzustehen und sinnlos die Zeit zu vertun«, sagte er.
    Wo er Recht hatte, hatte er Recht.
    Das Teufelchen grinste zufrieden, als ich meinen Weg fortsetzte. »Ich gewinne immer«, sagte es, und das Engelchen schmollte.
    Das Beerdigungsinstitut machte von außen einen recht unscheinbaren, aber durchaus geschmackvollen Eindruck, es gab keine Schaufenster mit Särgen und Trauerkleidung, nur Buchsbaumkugeln in Zinnkübeln, ein schlichtes Firmenschild und eine Klingel. Und einen sehr hübschen, silberfarbenen Türknauf, der sich ganz weich anfühlte. Die Tür öffnete sich von ganz allein. Na ja, nicht von ganz allein, ich drückte schon ein wenig dagegen, aber sie war eindeutig offen gewesen, so wie eine Ladentür.
    Ich lugte in eine Art Foyer hinein, von dem mehrere offen stehende Türen abgingen. Eine riesige Marmortreppe führte ins nächste Stockwerk.
    Die Tür fiel hinter mir ganz sanft zurück ins Schloss und löste dabei ein harmonisches Klingelgeräusch aus. Ding-dang-dong-dong, ganz langsam und in Moll.
    Okay. Ich konnte einfach abhauen. Oder sagen, dass ich einen Sarg kaufen wollte. Man konnte sich doch Särge kaufen, oder musste man dafür tot sein?
    Ich machte ein paar Schritte vorwärts und schaute durch die nächste Tür. Ein ganz normales Büro, nicht besonders groß, viele Grünpflanzen. Kein Mensch zu sehen. Das nächste Zimmer war ebenfalls ein Büro, nur viel größer und prächtiger, ausgestattet mit viel dunklem Leder, goldgerahmtenGemälden und Perserteppichen. Hier saß sicher der Chef, nebenan höchstens die Sekretärin. Wo waren die denn?
    »Schieben auf dem Klo ’ne schnelle Nummer«, sagte das Teufelchen. »Kennt man doch, das.«
    »Pfui, nein!«, sagte das Engelchen. »Sie werden schon Feierabend haben. Wir haben ja schon nach siebzehn Uhr.«
    »Gestorben wird auch nach Feierabend«, sagte ich. Oh Gott, wenn das so weiterging, brauchte ich bald auch noch Tabletten gegen

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