Incognita
Feuerstellen saßen, über den Verlauf der Reise sprachen oder ins Würfelspiel vertieft waren. Keiner war lauter als unbedingt nötig, nicht einmal die Würfelspieler. Obwohl Pizarro Entwarnung gegeben hatte, schien niemand ein Risiko eingehen zu wollen. Hier draußen im Dschungel konnte jede Unbedachtheit den Tod bedeuten. Nicht gerade beruhigt, aber dennoch hundemüde entglitt John ins Reich der Träume.
Inmitten einer entrückten Sinfonie aus Glückseligkeit und Stille drang ein Rascheln in sein Bewusstsein. Er nahm es nur leise wahr, wie einen entfernten Teil seines Traums. Aber als er auch noch eine Berührung am Arm spürte, begann er zu ahnen, dass jemand bei ihm war. Oder etwas. Die Berührung begann an seinem Handgelenk und zog sich von dort aus bis zum Ellbogen und weiter hinauf bis zur Schulter. Plötzlich wusste er, was ihn berührte: eine Schlange. Augenblicklich verflog die Müdigkeit. John widerstand dem Drang, aufzuspringen oder um sich zu schlagen, sondern blieb unter Aufbietung all seiner Willenskraft reglos liegen. Eine unbedachte Bewegung würde das Tier womöglich provozieren, und da es in diesen Breitengraden genügend Giftschlangen gab, wollte er kein Risiko eingehen. Nicht einmal die Augen wagte er zu öffnen.
Ruhig Blut!, mahnte er sich. Bleib ganz locker und warte ab, bis das Vieh wieder weg ist.
Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn die Schlange kroch über seine Schulter weiter bis zu seinem Ohr, seinen Schläfen, seinen Wangen, seinen Lippen.
Lange konnte sich John nicht mehr beherrschen, er schlug die Augen auf. Im gedämpften Schein des niedergebrannten Lagerfeuers erkannte er die Gestalt einer Frau neben sich: Neya. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Er war nicht durch eine Schlange aufgewacht, sondern durch die Berührungen der Frau.
In den letzten Tagen hatte er Neya nicht mehr gesehen, Müdigkeit und Hunger hatten ihn für ihre Reize unempfänglich gemacht. Erst jetzt, da sie neben ihm lag, wurde ihm wieder bewusst, wie schön sie war. In ihrem glatten, seidenen Haar spiegelte sich der warme Schimmer der Glut wider, ebenso in ihrem Antlitz, wodurch ihre Gesichtszüge weich und samtig wirkten. John sog das Bild in sich auf, langsam und genießerisch. Er verspürte den Drang, Neya ebenfalls zu streicheln, und er war sicher, dass die Frau sich in diesem Moment mindestens ebenso stark danach sehnte wie er. Dennoch tat er es nicht. Sie waren zwei Wesen aus unterschiedlichen Welten, nicht dafür bestimmt, einander zu lieben.
Neya ahnte davon natürlich nichts. Für sie war John nur ein spanischer Soldat, dessen Weg sich mit dem ihren gekreuzt hatte und zu dem sie sich hingezogen fühlte. Das war an ihrem Blick zu erkennen, der bei John ein Kribbeln in der Magengegend verursachte. Wie lange war es her, dass Laura ihn auf diese Weise angesehen hatte? Er zweifelte nicht daran, dass Laura ihn noch immer liebte, aber diese Sehnsucht, diese Leidenschaft, diese scheue Lust, vereint in einem einzigen Blick? Das war lange her.
John schluckte. Seine Kehle fühlte sich rau und trocken an. Er suchte nach Worten, um Neya zu erklären, dass er sich zwar in sie verliebt hatte, seinem Verlangen nach körperlicher Nähe jedoch nicht nachgeben konnte, weil es bereits eine andere Frau in seinem Leben gab. Aber in diesem Moment begann Neya, das Band, das ihr Leinenkleid zusammenhielt, zu öffnen und es so weit aufzuziehen, dass John ihre Brüste sehen konnte. Kleine Rundungen, kaum größer als zwei Apfelhälften, beschienen vom zarten Licht des niedergebrannten Feuers.
John spürte, wie er seine Vorsätze zu vergessen drohte, umso mehr, als Neya nun seine Hand nahm und sie behutsam auf ihre nackte Haut legte. John war wie elektrisiert. Ihre Brüste fühlten sich warm und fest an. Unter seiner Berührung zogen sich ihre Brustwarzen zu kleinen, harten Knospen zusammen. Auf seinen Handflächen pochte ihr Herz, und er spürte, wie sie erzitterte. Ihre Erregung steigerte auch Johns Verlangen. Er wusste, dass es Laura gegenüber ungerecht, sogar falsch war, wenn er sich auf Neya einließ – andererseits war es völlig ungewiss, wann er zu ihr zurückkehren konnte. Vielleicht nie. Vielleicht war er in dieser Welt auf ewig gefangen. War es dann eine Sünde, eine neue Verbindung einzugehen?
Noch während er mit sich haderte – nur allzu bereit, der Versuchung nachzugeben –, fiel sein Blick auf einen kleinen glänzenden Gegenstand, der in die appetitlichen Schattenspiele zwischen Neyas
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