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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Beine quer über den Schoß. »Was hast du denn erwartet, Cassie? Wir sind in der Hölle, nicht in Disneyland.«
    Cassie beugte sich vor, die Augen weit aufgerissen. »Habt ihr diesen Mann gesehen, den mit all diesen furchtbaren Auswüchsen im Gesicht?«
    Xeke zuckte die Achseln. »Gesichtskarzinome. Eine der Krebsformen hier in der Hölle. Am Ende haben die Tumoren eigene Gesichter, die rappen mit dir.«
    Cassie würgte. »U-und die alte Frau mit diesen, diesen, diesen …«
    »Mit den Blutmilben?«, half Xeke. »Ja, haben wir gesehen. Kein Grund durchzudrehen. In der Hölle sind die Leute eben völlig im Arsch.«
    Der Zug polterte weiter, Cassie wurde auf ihrer Bank hin und her geschüttelt. Es dauerte ein Weilchen, bis die Übelkeit verging. Aus dem Fenster sah sie verbrannte Erde vorbeiziehen. Einmal glaubte sie, einen breitschultrigen Dämon auf dem Rücken eines Pferdes mit Hauern zu sehen, der über bis zum Hals im Boden eingegrabene Menschen hinwegritt. Ein Stückchen weiter entdeckte sie einige Fledermäuse, die Fleischstücke aus einem durch den Staub kriechenden Mann herausbissen – nur dass die Fledermäuse die Größe von Bussarden hatten.
    Rasch wandte Cassie sich ab, doch dann fiel ihr Blick auf einen unförmigen Gegenstand unter dem Sitz. »W-was ist das?«
    Xeke zog es hervor. Es sah aus wie eine Reisetasche.
    »Hat jemand sein Gepäck vergessen?«, fragte Cassie.
    »Ganz offenbar«, meinte Xeke, als er sie öffnete. Cassie wurde beinahe ohnmächtig, als sie den Inhalt sah.
    Die Tasche war voller abgetrennter menschlicher Hände und Füße.
    Xeke und Via mussten kichern, als sie Cassies Abscheu sahen. »Wir haben dich gewarnt. Du wirst dich schon noch daran gewöhnen, wie die Dinge hier ablaufen.« Xeke öffnete kurz das Fenster und warf die Reisetasche hinaus. »Haben die Dreckfresser was zu knabbern.«
    Ein leises Klopfen ertönte am Abteilfenster, dann wurde die Tür aufgeschoben. »Die Fahrkarten, bitte«, sagte eine Stimme. Ein dünner älterer Mann stand vor ihnen, ordnungsgemäß in Uniform und Kappe, einen Fahrkartenentwerter am Gürtel.
    »Wir haben keine Tickets«, teilte Xeke ihm mit.
    Die Miene des Kontrolleurs blieb vollkommen unbeweglich. »Dann macht das einen Judasdollar pro Nase.«
    Xeke verschränkte die Arme. »Geld haben wir auch nicht.«
    »Dann muss ich leider einen Golem rufen und Sie alle aus dem Zug werfen lassen«, informierte sie der Mann ungerührt.
    »Langsam, Opa. Ich zeig dir mal, was wir haben.« Er öffnete die Papiertüte mit den Fischgräten und brach eine einzelne Gräte ab. Sie leuchtete hier blendend weiß, so hell wie ein Lichtbogen. Xeke reichte sie dem Kontrolleur. »Das sollte wohl reichen, Alter.«
    »Das will ich doch meinen.« Der Mann untersuchte die winzige Gräte gebührend beeindruckt. »Ich glaube nicht, dass ich schon mal einen echten Knochen von solcher Qualität gesehen habe. Ihr müsst einen sehr kompetenten Ossifisten kennen.«
    »Ich hab ihn vom Weihnachtsmann«, sagte Xeke. »Und wir beide wissen, dass dieser Knochen mehr wert ist, als du in hundert Jahren in diesem Scheißzug verdienst. Wie wär’s, wenn du uns ein paar unbegrenzt gültige Fahrkarten ausstellst?«
    »Aber sicher. Sofort.« Der Mann steckte eiligst die Gräte in die Tasche, dann reichte er Xeke vier Tickets, auf denen UNBEGRENZTE GÜLTIGKEITSDAUER stand.
    »Danke, dass wir Sie an Bord begrüßen durften«, sagte der alte Mann. »Einen schönen Tag in der Hölle.«
    »Dir auch, du alter Kauz.« Den letzten Satz sagte Xeke erst, als der Mann wieder verschwunden war.
    Doch Cassie saß einfach nur bebend auf der Bank. Der Kontrolleur hatte vollkommen normal gewirkt, bis auf ein winziges Detail. Als er Xeke die Tickets gegeben hatte, war Cassie aufgefallen, dass seine Hände lange, dreifingrige Klauen waren.
    »Versuchskaninchen«, erklärte Via zu Cassies offensichtlicher Bestürzung. »Muss dem Amt für Transfiguration in die Hände gefallen sein. Luzifers Teratologen experimentieren gerne an Leuten herum. Hauttransplantate, Organverpflanzungen, Implantate – manches ist wirklich widerlich. In letzter Zeit haben sie Menschen Transfusionen von Dämonenblut verabreicht.«
    Cassie musste die Information herunterwürgen. »Aber, bringt sie das nicht um?«
    »Nee«, versicherte Xeke. »Aber es macht sie wirklich fertig. Vergiss nicht, ein Mensch kann hier nicht wirklich sterben. Erst wenn der Astralkörper vollkommen zerstört ist, fährt die Seele in ein niedrigeres

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