Infernal: Thriller (German Edition)
Jeans an meine Wade geschnallt. John beugt sich zu mir in den Wagen und deutet auf meinen Fuß.
»Alles fertig?«, fragt er, obwohl er weiß, dass Baxter und Lenz uns über das Mikrofon hören können.
»Fertig.«
Ich bemerke die Sorge in seinem Gesicht und drücke meinen Daumen auf das Mikrofon, das an meinem BH festgeknipst ist. »Ich brauche sie bestimmt nicht.«
»Und genau dann brauchst du sie am dringendsten«, flüstert er. »Genau wie die kleine Kamera in deiner Gürteltasche.« Er legt die Hand auf meinen Oberarm. »Ich habe noch nie einen klassischen weiblichen Serienmörder gesehen, aber wir wissen von Frauen, die Männern beim Durchführen ihrer gemeinen Morde helfen. Sogar bei Serienmorden. Und Linda Knapp passt in das Profil dieser Sorte Frauen. Wenig Selbstbewusstsein, beherrscht von einem Mann, der sie missbraucht ...«
»Ich will doch nur mit ihr reden, John. Wenn sie mich angreift, schieße ich sie nieder, versprochen. Und jetzt lass mich gehen, bevor Gaines zurück ist.«
Er drückt meinen Arm und tritt dann vom Wagen zurück. Ich winke und fahre los.
Die Gegend, in der Gaines wohnt, bietet so früh am Morgen einen traurigen Anblick. Ich habe das Gefühl, dass sich selbst die alten Leute nicht vor dem späten Vormittag rühren. Vor Gaines’ Haus lenke ich zum Straßenrand und dem geborstenen Bordstein, stelle den Motor ab und bleibe ein paar Sekunden sitzen. Ich will nicht zu aufgeregt oder drängend erscheinen. Wie eine Schauspielerin, die sich auf ihre Szene vorbereitet, lasse ich die Sorgen und Nöte der Gegenwart aus mir strömen und gestatte den Emotionen, die ich in meinem Herzen vergraben habe, an die Oberfläche zu steigen. Meine Angst um Jane, meine Sehnsucht nach meinem Vater, die Demütigung der Vergewaltigung – alles Dinge, die ich verabscheue, die jedoch jetzt zu meinen Verbündeten werden können.
Die Stufen knarren, als ich zur Veranda von Gaines’ Haus hinaufsteige. Das Überwachungsteam hat mithilfe seiner Thermokamera festgestellt, dass Linda Knapp noch im Bett liegt. Ich habe kurz überlegt, ob ich zuerst anrufen soll, doch das hätte ihr die Möglichkeit gegeben, mich einfach abzuwimmeln. Bevor die Zweifel stärker werden können, klopfe ich an Gaines’ Tür. Dreimal. Entschlossen.
Es kommt keine Antwort, deshalb klopfe ich erneut, fest genug, um mir die Knöchel zu verschrammen.
»Mach schon!« , sage ich leise.
Linda kommt nicht zur Tür.
»Vielleicht liegt sie mit einer Überdosis im Bett«, sage ich ins Mikrofon.
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und spähe durch das Fenster, das hoch oben in die Tür eingelassen ist. Das Innere von Gaines’ Haus ist die gleiche dunkle, deprimierende Höhle, aus der ich erst vor kurzem nicht schnell genug wieder herauskommen konnte. Der Boden ist übersät mit dreckiger Wäsche und Pizzaschachteln. Die Staffelei steht zu meiner Linken, nackt wie ein Skelett. Zu meiner Rechten ist eine kahle Wand, die in die Diele übergeht. Plötzlich erfasst mich eine dunkle Vorahnung, und eine Gänsehaut läuft mir über Arme und Hals.
Irgendetwas stimmt nicht.
Was sehe ich vor mir? »Falsche Frage«, murmele ich, als aus der Vorahnung Furcht wird. Die richtige Frage lautet: Was sehe ich nicht? Das kleine abstrakte Gemälde von Roger Wheaton, das an der rechten, jetzt leeren Wand gehangen hat. Es ist nicht mehr da. Warum sollte Gaines es abhängen? Als Antwort höre ich in Gedanken Frank Smiths Stimme: Abschaum ... Roger hat ihm ein zusammengehöriges Paar abstrakter Bilder geschenkt, klein, aber sehr schön. Eines davon hat Leon zwei Wochen später verkauft – für Heroin, ohne jeden Zweifel . Gaines hat das Bild abgenommen, um es zu verkaufen. Wofür? Drogen? Oder braucht er das Geld, weil er flüchten will?
Ich packe den Türgriff und drücke die Klinke herab. Die Tür ist verschlossen, doch das alte trockene Holz klappert lose im Rahmen. Jeder Achtjährige könnte sie eintreten. Aber wenn ich das tue, wird Daniel Baxter mich so schnell zurückholen, dass ich nicht einmal bis zum Schlafzimmer komme.
Ich packe den Griff entschlossen mit beiden Händen, stemme die Schulter gegen das Türblatt und drücke. Holz und Metall knarren, selbst unter der marginalen Last meiner sechzig Kilo. Ich halte das Bein gegen die Tür gepresst, biege mich zurück und werfe mich dann mit der Schulter dagegen. Mit einem leisen Knirschen gibt die Tür nach.
»Hallo Linda«, sage ich für die Jungs im Überwachungswagen. »Ich wollte mich kurz mit
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