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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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warum Sie sich in Ihren Mann verliebt haben?« Ich merkte genau, wie sie dabei versuchte, nicht neugierig zu klingen, sondern ganz professionell distanziert.
    Das geht dich gar nichts an. Aber ich konnte schlecht die ganze Zeit hier sitzen, schweigen wie ein bockiges Kind und darüber nachdenken, wie Frau Karthaus-Kürtens zweiter Vorname wohl lauten mochte. (Kriemhild? Kunigunde? Es musste ja etwas noch Fürchterlicheres sein als Kerstin, sonst hätte sie es nicht nötig, es abzukürzen.) Hinter ihr an der Wand hing eine Uhr, und der Minutenzeiger hatte sich bis jetzt kaum vorwärtsbewegt. Also sagte ich sachlich: »Ziemlich viele Studentinnen waren in Karl verliebt. Er hat Kunstgeschichte unterrichtet, und seine Seminare waren immer überfüllt. Erwar einfach sehr … charismatisch. Unkonventionell, klug und witzig. Und außerdem wirklich gut aussehend. Aber das war nicht der Grund, warum ich mich in ihn verliebt habe.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    Sie wartete eine Weile, ob ich möglicherweise von allein weitersprach, dann fragte sie: »Und warum haben Sie sich in ihn verliebt?«
    »Weil er der erste Mann war, der keine Angst vor mir hatte.«
    »Sie glauben, die Männer hatten Angst vor Ihnen?« Sie machte sich eine Notiz und nickte dabei.
    »Viele Männer haben Angst vor klugen Frauen«, sagte ich.
    »Oh. Das ist interessant.« Sie sah ein wenig spöttisch aus, als sie die Augenbrauen hochzog. »Möchten Sie das vielleicht ein bisschen genauer ausführen?«
    Ich setzte mich gerader und hob das Kinn. »Ich habe einen IQ von 158. Mein Abitur habe ich mit sechzehn gemacht, mit neunzehn hatte ich einen Abschluss in Geophysik und Meteorologie. Die Männer, die ich damals kennen lernte, fanden das irgendwie … einschüchternd.« Und unerotisch. Männer behaupten zwar immer, dass ihnen Intelligenz bei einer Frau wichtig ist, aber damit meinen sie nicht, dass die Frau intelligenter sein soll als sie selber. Jedenfalls nicht so, dass sie es merken.
    Frau Karthaus-Kürten musterte mich misstrauisch. Offenbar sah ich in ihren Augen nicht aus wie jemand mit einem IQ von 158. Ich überlegte, ob ich ihr noch das mit den Instrumenten und den fünf Fremdsprachen erzählen sollte. Aber damit hätte ich sie wieder nur mit der Nase auf meine Kindheit und damit möglicherweise doch noch auf das ein oder andere kleine Kindheitstrauma gestoßen. Wie jedermann weiß, bekommen alle normalen hochbegabten KinderViolinenunterricht und dürfen Chinesisch lernen. Ich spielte ersatzweise Mandoline und Cembalo, weil das Cembalo als Erbstück von Großtante Elfriede bereits unser Wohnzimmer zierte und die Mandolinenlehrerin mit meiner Mama zur Wirbelsäulengymnastik ging. Praktischerweise war die Mandolinenlehrerin gebürtige Polin, und der Cembalolehrer, den meine Mutter auftrieb, war aus Korea. So lernte ich gleichzeitig Polnisch und Koreanisch, damit mein armes, unterfordertes Gehirn sich nicht langweilte. Nicht, dass ich es in meinem Erwachsenenleben jemals gebraucht hätte. Aber es beeindruckte die Leute, wenn sie hörten, dass ich es konnte.
    Frau Karthaus-Kürten räusperte sich. Ich entschied, dass sie beeindruckt genug zu sein hatte.
    »Und nach Geophysik und Meterologie haben Sie dann Kunstgeschichte studiert und sich in Ihren Professor verliebt?«
    »Es heißt Meteorologie«, sagte ich. »Und nein, danach habe ich mit Jura angefangen. Dabei habe ich Leo kennen gelernt, meinen ersten richtigen Freund.«
    »Und Leo hatte keine Angst vor Ihrer Intelligenz?« Da war doch wieder dieser leise Hauch von Spott in ihrer Stimme.
    »Nein, aber nur, weil er nichts davon wusste.« Um den unangenehmen Teil der Geschichte hinter mich zu bringen, wartete ich nicht auf ihre nächste Frage, sondern fuhr fort: »Wir waren ein paar Monate zusammen, als er mir seinen Vater vorstellte. Und das war Karl.«
    »Aber doch nicht der Karl, den Sie später geheiratet haben?« Damit hatte Frau Karthaus-Kürten sich endgültig verraten: Sie war ein Idiot.
    »Nein, das war nur irgendein Karl, von dem ich Ihnen erzähle, weil wir hier ja irgendwie die Zeit rumkriegen müssen«, sagte ich. »Wissen Sie, was Karls Lebensmotto war? Halt dich fern von den Idioten . Er sagte, das sei alles, was man imLeben beachten müsse, um glücklich zu sein. Vielleicht hatte er Recht, und ich bin nur so unglücklich, weil es mir nicht gelingt, mich von den Idioten fernzuhalten, seit er tot ist.«
    Frau Karthaus-Kürten sah auf ihre Notizen. »Also, habe ich das jetzt richtig verstanden?

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