Infernal: Thriller (German Edition)
führt die Vernehmungen, nimmt die Verhaftungen vor und erntet die Lorbeeren. In einem langwierigen Fall wie diesem jedoch, wo wir davon ausgehen müssen, dass sich in Zukunft weitere Verbrechen ereignen, sind wir massiv in sämtliche Aspekte der Untersuchung einbezogen.«
»Ich verstehe.«
»Hier in New Orleans stehen wir vor einer relativ einzigartigen Situation. Die Tatsache, dass die Stadt sich über ein so großes Areal erstreckt, führt zu einer alptraumhaften Jurisdiktion. Es gibt sieben verschiedene Polizeibehörden, in deren Zuständigkeit die Entführungen fallen. Und obwohl nicht jede über eine Mordkommission verfügt, arbeiten mehr als zwei Dutzend Detectives an dem Fall. Gegenwärtig koordinieren wir die gemeinsamen Bemühungen, doch jeder einzelne Detective würde Wheaton und seine Mitarbeiter liebend gern selbst vernehmen. Die wichtigste Waffe bei einem derartigen Verhör sind jedoch Sie, Miss Glass. Und um es unverhohlen zu sagen, Sie gehören zu unserem Team.«
»Für den Augenblick.«
Baxter wirft einen raschen Seitenblick zu Kaiser, doch Kaisers Gesicht bleibt ausdruckslos. »Außerdem ist es uns gelungen, eine große Zahl der ›Schlafenden Frauen‹ in der National Gallery von Washington zusammenzuziehen, was die städtischen Polizeiapparate niemals zuwege gebracht hätten. Aus diesen Gründen und wegen der Rivalitäten der Behörden untereinander überlässt man uns den ersten Versuch mit diesen Verdächtigen. Alle vier stehen seit dem Augenblick, in dem wir sie identifiziert haben, unter ständiger Beobachtung, doch es wird kein polizeiliches Einschreiten geben, bis wir sie morgen verhören. Der Druck auf unsere Ermittlungen ist gewaltig. Die Opfer in diesem Fall stammen fast ausnahmslos aus einflussreichen Familien. Eine der entführten Studentinnen von der Tulane war – ist – die Tochter eines Bundesrichters in New York. Deswegen wird das NOPD Mr Wheatons Wohnung auf den Kopf stellen, während wir ihn in der Universität vernehmen. Wir haben bereits damit angefangen, seinen Lebenslauf mit größtmöglicher Genauigkeit zu rekonstruieren, jedenfalls insofern, als er auf Papier existiert. Seine drei Mitarbeiter erfahren die gleiche Behandlung, obwohl ich in zwei Fällen nicht besonders optimistisch bin. Kunststudenten sind wie Kellner in Bars oder Restaurants. Sie sind in den Unterlagen so gut wie nicht existent. Gegenwärtig besitzt noch keiner der vier ein aktenkundiges Alibi für die Dorignac-Entführung. Alle vier waren bis gegen neunzehn Uhr dreißig bei der Eröffnung des New Orleans Museum of Art, wie der Kanzler uns bestätigt hat. Danach wissen wir nichts über ihren Verbleib.« Baxters dunkle Augen brennen sich in die meinen. »Morgen, Miss Glass, sind wir die Spitze eines sehr massiven Speers. Wir müssen unser Ziel treffen. Wenn wir es verfehlen, verspielen wir die beste Chance, die wir jemals haben werden, unsere Verdächtigen zu einem Geständnis zu überrumpeln.«
»Ich verstehe. Verraten Sie mir die Einzelheiten.«
Baxter schiebt einen Stapel Papiere zurecht. »Ich werde Ihnen und John einen raschen Überblick über alles geben«, sagt er.
SAC Bowles steht auf und dimmt die Beleuchtung ab, und ein großer Schirm, der auf der anderen Seite des Raums von der Decke hängt, leuchtet weiß auf.
»Ich möchte, dass Sie zuerst alle vier Verdächtigen sehen«, sagt Baxter. »Vielleicht kommt Ihnen einer von ihnen bekannt vor. Anschließend wenden wir uns den einzelnen Personen zu. Die Bilder kommen direkt aus unserem provisorischen Operationszentrum, das sich auf dieser Etage befindet.« Baxter beugt sich vor und spricht in die Freisprechanlage auf seinem Schreibtisch. »Geben Sie uns die Aufnahmen, Tom.«
Vier Fotos erscheinen nebeneinander auf dem Schirm. Keine der abgebildeten Personen kommt mir bekannt vor oder sieht auch nur annähernd so aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Warum auch? Meine Vorstellung von Künstlern entspringt Büchern, Filmen und Bildern, die größtenteils aus früheren Jahrhunderten stammen. Wenn ich das Wort »Studenten« höre, denke ich an junge Leute Anfang zwanzig. Der Älteste auf den Fotos – Roger Wheaton, nehme ich an – trägt eine Gleitsichtbrille und erinnert mich an Max von Sydow, den Schauspieler. Er sieht skandinavisch aus, hat schulterlanges graues Haar und blickt ernst drein.
Neben seinem Foto ist das eines Burschen in den Vierzigern, der aussieht wie ein ehemaliger Sträfling; tief liegende Augen, unrasiert, gemein. Dann
Weitere Kostenlose Bücher