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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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Angriff ab, sonst werdet Ihr mit mir sterben, das schwöre ich!«, keuchte er.
    La Roqua zögerte widerwillig, begriff aber, dass John nichts mehr zu verlieren hatte und daher zu allem bereit war. »Haltet ein!«, brüllte er seinen Männern zu. »Und pfeift die Hunde zurück!«
    Sein Befehl wurde augenblicklich befolgt. Die Spanier blieben stehen, einige von ihnen mit gezogenen Schwertern und angelegten Armbrüsten. Aber keiner von ihnen wagte, den Angriff fortzusetzen, so lange John ihren Hauptmann mit einer einzigen ruckartigen Bewegung ins Jenseits befördern konnte. Selbst die Hunde hielten mitten im Lauf inne. Sie kläfften, bleckten die Zähne und knurrten ohne Unterlass in Johns Richtung, aber sie griffen nicht weiter an. Zumindest vorläufig.
    Die Indios brüllten noch immer vor Schmerzen, aber das um ihre Beine angehäufte Holz brannte inzwischen besser. Die Flammen züngelten gierig nach oben, nahmen ihnen die Luft, umräucherten und benebelten sie. Einige von ihnen waren bereits ohnmächtig oder tot. Der Rest würde es ebenfalls bald überstanden haben.
    »Was soll jetzt werden?«, krächzte La Roqua. »Wie lange wollen wir zwei Turteltäubchen so liegen bleiben?«
    John hatte sich noch keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie es nun weitergehen sollte. Eines stand fest: Sobald er La Roqua freigab, würde man ihn töten.
    »Hoch mit Euch!«, zischte er. »Aber langsam. Und versucht nicht, Euch loszureißen! Ihr würdet es bereuen.«
    La Roqua lächelte gequält, tat aber, was John verlangte. Langsam und vorsichtig, um sich nicht selbst die Kehle an der scharfen Klinge aufzuschlitzen, richtete er sich auf. John benutzte ihn dabei wie einen lebenden Schutzschild, für den Fall, dass einer der Armbrustschützen auf dumme Gedanken kam. An La Roquas Rücken gepresst, stand auch er auf.
    »Lasst meinen Hauptmann los, Ortega!« Die schneidende Stimme gehörte zu Gonzalo Pizarro. Seine dunklen Augen waren starr auf John gerichtet und versprühten blanken Hass. »Hört Ihr nicht, was ich sage? Lasst Hauptmann La Roqua los, sofort! Dann werde ich Gnade vor Recht ergehen lassen und Euch einen schnellen Tod schenken. Widersetzt Ihr Euch meinem Befehl, werdet ihr tausendmal qualvoller sterben als diese Kreaturen hier! Das ist ein Versprechen!« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Scheiterhaufen. Mittlerweile waren alle Schmerzensschreie verstummt. Zu hören war nur noch das Prasseln des Feuers, das jetzt mannshoch um den Baum herum brannte.
    John hielt La Roqua noch immer fest umklammert. Wie konnte er sich nur aus seiner misslichen Lage befreien?
    »Ich warte!«, tönte Pizarro. »Und wie Ihr wisst, ist meine Geduld sehr begrenzt. Wenn Ihr Hauptmann La Roqua nicht augenblicklich freigebt, lasse ich Euch bei lebendigem Leib die Haut abziehen!«
    John zweifelte keine Sekunde daran, dass Pizarro die Drohung wörtlich meinte. Der Spanier befand sich in einer Laune, in der er zu allem imstande war.
    »Nichts dergleichen werdet Ihr tun!«
    Zuerst wusste John nicht, wer das gesagt hatte. Es schien von irgendwo hinter Pizarro zu kommen. Alle Köpfe drehten sich um. Halb verdeckt von den spanischen Konquistadoren erkannte John jetzt Gaspar de Carvajal, der sich wieder aufgerichtet hatte. Seine linke Gesichtshälfte war blutverschmiert, und er taumelte. Aber er lebte! Und so unsicher er auf den Beinen war, so kräftig klang seine Stimme.
    »Genug des Mordens, Gonzalo!«, herrschte er Pizarro an. »Ich habe meine Augen schon viel zu lange vor dem Unrecht verschlossen. Aber jetzt sage ich: Schluss mit dem Blutvergießen! Versündigt Euch nicht weiter im Angesicht des Herrn!«
    Pizarros spontane Erleichterung darüber, dass der Dominikaner noch lebte, schlug augenblicklich in Wut um. »Wer seid Ihr, meine Autorität in Frage zu stellen, Mönch?«, knurrte er. »Kümmert Euch gefälligst um Eure geistlichen Angelegenheiten, aber überlasst die weltlichen mir! Wenn ich nicht durchgreife, wird hier bald das Chaos herrschen, denn in diesem Dschungel gibt es kein Gesetz!«
    »Oh doch, Gonzalo, das gibt es!«, konterte der Mönch. »Hier herrscht, wie überall auf Erden, das Gesetz Gottes. Das Gesetz der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe. Und genau dieses Gesetz hat Ortega befolgt! Versündigt Ihr Euch an ihm, so versündigt Ihr Euch an Euch selbst. Tötet ihn, und Ihr werdet dafür auf ewig im Fegefeuer schmoren!«
    Pizarro lag eine Antwort auf der Zunge, das konnte man sehen. Aber er zögerte. Offenbar wagte er nicht,

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