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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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konnten sich retten.«
    »Was heißt das?«
    »Daß auch welche verbrannt sind. Die meisten haben Verbrennungen. Übel zum Teil.«
    »Was ist mit Doña Elvira?«
    »Die Sängerin? Lebt. Und unverletzt, soweit ich das sehen konnte. Sie trug einen weißen Pelzmantel. Jemand sagte, sie sei wahnsinnig geworden. Aber wer weiß das schon immer. Kennen Sie Foucault?«
    »Ich möchte, daß Sie gehen.«
    Von Scheven schlug wieder nach Moskitos.
    »Mir erzählte auch jemand, es brenne hier jeden Tag. Was die Katastrophe nicht kleiner macht. Übrigens wird dieser Brand nicht Teil meines Films. Das Fernsehen muß nicht das Grab jedes Mythos sein. Ich würde sogar die Leiche für mich behalten, wenn Sie mich hinführten.«
    Kurt Lukas stand auf.
    »Gehen Sie jetzt auf der Stelle.«
    »Sie machen einen Fehler. Weil Sie sich hier nicht auskennen. Das ist nicht der Schwarzwald; ich kenne diesen Ort inzwischen. Die Leute werden Gregorio zur Not ausbuddeln, nur um ihn dann mit viel Pomp zu begraben.«
    »Sagen Sie kein einziges Wort mehr.«
    »Vielleicht sollten Sie noch wissen, daß ich auf Ihrer Seite stehe.«
    Ohne auszuholen, doch mit der Kraft der Verzweiflung ohrfeigte Kurt Lukas den Korrespondenten. Beide taumelten zurück, der eine so erschrocken wie der andere; von Scheven, sprachlos, floh. Zweige brachen, Früchte fielen herab, dann raschelte wieder das Gras. Kurt Lukas wartete, bis er nur noch sein Herz hörte, ehe er den Brief aufhob – In Doña Elviras Garderobe , stand über der Anrede, Mittwochabend . Das war heute. Oder gestern. Jedenfalls vor wenigen Stunden. Also kurz vor dem Brand. Seine Hände schmerzten noch, als er weiterlas.
    Elisabeth Ruggeri hatte ihm teils auf deutsch, teils auf italienisch geschrieben, als sei es so zwischen ihnen zärtlicher Brauch. Er verstand nicht alles, aber genug. Sie sprach mehrfach von seiner verdammt guten Geschichte mit den Alten und kam dann auf das Porträt-Papier. »Der Priester mit der Glatze ließ mich hineinschauen und sagte, Du würdest es noch gar nicht kennen – hier zwei Stellen, die ich notiert habe: Sein Los ist vielleicht eine unbelebte Prägnanz, wie man sie sonst bei minderbegabten Schauspielern antrifft, ein elternloses Zuviel, dem ein inneres Zuwenig entspricht . . . Und dann dieses hübsche Detail: Vier kleine Falten zählen wir zwischen den Brauen von Mister Kurt. Ich. Ich. Ich. Ich. – Sag, wie findest du das? Ich werde jedenfalls nicht so über Dich schreiben. Und auch nicht über Mayla. Über sie schon gar nicht in dieser Art. Ich schätze sie sehr. Wir unterhielten uns in ihrem Büro. Sie ist fast klug wie schön, Du wirst es nicht leicht haben. Und sie ist für Überraschungen gut; ehe ich vorhin die Garderobe verließ – ich schreibe diese Zeilen in der Station – erschien sie und wollte zu Doña Elvira.« Kurt Lukas ließ den Brief fallen. Er schwang sich über die Brüstung und sprang, er überschlug sich, kam auf die Beine und rannte.
    Der Deutsche sei wie um sein Leben gerannt, gab ein Augenzeuge später zu Protokoll. Ein anderer bestätigte den rasenden Lauf, teils querfeldein. Der Wahrheit am nächsten kam Perfecto Adaza, der sich mit seiner Aussage gleichsam zurückmeldete. Nur mit einer Hose bekleidet, die Hände vor der Brust geballt, sei Mister Kurt wie ein gehetztes Tier an ihm vorbeigestürzt, an seinen Fersen zwei Hunde.
    Diese Hunde schüttelte er sogar ab; Kurt Lukas rannte nicht wie um sein Leben, er rannte um sein Leben. Erst als er Maylas Hütte sah, wurde er langsamer. Er hielt sich die Seiten, er spuckte und keuchte. Er war kein guter Läufer. Aber er hatte das Tempo guter Läufer gehabt. Weich in den Knien und von Husten geschüttelt, erreichte er die Hütte. Alles war dunkel. Doch in den Nachbarhütten brannte auch kein Licht, das machte ihm Hoffnung. Mühsam kam er zu Atem, seine Augen brannten; Rauch hing in der Luft. Er berührte die Tür, und die Tür gab nach, und da wußte er, daß Mayla nicht da war. Er rief ihren Namen, und es kam keine Antwort, er rief noch einmal und fügte ein Bitte hinzu. Dann trat er ein und machte Licht.
    Auf Maylas Tisch lag ihr Schminkspiegel. Auf Maylas Bett lagen Zeitschriften. Auf Maylas Wäschekorb lag ein Hemd. Über Maylas Stuhl hingen Kleider. Auch über Maylas Schrank hingen Kleider, als habe sie alles probiert, was sie besaß. Auf Maylas Boden lagen Zigaretten, offenbar aus der Schachtel gefallen. In Maylas Abfall lagen Filmpackungen, Marke Bowles.
    Ihm wurde schwindlig, er hielt sich

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