Indische Naechte
Onkels mit Tränen verschmieren.
Kapitel 16
Es war reiner Zufall gewesen, daß Ian bei seinem ersten Besuch Georgina bei ihren Eltern angetroffen hatte. Er war nie in dem Bungalow gewesen, in dem sie und ihr Mann nun lebten, doch nach Davids Erklärung war es ein leichtes, das Haus zu finden.
Er nannte dem indischen Butler seinen Namen und wurde auf eine grünbepflanzte Veranda an einer Seite des Hauses geführt. Georgina hatte die verdorrten Blüten von der Hängegeranie gepflückt, und als Ian die Veranda betrat, drehte sie sich mit blassem Gesicht zu ihm um. Sie trug ein rosafarbenes Kleid und war wie immer ausgesprochen schön, doch sie sah unsicher und verletzt aus, was Ian während ihrer Verlobungszeit niemals hatte bemerken können.
Ohne sich mit einer langen Begrüßung aufzuhalten, sagte Georgina steif: »Was führt Sie hierher, Lord Falkirk?«
»Ich möchte mit dir reden, bevor ich abreise.« Ian musterte sie prüfend. Er konnte sich sehr gut an das Lachen und ihre leidenschaftlichen Küsse erinnern, doch jetzt empfand er keine echte Nähe mehr zu ihr. War ihre Beziehung denn so ausschließlich auf körperliche Anziehungskraft beschränkt gewesen, daß ohne Begehren nichts mehr blieb? Zu Laura hatte er fast von Anfang an eine emotionale Verbindung gespürt, die frei war von sexuellem Verlangen.
Georginas Erinnerungen schienen beunruhigender zu sein, denn sie errötete unter seinem intensiven Blick, nahm die Gartenschere in die Hand und begann, ein paar überhängende Ranken mit unnötiger Heftigkeit abzuschneiden. »Ich habe Lady Falkirk gestern abend kennengelernt. Sie war sehr freundlich.«
»Ja, so ist sie.« Auch wenn sie mich nach ihrem Treffen mit dir in den See gestoßen hat, fügte er in Gedanken hinzu. Er beschloß, direkt anzusprechen, weswegen er gekommen war. »Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen, als ich aus Buchara zurückgekehrt bin.«
Sie senkte die Schere und sah ihn reglos an. »Alle sagten, du wärest tot, Ian. Was hätte ich denn denken sollen?«
»Du hast recht«, sagte er sanft. »Und ich wußte das auch schon zu diesem Zeitpunkt, aber ich war so niedergeschmettert, daß du verheiratet warst, daß ich einfach nicht vernünftig denken konnte. Erst als ich mich beruhigt hatte, erkannte ich, daß die Falschmeldung meines Todes das Werk eines wohlwollenden Schicksals gewesen ist, denn es hat unsere Verlobung gelöst.«
Sie blickte auf ihre Hände, die die Schere hin und her drehten. »Willst du damit sagen, daß du niemals wirklich etwas für mich empfunden hast?«
Ian wollte sie von der Vergangenheit lösen, aber auch ihren Stolz schonen. »Was es zwischen uns gab, war echt, Georgina«, begann er also behutsam. »Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, mich freiwillig nach Buchara zu melden, hätten wir geheiratet und gut miteinander leben können. Im Gefängnis habe ich ständig an dich gedacht - du standest für alles, was das Leben lebenswert machte. Doch der Mann, den du heiraten wolltest, ist nicht derselbe, der zurückgekehrt ist. Nun sind wir so gut wie Fremde füreinander, und so, wie ich geworden bin, kann ich kein guter Ehemann für dich sein. Du verdienst etwas Besseres.«
Unsicher musterte sie sein Gesicht. »Wie hast du dich denn verändert, Ian? Du wirkst nicht so anders.«
Er zögerte einen Moment. Er wußte nicht, wie er ausdrücken sollte, was er für sich selbst bisher nicht definiert hatte. »Im Gefängnis habe ich in den Abgrund geblickt, und es hat meine Sicht der Dinge gründlich verändert. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, aber der Unterschied ist gravierend.«
Ihre Brauen zogen sich verwirrt zusammen. »Was meinst du mit >Abgrund«
»Das ist das, was bleibt, wenn dir alles, was du schätzt, fortgenommen wurde.« Er lächelte freudlos.
»Diese Erfahrung war... lehrreich, aber ich denke, der Preis war zu hoch.«
Georgina runzelte die Stirn — sie verstand nicht wirklich, und er hoffte, daß sie es auch niemals tun würde. Nun fragte sie: »Deine Frau... hat auch sie in den Abgrund geblickt?«
»Ja, das hat sie«, antwortete Ian, der von der Sicherheit, mit der er es sagte, selbst ein wenig erstaunt war. »Laura und ich passen zusammen, so wie du und Gerry jetzt. Er ist ein hervorragender Mann — werde glücklich mit ihm!«
Es war eine Absolution, und Tränen füllten Georginas Augen, als sie es begriff. »Danke, Ian«, gab sie ruhig zurück. »Ich hoffe, ihr beide, du und Laura, findet genauso euer Glück. Oder wenn
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