Ina: Der Konflikt (German Edition)
dieselbe Ausbildung wie Ina. Wahrscheinlich lernte man das auf der Rekrutenschule. Einfach geradeaus wenn man keine Spuren mehr sieht. „Wie lange sind wir schon unterwegs?“
„Etwa eine Stunde.“ Ifeta hatte ihr Gespräch belauscht und warf eine wenig erfreuliche Nachricht ein: „Wir haben beinahe die Hälfte der Strecke.“ Sebiha und Demir wechselten besorgte Blicke. Sie liessen sich etwas zurückfallen. Yeter Yerko schloss sich ihnen an: „Wie viel Zeit müssen wir gewinnen?“ Dafür erhielt er einen dankenden Blick von Sebiha. „Soviel wir können.“ Yeter nickte: „Eine Pause Kommandeur.“
„Wir können keine Pause machen!“
„Ich benötige eine Pause, Kommandeur“, erwiderte Yeter diplomatisch streng, blieb stehen und setzte sich an Ort und Stelle nieder. Demir liess nicht auf sich warten und setzte sich ebenfalls. Ifeta musste sich geschlagen geben, als auch Sebiha und Seter Yerko sich setzten. „Zehn Minuten! Nicht mehr! Ich werde nicht für diese Tuma gefangen genommen!“ Sebiha starrte auf den dunklen Mond und wieder in die Richtung von der sie gekommen waren. Es war sehr dunkel. Sicher, Ina konnte im Dunkeln besser sehen als die Seraner. Aber nicht so gut wie die Tuma. Würde sie ihre Spuren finden. Ohne sich zu lange mit der Suche danach befassen zu müssen? Er machte sich Vorwürfe, dass er zugelassen hatte, dass sie sein Quartier verliess. Doch er wusste auch, weshalb sie gehen wollte. Weshalb sie sich nicht hätte aufhalten lassen. Davut. Sie wollte sich mit Sicherheit von ihm verabschieden. Und sie wollte alleine sein. Brauchte einige Minuten, um ihre Gedanken zu ordnen. Ihre Gedanken, die sich um ihre Zukunft drehten. Um das, was auf Seran mit ihr geschehen würde. Wie konnte er sie davor bewahren? Er würde die Vorsitzende um Unterstützung bitten. Sie wusste was Ina für Seran getan hatte. Sie hatte es gebilligt. Sogar verlangt. Die Vorsitzende würde sich darum kümmern. Ein Machtwort sprechen. Dann kam der erste zweifelnde Gedanke. – Was wenn Ina das Risiko zu gross war? Wenn sie zuviel Angst hatte, unter diesen Umständen nach Seran zurück zu kehren?
Siel zog mitten auf dem Rasen einen Stuhl näher zu einem anderen: „Fühlst du dich nicht einsam auf Seran?“ Ina atmete tief durch. Sie rechnete sich aus, wie lange sie für eine Strecke benötigte, für die die Botschafter zwei bis drei Stunden brauchten. Spaziergang oder Marsch, hatte Sebiha gesagt. Eine Stunde würde reichlich genügen. Aber sie wollte nichts riskieren, war sich nicht sicher wie gut sie ihre Spuren verfolgen konnte. Eine starke Windböe und ihre Spuren wären aus dem Sand gewischt. „Nein. Ich bin nicht einsam.“
„Aber dort bist du die einzige deiner Art.“
„Das wäre ich nicht nur dort.“ Diese Antwort liess ein sanftes Lächeln um Siel's Lippen spielen. Ina's Blick führte zu den seranischen Soldaten, die nichts ahnend ihre Nachtwache hielten oder sich miteinander unterhielten. Sie wurden einfach zurückgelassen. Befehle des Militärs. Anordnungen des Senats. Bei diesem Gedanken wurde ihr übel. Und wieder dachte sie an Davut, hielt Ausschau nach ihm. Fand ihn aber immer noch nicht. „Wie alt warst du, als dich dieser Mann nach Seran brachte?“
„Jung. – Etwa sechs.“
„Erinnerst du dich an deine Familie? Ich meine vor Seran.“ Ina sah sie lange an. „Nein“, flüsterte sie schliesslich voller bedauern, was ein mitleidiges Lächeln auf Siel’s Gesicht zog. „An irgendetwas Ina. – Deinen Vater oder deine Mutter. Es gibt doch immer irgendwelche Erinnerungen.“ Und wie es das gab. Nur hätte Ina lieber gar keine gehabt als diese eine. „Nein. Gar nichts.“ Chevrin spazierte im Dunkeln zu ihnen, zog sich einen Stuhl heran. Siel wechselte einen kurzen intensiven Blick mit ihm, dessen Bedeutung Ina nicht weiter nachging. „Weshalb waren sie nicht bei den Gesprächen anwesend?“ Kein Vorwurf, eher eine neugierige Frage, die eine Befürchtung beinhaltete. „Ich hatte einiges mit Botschafter Sebiha zu besprechen.“ Chevrin nickte verständlich: „Über das was auf Seran geschah?“
„Unter anderem.“ Er winkte einen Soldaten heran und verlangte einige Getränke. Ina bat um Wasser. Kein Alkohol aber Flüssigkeit, da sie danach eine wohl oder übel lange Strecke vor sich hatte. „Betätigen sie sich in der Politik, Siel?“ Siel dachte einige Sekunden nach, ehe sie antwortete: „Nein. Wir Tuma überlassen die Politik und das Militär unseren Männern. Es gibt schöneres im Leben,
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