Indische Naechte
ihr nicht richtig überzeugtes Herz schlug nur noch heftiger, als sie Ian vor dem Altar warten sah, groß, im dunklen Gehrock, und ernst. Was zum Teufel tat sie da nur? Er war eigentlich doch noch ein Fremder. Tatsächlich hatte sie nichts als sein Wort, daß er zu ehelichen Pflichten nicht mehr in der Lage war. Was, wenn sie das Opfer eines teuflischen Planes war, sie für eine Ehe zu ködern?
Einen Augenblick lang war Laura fast entschlossen, Hals über Kopf zu fliehen. Ihre Finger gruben sich in den Arm des Richters, und McKittrick beugte sich zu ihr und sagte leicht amüsiert: »Kopf hoch, Mädchen. Jede Braut gerät an ihrem Hochzeitstag in Panik. Meine liebe Emily ist vor dem Altar ohnmächtig geworden, obwohl sie behauptet, die Hitze wäre schuld daran gewesen. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie haben einen guten Mann gewählt.«
Als Laura erkannte, daß sie unter Hochzeitshysterie litt, schwang ihre Stimmung von Entsetzen um zum fast unbezähmbaren Wunsch, zu kichern. Wie absurd, anzunehmen, Ian wollte sie ködern. Sie war nicht interessant genug, um solch komplizierte Vorgehensweise zu rechtfertigen. Im übrigen hatte sie ja selbst spüren können, was er ihr als wahr offenbart hatte.
Sie bemühte sich, teilnahmslos auszusehen, als der Richter sie in die Obhut ihres zukünftigen Ehemanns übergab. Als sie aufblickte, sah sie, daß Ian sich nur mühsam zu beherrschen schien. Er mußte genauso nervös sein wie sie! Und das war völlig normal, schließlich war eine Heirat einer der wichtigsten Schritte im Leben. Ian war ihr Verbündeter, nicht ihr Feind - sie wollte bei ihm sein. Sie nahm seine Hand fest in ihre, und gemeinsam wandten sie sich dem Geistlichen zu.
»Ihr seid heute hier erschienen...«
Während Reverend James die bekannten Worte intonierte, begann Laura, sich zu entspannen. Erst als der Priester zu der Stelle kam, wo von der Pflicht der Kinderzeugung die Rede war, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Sie war schon auf einigen Hochzeiten gewesen, hatte diesen Satz aber nie bewußt zur Kenntnis genommen. Fast hätte sie Ian angesehen, und nur das Wissen, daß dies unverzeihlich grausam gewesen wäre, gab ihr die Kraft, diese Regung zu unterdrücken. Vielleicht waren Ian und sie nicht fähig, Kinder zu bekommen, aber es war auch die Rede davon, daß die Ehe heilig und nicht nur dazu da war, die fleischliche Lust der Männer zu befriedigen. Wenigstens einen Teil davon würden sie also einhalten.
Dann wurden die Gelübde abgelegt. »Ich, Larissa Alexandrowna...« Nicht nur, daß es ihr richtiger Name war. Ians Akzeptanz ihres russischen Erbes hatte in ihr den Wunsch geweckt, unter dem Namen getraut zu werden, auf den sie getauft worden war.
Dann war Ian an der Reihe, und sein schwacher schottischer Akzent trat stärker denn je hervor. Anschließend schob er ihr den Ring über den Finger.
Er war genau so, wie Laura ihn sich gewünscht hatte: ein schmales, schlichtes goldenes Band, in das nur ihre Initialen und das Datum eingraviert waren.
Ians tiefe Stimme schwankte nicht, als er sagte: »...und mit meinem Körper will ich dich verehren...«, doch seine Finger schlossen sich fester um ihre Hand. Laura empfand wieder ein schlechtes Gewissen. Sie hatte nie bemerkt, wie erdgebunden eine Hochzeitszeremonie war.
»Das, was Gott zusammengeführt, soll der Mensch nicht trennen.« Schaudernd lauschte Laura dieser Ermahnung. Sie wäre diese Ehe nicht eingegangen, wenn sie nicht sicher gewesen wäre, daß sie gehen konnte, wenn sie es wollte. Aber so ein Gedanke war schrecklich fehl am Platz an einem Tag wie diesem.
Dann war es an der Zeit, daß der frischgebackene Ehemann seine Braut küssen sollte. Ians Lippen waren fest und angenehm. Als sie sich auf die ihren legten, schoß es Laura durch den Kopf, daß sie sich zuvor noch nicht einmal geküßt hatten. Wärmeströmungen flossen plötzlich zwischen ihnen und beschwichtigten ihre Zweifel. Dies mochte keine gewöhnliche Verbindung sein, aber bei Gott, sie würde funktionieren. Sie würde ganz sicher dafür sorgen.
Mit einem Seufzer streckte sich Ian in dem tiefen Bottich mit heißem Wasser aus. Nach zwei Jahren Leben im Dreck wurde er des Badens niemals müde. Und die Entspannung, die das Wasser ihm bot, kam keinen Moment zu früh. Wenn die Woche zwischen Verlobung und Hochzeit schon anstrengend gewesen war, so hatte sich der Hochzeitstag selbst als noch schlimmer erwiesen. Viel zu viele fröhliche Gratulationen, zu viele gutgemeinte Wünsche, zu
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