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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ich kann’s irgendwie verstehen.«
    »Ja«, sagte der Apotheker. »So hatte ich das auch verstanden.«
    »Worüber würden Sie an seiner Stelle mit mir reden wollen?«
    Der Apotheker sah mich nur an. Dann schaute er hinüber zu seiner Apotheke und meinte: »Du brauchst dringend einen anständigen Mantel. Mit einer Kapuze.«
    »Ich meine es ernst. Worüber will er mit mir reden? Und ist er wirklich verlobt? Ich meine, ich würde mich für ihn freuen, ehrlich. Aber es kann doch auch irgendein Ring sein, oder nicht?«
    »Nein«, sagte der Apotheker. »Ich erkenne einenVerlobungsring, wenn ich einen sehe. Außerdem trug er ihn links. So. Und jetzt würde ich mich an deiner Stelle so schnell wie möglich aus diesen nassen Klamotten rausschälen! Du holst dir sonst noch den Tod.«
    »Danke«, sagte ich noch einmal hinter ihm her.
    Der Apotheker war schon halb auf dem Zebrastreifen. Er winkte mir zu. »Wir sehen uns, kleine Kratzbürste.«
    »Intelligenz ist die Fähigkeit,
    seine Umgebung zu akzeptieren.«
    William Faulkner

    Obwohl ich mir ein Paar neue Schuhe kaufte und obwohl ich meine Tabletten pünktlich einnahm, fiel ich in den nächsten Tagen zurück in mein hässliches, schwarzes Loch. Mein Karlisttot-Loch . Ich wollte nicht aufstehen. Ich wollte nichts essen. Ich wollte mit dem Scheiß-Erbe nichts zu tun haben. Sogar die Jaguarbabys (welche Jaguarbabys?) waren mir egal.
    Ich wollte nicht leben.
    Frau Karthaus-Kürten, die Mimi in Panik anrief, um sie zu fragen, was sie nun mit mir machen solle, sagte, ich solle zu einer Extra-Sitzung kommen. Ich wollte nicht, aber Mimi zwang mich dazu, indem sie damit drohte, ansonsten meine Mutter anzurufen. Meine Mutter würde vor Sorge außer sich sein und sofort anreisen. Und vielleicht würde sie es fertigbringen, mich mit nach Hannover zu nehmen, wo die Kreissäge dann jeden Tag ungefragt ihre Lebensweisheiten auf mich loslassen würde. (»Weißt du, warum du so traurig bist? Weil du keine Kinder hast! Nur Kinder geben dem Leben einen Sinn.Sieh dir doch mal Elianes strahlende Kinderaugen an. Wird dir da nicht ganz warm ums Herz?«)
    Also schlurfte ich matt zur Notfalltherapiestunde. Frau Karthaus-Kürten schien der Ernst der Lage nicht wirklich bewusst zu sein, sie bemerkte als Erstes meine neuen Schuhe und fragte, wo ich die denn herhätte. Ich musste ihr Name und Adresse vonauf einen Zettel schreiben, und sie wurde ganz aufgeregt und wollte wissen, ob sie auch Manolo Blahniks führten.
    »Was soll denn das sein?«, fragte ich.
    Frau Karthaus-Kürten sah mich ungläubig an. »Sie kennen keine Manolo Blahniks?« Kopfschüttelnd machte sie sich ein paar Notizen.
    Dann sagte sie, dass sie schon damit gerechnet habe, dass es mir schlecht gehen würde, und dass diese Entwicklung ganz normal sei. Ich glaubte ihr kein Wort und starrte mürrisch vor mich hin, bis Frau Karthaus-Kürten vorschlug, ich könne meine Gefühle in einem Bild ausdrücken.
    Ich sagte, dass ich dazu keine Lust hätte.
    Frau Karthaus-Kürten seufzte. »Wozu haben Sie denn Lust?«, fragte sie dann und beugte sich eifrig nach vorne, so als wäre sie bereit, mir wirklich jeden Wunsch zu erfüllen.
    Ich überlegte sehr lange, bevor ich antwortete. Dann sagte ich: »Zu gar nichts.«
    »Sehr gut«, sagte die schlechteste Therapeutin der Welt und nickte. »Das ist genau, was ich erwartet habe.«
    Da hatte ich plötzlich Lust, ihr eine zu scheuern. (Machte ich aber natürlich nicht.)
    Wir schwiegen nun überwiegend, und das Schweigen wurde nur ab und an von Frau Karthaus-Kürten unterbrochen, indem sie sagte: »Es ist auch gut, manchmal nichts zu sagen« oder »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, das alteSprichwort hat durchaus seine Berechtigung« oder »Sie müssen sich gar nicht doof vorkommen, nichts sprechen kann sehr heilsam sein.« Gott, was war die Frau für ein Idiot.
    Als unsere Zeit beinahe um war, strahlte sie über das ganze Gesicht und sagte: »So, und bis zu unserer nächsten Sitzung gebe ich Ihnen eine Hausaufgabe auf.«
    Keine Lust, wollte ich sagen, aber da sprach sie schon weiter: »Sie müssen zum Friseur gehen und sich einen richtig schicken Haarschnitt verpassen lassen.«
    Mehr denn je war ich überzeugt, dass Frau Karthaus-Kürten keine echte Psychotherapeutin war, sondern lediglich ein Wochenendseminar zum Thema (Stilberatung?) besucht hatte. Vielleicht auch einen Fernkurs.
    »Und eine Kurpackung, auf jeden Fall eine Kurpackung. Wenn Sie das nächste Mal kommen, möchte ich Ihr Haar

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