Ina: Der Konflikt (German Edition)
würde sie vielleicht in ein Krankenhaus befördern. Sie lehnte sich vor, hätte ihn anspucken können aber sie tat es nicht: „Seine Antwort, Sir, passt farblich zu meinen Augen.“ Man hörte, wie sehr sie sich zusammenreissen musste um diese Worte in angemessener Lautstärke hinauszubringen. Kadir änderte seine Sitzposition, Madam Sebiha starrte schockiert in ihr Gesicht und Sebiha hielt seine Hand bei seinem Mund und verzog keinen einzigen Muskel in seinem Gesicht. „Ihr Talent ist noch nicht ausgereift. – Sie werden noch einige Fehlschläge hinnehmen müssen“, seine Ruhe machte Ina rasend. Sie umklammerte ihr Glas. Fühlte wie ihr das Blut in den Kopf schoss, ihr ganzer Körper verkrampfte sich, ihr Herz raste. Dann überkam es sie. Mit einem Ruck sprang sie auf, drehte sich und schleuderte ihr Glas gegen die Mauer. Madam Sebiha zuckte zusammen, ebenso ihre Tochter, die aus lauter Schreck einen Schritt zurück machte und sich hinter ihrem Vater in Schutz begab. Ina wandte sich kochend vor Wut sofort wieder Sebiha zu: „Noch nicht ganz ausgereift?!“ Sie ging die Treppe hinauf in das Wohnzimmer, durchquerte den Raum und den nächsten, dann kam sie zu dem Ausgang und ging hinaus, durch das Tor auf die Strasse. Ging in irgendeine Richtung. Ohne die kleinste Ahnung welcher Weg sie zur nächsten U-Bahn führte, ging sie der Strasse entlang, passierte bewachte Tore, Häuser, Bäume, Kreuzungen, noch mehr Häuser und wieder eine Kreuzung. Ging lange dem Verlauf der Strasse entlang. Aber offenbar hatte sie sich für die falsche Richtung entschieden. Eine Bank auf die sie sich setzen konnte. Später würde sie jemanden nach dem Weg fragen. Sebiha’s selbstgefällige Art ärgerte sie. Er hätte sie fragen können ob sie Interesse hat. Er hätte ihr das Angebot machen müssen. Aber er besprach es mit Nilia. Wieder einmal wurde ihr deutlich, dass alle anderen für sie Entscheidungen trafen, dass sie sich allem und jedem zu fügen hatte. Man handelte mit ihr, wie mit einer Ware. Was sie wollte war egal, es interessierte niemanden! Sie versuchte sich zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn sich über diese Tatsache zu ärgern. Sie konnte ohnehin nichts daran ändern. Sie hatte sich zu fügen. Sie spielte mit ihren Fingern, bog ihre Fingernägel hinunter und liess sie wieder los, sodass ein klackendes Geräusch entstand während sie nach Atem rang und sich zu beruhigen versuchte.
Schritte näherten sich. Ina musste ihren Kopf nicht heben, um zu erkennen, dass es Kadir war. Er setzte sich neben sie: „Falsche Richtung?“ Er holte sie aus ihren Gedanken zurück in die Realität. Ina biss sich auf die Oberlippe: „Nicht ganz Sir. – Ich bin nicht mehr in Sebiha’s Nähe“, sie beherrschte sich, versuchte ihre Stimme in angemessenem Ton zu halten und liess ihren Blick auf dem Baum auf der anderen Strassenseite ruhen: „Sind sie gekommen um ihn zu verteidigen?“ Ein entschiedenes: „Nein“, kam von Kadir zurück. Er betrachtete sie von der Seite und fuhr nach einer Weile fort: „Willst du darüber reden?“
„Nein“, ihre Antwort war ebenso entschieden, dass es keinen Diskussionsspielraum gab. Er blieb neben ihr sitzen und wartete. Minuten vergingen. Wieso war er ihr gefolgt? Nach einigen Minuten holte er Luft, um etwas zu sagen. „Nicht! Lassen sie es!“ Also atmete er wieder langsam aus, ohne etwas zu sagen. Das erste Mal hatte sie das Gefühl, dass er sich beherrschen musste, um nichts zu sagen. Er respektierte ihren Wunsch nicht zu sprechen. Als sie sich eine Träne wegwischte, betrachtete er sie von der Seite, presste den Kiefer zusammen und blickte dann weg. Wer sonst, ausser ihren wenigen Freunden, respektierte jemals ihre Wünsche? „Das stand ihm nicht zu! – Nilia ein Angebot für mich zu machen als wäre ich eine Katoffel!“ Und wieso fauchte sie jetzt ihn an? „Und ihnen stand es nicht zu, mich in sein Haus zu bringen!“
„Miss Ina. Erlauben sie mir ein Gespräch?“ Ina sah auf, es war Dea Sebiha. „Natürlich Madam. Er ist ihr Bruder“, wozu bat Dea überhaupt darum? Dea lächelte: „Ich möchte mit ihnen sprechen Miss Ina.“ Ina war verwirrt, weshalb wollte sie mit ihr sprechen? Sie blickte ihr fragend entgegen. Dea warf ihrem Bruder einen langen Blick zu, der ihm zu verstehen gab, dass er gehen musste. Er stand auf und ging die Strasse zurück. Ina sah ihm nach, liess ihren Blick etwas weiter schweifen und erkannte Botschafter Sebiha am Ende der Strasse einsam auf einer Bank sitzen.
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