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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Schizophrenie.
    Die nächste Tür bestand aus zwei Flügeln und führte in einen größeren Saal. Wunderschöner Intarsiensteinboden, hohe Decken, elegante Fenster, die in einen begrünten Innenhof zeigten. Stuhlreihen, eine Orgel, ein Rednerpult und mehrere leere Staffeleien. Was aber meinen Blick sofort bannte, war eine riesige, mit einem Foto bedruckte Stofffahne, die an der hinteren Wand von der Decke hing. Auf dem Foto sah man drei hübsche blonde Kinder, die sich an einen hübschen blonden Mann lehnten, der vor einem blühenden Rhododendron stand. Der Mann war Karl. Überlebensgroß lächelte er mir direkt in die Augen.
    »Ach, du Scheiße«, sagte ich.
    Unten, quer über Karls Brust und einen Teil der Rasenfläche, konnte man in großen schwarzen Buchstaben eine Art Slogan lesen: »Tokio – New York – Madrid – Zürich – London – in der Welt zu Hause, schlug sein Herz doch für die Familie.«
    Hysterisches Gelächter stieg in mir hoch. In der Welt zu Hause, schlug sein Herz doch für die Familie – hahaha. Wie wunderschön verlogen. Ich betrachtete das Riesenbild mit schief gelegtem Kopf. Nein, das konnte man doch so nicht stehen lassen, da fehlte doch etwas. Ich lief zurück in eins der Büros und sah mich auf dem Schreibtisch um. Ha, sehr gut, da war ja, was ich brauchte: Ein dicker, schwarzer Edding. Zurück imgroßen Saal schob ich einen Stuhl bis vor die Wand, kletterte hinauf und vollendete das Plakat in meiner allerbesten Schönschrift. Anschließend sprang ich vom Stuhl, schob ihn in seine Reihe zurück und betrachtete mein Werk wohlwollend. Jawohl. So sah das doch gleich viel besser aus.
    … Madrid – Zürich – London – Oer–Erkenschwick . Wunderschön! Allein deswegen hatte sich der kleine Umweg hier vorbei doch gelohnt.
    Das Teufelchen auf meiner Schulter kugelte sich vor Vergnügen, das Engelchen auf der anderen Schulter hatte entsetzt die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen. Aber bevor ich lachen konnte, hörte ich hinter mir Stimmen. »Die Blumenarrangements werden morgen Mittag geliefert, die Familie bringt nachher noch einige Fotoleinwände vorbei, die Musik wird vom Band kommen«, sagte eine Stimme, und eine zweite Stimme antwortete: »Zum hundertsten Mal: Du kannst dich getrost auf den Weg machen, Jakob, wir haben hier alles im Griff. Und es heißt CD , nicht Band.«
    Ich drehte mich um und sah zwei Männer im Anzug, einen jüngeren und einen älteren. Schnell ließ ich den Edding in meiner Manteltasche verschwinden.
    »Aber Freitag ist die Grundermann-Beerdigung, und wegen der Liliengestecke müssen wir noch mal …«
    »Auch das bekommen wir ohne dich hin«, unterbrach ihn der jüngere Mann. Dann sahen sie mich.
    »Entschuldigung«, sagte der ältere. »Wir haben Sie gar nicht kommen gehört.«
    »Die Klingel hat aber ding-dang-dong-dong gemacht«, sagte ich, völlig planlos. Das Teufelchen flüsterte mir eine Reihe von möglichen Lügen ins Ohr, angefangen von »Ich wollte nur schnell nach dem Weg fragen« bis hin zu »Mein Großvater liegt im Sterben, und ich möchte mich schon mal nach dempassenden Institut umschauen.« Das Engelchen war vor lauter Schreck verstummt. (Ich sag’s nur ungern, aber es war bisher wenig hilfreich gewesen.)
    »Frau Roser?«, sagte der Jüngere und streckte mir seine Hand hin.
    Ich sagte nichts, erwiderte aber seinen Händedruck herzlich.
    »Sie hätten schon um sechzehn Uhr hier sein sollen.«
    Da konnte ich aber nicht, da hatte ich einen Termin bei meiner Psychotherapeutin. Wo ich jetzt auch wieder ganz dringend hingehörte.
    »Pünktlichkeit ist für diesen Job natürlich oberstes Gebot«, sagte der ältere Mann. »Stellen Sie sich vor, hier sitzen fünfzig Trauergäste und warten auf die Orgelmusik – und Sie kommen einfach nicht.«
    »Ich bin sonst immer pünktlich«, sagte ich. »Fast schon notorisch.«
    »Ich mach das hier, Jakob«, sagte der jüngere Mann. »Es dauert ja nicht lange.« Während der ältere Mann den Raum verließ und das Engelchen auf meiner Schulter aus seiner Schreckensstarre erwachte und laut »Hinterher! Los!« schrie, nahm der andere Mann meinen Arm und führte mich zu der Orgel.
    »Mal ehrlich und unter uns: Immer weniger Leute möchten Orgelmusik. Die meisten mögen lieber Musik aus der Konserve, das ist auch viel billiger. Aber trotzdem: Wenn ein Kunde nach einem Organisten verlangt, wollen wir keinen Amateur, der uns blamiert. Schließlich ist unser Institut für seine Exklusivität weit über die

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