Infernal: Thriller (German Edition)
oder Tod einen Serienmörder davon abhalten, immer weiter seinem Treiben nachzugehen. Doch das Verblüffendste von allem war – nachdem er zunächst aufgehört hatte, hatte der Mörder seine Arbeit fünfzehn Jahre später wieder aufgenommen. War er möglicherweise fünfzehn Jahre eingesperrt gewesen, nur, um hinterher so hungrig auf Opfer wie zuvor wieder auf freien Fuß zu kommen?
John trank ununterbrochen Kaffee, um gegen die einschläfernde Wirkung der Schmerzmittel anzukämpfen, während er auf dem Sofa saß und eine Theorie nach der anderen durchging, um den neuen Dimensionen des Falles Rechnung zu tragen. Ich war zu erschöpft, um ihm irgendwie behilflich zu sein, deswegen ging ich ins Badezimmer, nahm drei Xanax und legte mich dann zu Bett.
Der Schlaf übermannte mich rasch, doch er war kein Segen. Mit dem Schlaf kamen Träume. All die surrealen Ereignisse der letzten sieben Tage hatten in meinem Unterbewusstsein gegärt, und nun brachen sie mit aller Wucht über mich herein. An das meiste kann ich mich nicht erinnern, aber eines bleibt deutlich: Ich stehe im Zentrum von Roger Wheatons saalgroßem Meisterwerk, einer kreisrunden Leinwand, die in Wirklichkeit keine Leinwand ist, sondern ein Universum aus Wald und Erde und Bächen und Himmel. Hinter den knorrigen Wurzeln hervor spähen mich grinsende Gesichter an: Leon Gaines, dessen Augen vor Wollust funkeln, der mörderische Unbekannte auf dem Damm, Frank Smith, nackt, der Thalia Laveau jagt, die ihrerseits Mühe hat, ihren weißen Morgenmantel um sich zu halten, während sie rennt. Ich stehe stocksteif da und beobachte die Szene, die um mich herumwirbelt wie ein Albtraum von Hieronymus Bosch; der Boden unter meinen Füßen fließt wie ein Bach, und in ihm gespiegelt starrt mir das Gesicht meines Vaters entgegen.
Dieser Traum ging bald in einen anderen über, an den ich mich nicht erinnern kann. Irgendwann im Verlauf der Nacht kommt John zu mir und beginnt mich zu küssen. Ich schlief nicht richtig und schrak hoch, doch als ich sein Gesicht erkannte, beruhigte sich mein Herzschlag schnell, und meine Furcht versiegte. Ich stellte sicher, dass er ein Kondom übergestreift hatte, dann zog ich ihn über mich und ließ ihn langsam in mich herein, wo er sich bewegte, bis er erschauerte und kam. Ich war schon wieder eingeschlafen, bevor er von mir herunterrollte, und einmal mehr verfing ich mich in meinem Abstieg in die Tiefe meiner Träume.
Den größten Teil der Nacht läutete das Telefon, und selbst in meinem von Xanax betäubten Zustand kam ich jedes Mal halb zu mir in der Furcht vor neuen Schreckensnachrichten. Gegen vier Uhr morgens hörte es endlich auf, und auch John fiel in tiefen Schlaf. Jetzt, bei Einbruch der Morgendämmerung, geht das Läuten wieder los. Ich würde John gern schlafen lassen, aber ich steige ganz bestimmt nicht aus diesem wunderbaren Wasser, um mit irgendeinem Cop vom Morddezernat in Queens zu reden.
Nach dreimaligem Läuten ächzen die Bettfedern, und Johns heisere Stimme meldet sich: »Kaiser?« Einige Augenblicke später sagt er: »Wann? ... Wo? ... In Ordnung, ich bin auf dem Weg.«
Er wälzt sich noch zehn Sekunden lang stöhnend im Bett umher, dann kommt er ins Badezimmer gehumpelt. Seine Haare sind wirr, doch seine Augen blicken wach. »Eine Schubschiffbesatzung hat eben die Leiche eines Mannes aus dem Wasser gefischt, fünf Meilen stromabwärts von der Stelle, wo unser Killer reingefallen ist.«
Adrenalin schießt so heftig in meinen Kreislauf, dass mir schwindlig wird. Ich stehe auf und schnappe ein Handtuch vom Stapel.
»Baxter hat einen Hubschrauber mit unserer Spurensicherung losgeschickt, um Fingerabdrücke von der Leiche zu nehmen. Sie sind wieder im Büro, bevor wir die Dammbrücke überquert haben.«
»Was macht dein Bein?«
»Ist noch dran. Zieh dich an, wir haben ein Treffen mit dem Mann, der dich entführen wollte.«
Baxter und Lenz stehen im Computerraum und halten Kaffeetassen in den Händen, als wir in der Niederlassung eintreffen. Drei Techniker mit Headsets sitzen vor einer Reihe von Terminals, auf denen ununterbrochen neue Daten angezeigt werden, während darüber angebrachte große Bildschirme Live-Bilder jedes Anfahrtsweges zur FBI-Niederlassung zeigen.
»Sie haben einige Verkehrsregeln gebrochen, um so schnell hier zu sein«, stellt Baxter fest, als er mich begrüßt. Er zwinkert John zu. »Die Fingerabdrücke sind vor fünf Minuten eingetroffen. Wir haben sie bereits im IAFIS.«
Das IAFIS, wie
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