Individuum und Massenschicksal
Idealisten, die unterschwellig - bei allem Enthusiasmus, aller Intelligenz und bisweilen außerordentlichen Gaben -
lebhaft fühlen, daß das Leben ihre Begabungen nur besudeln, ihren geistigen Höhenflug nur hemmen und das große Versprechen, dieses unerfüllbare, nur verdunkeln würde.
Dies ist natürlich keineswegs immer der Grund für derartige Tode, doch wird mit diesen gewöhnlich ein Zeichen gesetzt, das dem Tod eine zusätzliche Bedeutung zu verleihen scheint und Eltern und Altersgenossen vor Fragen stellt. Solche Individuen wählen hochdramatische Todesumstände, weil sie allem Anschein zum Trotz nicht die Möglichkeit fanden, die dramatischen Inhalte ihrer Psyche in der Welt, so wie sie ihnen erscheint, zum Ausdruck zu bringen. Oft wird ihr Tod zu einer Lektion für die Mitmenschen, die sich unversehens vor Fragen gestellt sehen, die ihnen vorher nie gekommen wären. Doch gibt es auch Aussagen en masse eben dieser Art seitens vieler Menschen, die sich zusammengefunden haben, um zu sterben. Menschen, die sich ohnmächtig fühlen und keinen Grund zu leben finden, können sich tatsächlich zusammenfinden, um »für eine Sache zu sterben« die ihnen weder den Willen noch einen Grund zum Leben gab. Sie werden Gleichgesinnte suchen und finden.
(22.05 Uhr.) Der innere Mechanismus der Emotionen und Glaubensüberzeugungen solcher Menschen ist kompliziert; doch handelt es sich hierbei um Menschen, die sich vom irdischen Leben betrogen fühlen. Der Gesellschaft stehen sie machtlos gegenüber. Sie denken in Schwarzweißkategorien, und ihre widersprüchlichen Emotionen sowie ihre Moralvorstellungen über diese Emotionen bringen sie dazu, eine Art Zuflucht in einem starren Glaubenssystem zu suchen, das ihnen fertige Verhaltensregeln liefert. Solche Systeme führen zur Kultbildung, und die potentiellen Mitglieder erwählen sich einen Führer, der ihren Zwecken ebenso dienen wird, wie sie den seinen zu dienen scheinen - kraft eines inneren Zwangs, den jedes Mitglied irgendwie verspürt.
Ende des Diktats. Noch ein paar Bemerkungen.
(22.10 Uhr. Nachdem er einige Abschnitte Material für Jane geliefert hatte, schloß Seth die Sitzung um 22.I5 Uhr ab. Jane war nicht wenig überrascht über das plötzliche Ende; ihr Vortrag war gleichmäßig und energisch gewesen. »Und mir war, als gäbe es da noch seitenweise Material - wirklich seitenweise!« rief sie. »Mir war auch so, als käme ich in die Sache mit Guyana, ohne sie beim Namen zu nennen, wenigstens kam es mir so vor.« Wir beide meinten - und hofften übereinstimmend, daß Seth die Tragödie von Jonestown in diesem Buch erörtern würde.) Sitzung 834, Montag, den 5. Februar 1979
(Nach dem Abendessen las Jane heute einige kürzlich von mir geschriebene Notizen, in denen ich darüber spekulierte, warum ich Porträts - meine »Köpfe«, wie ich sie nenne - ausschließlich aus meiner Vorstellung schöpfe und nicht nach dem lebenden Modell »wirklicher Menschen« - male. Ich habe mich oft gefragt, ob diese Vorliebe meinerseits nicht zumindest teilweise von Reinkarnationsvorstellungen oder der Idee der Ebenbilder* inspiriert sei. Ich bemerkte heute abend, daß es schön wäre, wenn Seth darübersprechen würde, und Jane erwiderte, sie denke, er werde es tun.
Wegen dieser Feststellung sowie ihrem Wunsch, Material zu einer persönlichen Frage von Seth zu erhalten, kam sie dazu, sich zufragen, ob wir heute abend überhaupt Buchdiktat erhalten würden. Dann, kaum hatten wir für die Sitzung Platz genommen, bat mich Jane aufzuschreiben, was sie sagen würde, da sie das Material zur Verfügung hatte, ob Seth nun darauf zu sprechen kam oder nicht: »Ein neuer Teil und eine Kapitelüberschrift: ›Von Menschen, die Angst vor sich selbst haben‹. ›Kontrollierte Umwelten und Massenverhalten‹.« Ich sagte ihr, ich dächte, Seth würde nicht nur ausreichend Zeit haben, um unsere persönlichen Fragen zu behandeln, sondern würde auch mit Arbeit für das Buch durchkommen, und das war auch der Fall.
Wir legen hier wegen seiner guten allgemeinen Verwendbarkeit auch sein Material für mich vor: Wiewohl Seth über meine Malereien - »
meine Köpfe« - spricht, ohne auch nur ein Wort über »lebende Abbilder«
zu verlieren, so zeigt er doch auf, wie solche »Bewußtseinseinwohner«
* Seth hat solche »lebenden Abbilder« erstmals in Kapitel 2 des »Seth-Materials« beschrieben und diese dort auch als »Fragmentpersönlichkeiten«
bezeichnet; ausführlich erörtert er dieses
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