Ina: Der Konflikt (German Edition)
Wie falsch sie ihn eingeschätzt hatte. Kadir schien ruhig und sehr bedacht zu sein. Sie fragte ihn über sein Leben aus, um zu erfahren wer er war. Sein Vater, ein Bauer des Mittelstandes, verwendete seine gesamten Ersparnisse um seine Ausbildung zu finanzieren. Kadir war das älteste von drei Kindern. Nachdem er in den Dienst eingetreten war, wurde sein Sold verwendet um die Ausbildung seiner beiden Geschwister zu finanzieren. Sein Bruder, der fünf Jahre jünger war, wurde Berater beim seranischen Militär. Seine sieben Jahre jüngere Schwester wurde Schneiderin und machte, nicht zuletzt wegen Kadir’s Erfolg beim Militär, eine gute Partie bei ihrer Heirat. Kadir selbst war nie verheiratet. „Wieso habe sie nie geheiratet Sir?“
„Ich konnte mich nie dafür entscheiden.“
„War diese Entscheidung so schwer?“ Die meisten Seraner in seinem alter waren längst verheiratet. Viele sogar schon zum zweiten Mal. Einem zu begegnen, der es noch nicht war, war äusserst selten. „Ich war ständig unterwegs. – Und keine Frau hat Lust, einen Mann zu heiraten der kaum auf Seran ist. Es sei denn, sie tut es wegen seinem Rang“, Kadir versah sie mit einem kurzen Seitenblick. Ina wunderte sich darüber, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte, ihr zu antworten. Um nicht wieder in ein unangenehmes Schweigen zu verfallen, fragte sie weiter: „Wie viele waren es?“ Wobei diese Frage eigentlich sehr indiskret war.
„Spielt das eine Rolle?“ Dabei zog er ihren Arm etwas fester unter seinen. Spielte es eine Rolle? Für Ina nicht wirklich. Doch er sollte mit offenen Karten spielen, wenn er schon sein Interesse an ihr demonstrierte. „Waren es so viele?“ Ina's Ton war leicht unterschwellig. „Es waren einige. – Aber nicht viele“, Kadir's Augen hafteten auf ihrem Gesicht, um ihre Reaktion darauf nicht zu verpassen. Doch sie gab ihm keine Anhaltspunkte, die irgendeinen Schluss zuliessen.
Sebiha sass noch am selben Platz, als sie den Saal wieder betraten. Ihm gegenüber hatten sich Nilia und einige Offiziere, die Ina nicht kannte, niedergelassen. „Sind sie bereit?“ Ina atmete tief durch: „Ja“, eigentlich meinte sie nein. Kadir ging unbeirrt weiter auf die kleine Gruppe zu. Die zwei Stühle links von Sebiha waren noch frei. Sebiha sah Ina interessiert an, als sie mit Kadir auf ihn zuging. Nilia drehte seinen Kopf, um zu sehen wer Sebiha’s Aufmerksamkeit auf sich zog. Er stand auf und begrüsste Ina mit einem Kuss auf die Stirn. Auch alle anderen Offiziere erhoben sich. Nilia machte Ina mit jedem einzelnen von ihnen bekannt, bis hin zu Sebiha. „Das ist Botschafter Sebiha“, Nilia's Augen verzogen sich zu kleinen Schlitzen, als er Ina eindringlich anstarrte. Wohlmöglich sollte es soviel heissen wie: beeindrucke ihn! „Ich hatte das rätselhafte Vergnügen ihr Protegé kennen zu lernen bereits, General“, wandte Sebiha ein. Nilia war die Überraschung über diesen Zustand und über Sebiha’s Ausdrucksweise anzusehen. „Zweifelhaft“, erwiderte Ina beiläufig. Einige Offiziere hatten sie nicht gehört, alle anderen warfen ihr fragende Blicke zu. Sebiha liess seine Augen auf Ina’s Gesicht ruhen: „Was ist Zweifelhaft?“
„Unser Vergnügen Botschafter. Sie sagten Rätselhaft, meinten aber doch Zweifelhaft“, dabei lächelte sie ihn an. Diesmal hatten sie alle Anwesenden gehört und sie wechselten untereinander schockierte Blicke. Jeder wartete auf Sebiha’s Reaktion. Ina fühlte Nilia’s strengen Blick in ihrem Nacken aber sie hielt Sebiha’s Blickkontakt. „Nein, Miss Norak. Ich meinte Rätselhaft. Unser Vergnügen war Rätselhaft.“
„Für mich war es Zweifelhaft. Um in Gegenwart anderer nicht zu erwähnen, dass es wohlmöglich nicht einmal ein Vergnügen war.“ Niemand gab einen Laut von sich. Einige Offiziere hielten sogar ihren Atem an. Ina rechnete damit jeden Augenblick von Nilia zu Recht gewiesen zu werden. Ihr Herz raste. Sie fühlte die Blicke der Offiziere und wurde unsicher. Sebiha zog seinen rechten Mundwinkel etwas nach hinten: „Sie haben Glück. Ich hätte ihren Stuhl beinahe anderweitig vergeben, da ich annahm sie würden nicht wiederkommen“, Sebiha lud sie mit diesen Worten auf den Stuhl neben sich ein. Wobei keiner der Offiziere begriff, weshalb er das tat und weshalb er Ina nicht zu Recht wies. Nach Kadir's Begrüssung setzten sich alle wieder auf ihre Plätze, wobei das vorher geführte Gespräch nicht weiterging. Man staunte noch über Ina’s Frechheit
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