Ina: Der Konflikt (German Edition)
seinem Daumen über die Lippen: „Ist es Gleichgültigkeit?“ Seine Stimme war herausfordernd. „Ist es Zwanghaft?“ Ina stellte die Frage, ohne sich dabei an Sebiha zu richten. „Was ist Zwanghaft?“
„Ihr Verlangen. – Alle mit denen sie sich unterhalten sofort durchschauen zu können“, noch immer würdigte Ina ihn keines Blickes. „Das ist nicht mein Verlangen und schon gar nicht Zwanghaft“, Sebiha’s Stimme hatte sich unmerklich verändert, sein Gesicht nicht. Er hatte eine eiserne Miene und seine Hand versperrte Ina die Sicht auf seinen Mund. „Sie wollen alle sofort in eine Kiste zu ihresgleichen stecken und hören nicht auf zu spielen bis jeder in einer Kiste ist. – Sie sind gereizt, weil sie mich noch keiner Kiste zuweisen konnten. – Ich glaube es ist Zwanghaft“, mit ihren Fingern entledigte sie sich eines Fussels, der an ihrer Hose klebte, und verdeutlichte Sebiha so noch mehr ihr Desinteresse an diesem Gespräch. „Und sie, Miss Norak oder Miss Ina, ziehen merkwürdige Schlüsse. Sie sollten sich nicht auf ihre Schlussfolgerungen verlassen, geschweigedenn darüber sprechen.“ Ina konnte seinen Blick fühlen, auch wenn sie ihn nicht sah. „Wieso? Weil sie zutreffender sind als ihre?“ Sie war wütend und hatte keine Lust dieses Gespräch fortzuführen, keine Lust sich von einem Botschafter durchschauen zu lassen. „Weil sie sich das nicht leisten können“, Sebiha's Gesichtsausdruck war nichts sagend und er fuhr fort, da sie ihn ignorierte: „Neven hätte ihnen beibringen sollen, ihre Meinung für sich zu behalten.“ Neven! Wer war er, dass er sich das Recht herausnahm über Neven’s Erziehungsmethoden zu sprechen? Das letzte Bisschen ihrer Beherrschung fand an dieser Stelle ein Ende. „Vielleicht hätte er das tun sollen. Vielleicht hat er es getan. Vielleicht sollte ich ihren Rat annehmen und vielleicht sollte ich mich sogar bei ihnen entschuldigen. Aber vielleicht sollten sie einfach mit ihrem Spiel aufhören. Ich habe nicht vor, mich von ihnen oder sonst irgendjemandem durchschauen zu lassen!“ Nun hatte sie sich ihm zugewandt. Ihre Augen fesselten seine. „Aufhören? - Haben sie Angst zu versagen?“ Er setzte ein zweifelhaftes Lächeln auf. Ina lachte: „Sie haben bereits versagt Sir. – Ich könnte also mit meiner Niederlage sehr gut leben“, ihr Tonfall war herablassend. Dann stand sie auf, ging zwischen dem kleinen Tisch und Kadir durch, beugte neben Kadir ihren Oberkörper hinunter, legte dabei eine Hand auf sein Bein, die andere auf die Stuhllehne und flüsterte in sein Ohr: „Halten sie meinen Platz frei, ich komme wieder wenn sie sich in angenehmerer Gesellschaft befinden.“ Kadir’s Augen klebten einen Moment an ihrer Hand auf seinem Bein, bis er hörte was sie sagte. Er sah sie an. Als sie sich wieder aufrichtete, suchte sie seinen Blick. Sie wusste, dass Sebiha sie beobachtete und jedes ihrer Worte hören konnte. Ohne Sebiha noch eines Blickes zu würdigen verliess sie die beiden. Marschierte stolz quer durch den Saal zur Tür hinaus. Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand an, es war Ilean, den sie ignorierte und einfach weiterging. Er folgte ihr.
Sebiha sah Ina hinterher, bis sie den Raum verlassen hatte. Dann erst bemerkte er Kadir's Blick: „Du hast sie verscheucht.“ Wirklich? Sebiha fragte sich noch, was genau geschehen war. Sie hatte mit ihm gespielt. Ihn herausgefordert. Ihn vielleicht sogar beleidigt. Das konnte er noch nicht so genau abschätzen. Also musste diese Beleidigung sehr gut verpackt gewesen sein. „Ihre Hand war auf deinem Bein.“ Doch Kadir tat es mit einer Handbewegung ab. „Deine Rekrutin? Ich habe noch nie einen Rekruten gesehen, der freiwillig am Tag der Abschlussfeier mit einem seiner ehemaligen Ausbilder spricht. Geschweigedenn mit einem von ihnen zusammen sitzt. Eine gute Kadettin?“ Sebiha fügte diese Frage an, da er zu gut wusste, dass er auf alles andere keine Antwort bekommen würde. Kadir drehte sein Glas langsam in der Hand: „Gut. Aber sie bekommt nicht gerne Befehle.“ Sebiha sah erneut zu der Tür, durch die Ina den Saal verlassen hatte: „Eine interessante junge Frau. So fesselnd. Schade, dass sie schon gegangen ist. Ich hätte mich gerne noch weiter mit ihr unterhalten.“ Kadir lehnte sich gemütlich in seinem Sessel zurück: „Du hast sie verscheucht“, auch er sah zu der Tür. „Ich hätte das nie getan. Wenn man die Gelegenheit hat, als frischer Soldat mit einem Botschafter an einem Tisch zu sitzen,
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